Empfehlung für molekulare Diagnostik bei hoher Wahrscheinlichkeit für NTRK-Genfusionen6. September 2019 Foto: © kentoh – Adobe Stock Die molekulare Diagnostik zur Identifikation onkogener Treiber gewinnt einen immer höheren Stellenwert. Zu diesen onkogenen Treibern zählen so genannte neurotrophe Tyrosin-Rezeptor-Kinase (NTRK)-Genfusionen, die in den vergangenen Jahren intensiv erforscht wurden. Um möglichst viele Tumorpatienten mit diesen genetischen Alterationen zu identifizieren, hat die European Society for Medical Oncology (ESMO) aktuelle Empfehlungen für den routinemäßigen klinischen Nachweis dieser Fusionen festgelegt und in einem Positionspapier veröffentlicht. Eine der wichtigsten Aussagen darin: Bei Tumorarten, bei denen NTRK-Genfusionen häufig auftreten, sollten behandelnde Ärzte eine molekulare Diagnostik veranlassen. Bei anderen Tumorarten muss der Arzt gemeinsam mit dem Patienten abwägen, ob eine Diagnostik sinnvoll ist, so die Empfehlung von Prof. Dr. med. Dr. h.c. Manfred Dietel, Professor Emeritus des Instituts für Pathologie an der Berliner Charité und Mitautor des Positionspapiers. „Bei den Patienten, bei denen mit einer Wahrscheinlichkeit von ca. 90 % und mehr mit einer NTRK-Genfusion zu rechnen ist, sollte eine Diagnostik zwingend erfolgen. Bei anderen Tumorarten gilt bzgl. des Nachweises einer NTRK-Genfusion eine ‚Kann‘-Empfehlung. Weitere behandelbare genetische Alterationen werden bereits heute routinemäßig bei vielen Tumorarten getestet, wie z. B. beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC), Mammakarzinom, malignen Melanom sowie beim Kolonkarzinom,“ so Dietel. Abgestuftes Vorgehen bei der Auswahl der Diagnostik-Methoden Bezüglich der anzuwendenden Diagnostik-Methoden empfiehlt die ESMO ein abgestuftes Vorgehen. Bei Tumorarten, bei denen insbesondere ganz spezifische NTRK-Genfusionen (z. B. NTRK3-ETV6) häufig auftreten bzw. nahezu charakteristisch für den jeweiligen Tumortyp sind, sollte das Tumorgewebe zunächst mittels Immunhistologie und Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH) orientierend untersucht werden. Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion (RT-PCR)-basierte Testsysteme oder Next Generation Sequencing (NGS) sind zur beweisenden Absicherung notwendig. Bei Tumorarten mit (sehr) seltenen NTRK-Genfusionen sollten Onkologen in Zusammenarbeit mit Pathologen und in Absprache mit den Patienten entscheiden, ob ein Screening auf NTRK-Genfusionen mittels Immunhistochemie (IHC) sinnvoll ist und bei positivem Ergebnis die Diagnose durch eine NGS-Sequenzierung bestätigen. NTRK-Genfusionen können verschiedene Signalwege auslösen, die das Wachstum von Tumoren anregen. Die sich auf Basis dieser Genfusionen entwickelnden Tropomyosin-Rezeptor-Kinase (TRK)-Fusionstumore können überall im Körper auftreten, da sie in verschiedensten Zellen und Geweben vorkommen. Bisher wurden verschiedene Formen der NTRK-Genfusionen (Genfusionen von NTRK1, NTRK2 oder NTRK3 mit verschiedenen anderen Genen) in mehr als 30 Tumorentitäten sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern bestätigt. Zu den Tumorerkrankungen, bei denen sie häufig nachgewiesen werden konnten, gehören u. a. das Gallengangskarzinom, das Kolonkarzinom, das sekretorische Mammakarzinom (ca. 92 %), das sekretorische Speicheldrüsenkarzinom (42,9 bis100 %) das papilläre Schilddrüsenkarzinom (11,8 bis 14,5 %), Fibrosarkome bei Kindern (91 bis 100 %) sowie der zelluläre Subtyp des kongenitalen mesoblastischen Nephroms (83 bis 92 %). Beim Lungenkarzinom traten NTRK-Genfusionen in 0,2 bis 3,3 % der untersuchten Fälle auf. Erste CHMP-Empfehlung für eine tumorunabhängige Indikation Eine der Substanzen, die spezifisch gegen TRK-Fusionstumoren entwickelt wurden, ist Larotrectinib. In den USA erhielt der selektive TRK-Hemmer bereits im November 2018 die Zulassung für die Behandlung von erwachsenen und pädiatrischen Patienten mit soliden Tumoren und NTRK-Genfusion. In der Europäischen Union hat Bayer im Juli dieses Jahres vom Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP, Committee for Medicinal Products for Human Use) die Empfehlung zur Zulassung für Larotrectinib erhalten. Larotrectinib wäre das erste Medikament in der EU mit einer tumor-unabhängigen Indikation. Die Empfehlung bezieht sich auf die Behandlung (Monotherapie) von erwachsenen und pädiatrischen Patienten mit soliden Tumoren, die eine NTRK-Genfusion aufweisen, bei denen die Erkrankung lokal fortgeschritten oder metastasiert ist oder bei denen eine chirurgische Resektion wahrscheinlich zu schwerer Morbidität führt, und für die keine zufriedenstellenden Therapieoptionen zur Verfügung stehen. Die endgültige Entscheidung der Europäischen Kommission wird in den kommenden Monaten erwartet.
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