Endoprothetikkongress: Fokus auf Infektion und schnelle Moblisierung nach OP

Prof. Carsten Perka, einer der wissenschaftlichen Leiter des Endoprothetikkongresses Berlin. Foto: Charité – Universitätsmedizin Berlin

Zum 11. Mal findet vom 22. bis zum 24. Febraur der Endoprothetikkongress in Berlin statt – Prof. Carsten Perka, Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie der Charité-Universitätsmedizin Berlin und wissenschaftlicher Leiter des Endoprothethikkongresses im Gespräch mit den Organisatoren von Conventus Kongress Management.

Herr Prof. Perka, seit 11 Jahren sind Sie einer der wissenschaftlichen Leiter des Endoprothetikkongresses. Neben der Vermittlung neuester Fachkenntnisse findet dort auch immer ein reger Austausch über klinische Erfahrungen statt. Welche Schwerpunkte setzt der Kongress in diesem Jahr?

Die Schwerpunkte in diesem Jahr werden durch die internationalen Gastreferenten gesetzt. Diese haben wir entsprechend der zentralen Thematiken eingeladen. Erster Schwerpunkt ist das Thema Infektion, welches bei immer zuverlässiger werdenden Implantaten und immer besser werdenden Operationstechniken prozentual zunehmend im Vordergrund steht. Hier haben wir mit Herrn Prof. Javad Parvizi aus Philadelphia den weltweit führenden Experten eingeladen. Der zweite Schwerpunkt des Kongresses wird die schnelle Mobilisierung der Patienten nach der Operation und der möglichst schonende Gesamtablauf um die Operation sein. Prof. Henrik Husted aus Kopenhagen ist derjenige, der weltweit die Konzepte für die schnelle Rehabilitation (Fast Track Surgery) etabliert hat. Er wird über seine Erfahrungen berichten. Daneben werden wir das in den letzten Jahren immer wieder diskutierte Thema der richtigen Indikation ausführlich besprechen. Die Themenbereiche Sportmöglichkeiten nach der Operation bzw. der umfassenden Aktivitäten runden die Fragen zur Optimierung der Ersteingriffe mit einem Gelenkersatz ab. Nicht zuletzt werden wir uns auch mit den Ergebnissen der Wechseleingriffe auseinandersetzen, da bei immer besser werdenden Ergebnissen der Erstimplantationen hier im Moment noch eine gewisse Stagnation zu verzeichnen ist.

Was ist der „Goldstandard“ aktuell: Kurzschaftprothesen? Geradschaftprothesen? Minimalinvasive Eingriffe? Was hält die Forschung für die nächsten Jahre bereit?

Der Goldstandard für mich ist immer noch die sogenannte „Standardprothese“. Verwendung finden sollte hier eine Geradschaftprothese mit gegenüber dem vorigen Jahrzehnt veränderter Form im oberen Abschnitt, sodass die Muskulatur geschont wird und das minimalinvasive Operieren und Implantieren möglich ist. Kurzschaftprothesen sind eine interessante Option, deren Wertigkeit sich jedoch jetzt überhaupt noch nicht abschließend darstellen lässt. Zudem verschwimmen die Grenzen zwischen einem Standardschaft und einer Kurzschaftprothese immer mehr. Die Forschung ist gekennzeichnet durch neue Materialien, die ein immer schnelleres und immer festeres Einwachsen der Prothese ermöglichen, sodass ich glaube, dass die Prothesenlockerung als Ursachen für einen Wechseleingriff in 15 Jahren kaum noch eine Rolle spielen wird. Des Weiteren werden die Implantate immer besser, das heißt, es wird immer weniger Abrieb produziert. Aktuelle Forschungen sind darauf gerichtet, Implantate herzustellen, mit denen das gegenwärtige Hauptproblem, das Auftreten von Infektionen, zusätzlich verhindert werden kann. Auch die oftmals notwendige Verbindung von Implantatteilen im Patienten,  ist durch immer sicherere Stabilisierungsmöglichkeiten gekennzeichnet.

Welche Rolle spielt die Erwartungshaltung an das OP-Ergebnis? Und wird diese „verfälscht“, beispielsweise durch Berichte im Internet?

Die Erwartungshaltung an das Operationsergebnis ist bekanntermaßen der wichtigste Prädiktor um die Zufriedenheit nach der Operation vorherzusagen. Hier sehe ich das Problem weniger im Internet, als beim Operateur. Der zentrale Gesprächsinhalt vor der Operation sollte sein, was der Patient hofft, zu erreichen. Wenn die gewünschten Ziele durch den Arzt bestätigt werden, hat dieser die wesentliche Verantwortung für die Zufriedenheit des Patienten nach der Operation.

Halten Sie es für wichtig, dass der Arzt im Patientengespräch auch die Grenzen eines künstlichen Gelenks aufzeigt?

Unbedingt. Jedoch sind dies meist nicht die Grenzen des Gelenkes, sondern die Grenzen, die durch die Gewebsstrukturen bestimmt werden, welche durch die Operation nicht verändert werden. Wie oben angeführt, ist die Beweglichkeit des Gelenkes vor der Operation, der Zustand der Muskulatur, die Funktion der Nachbargelenke sowie die generelle Leistungsfähigkeit entscheidend dafür, welche Ziele mit der Operation umgesetzt werden können.

Was sollten Patienten nicht versäumen, die von ihrem Arzt die Empfehlung bekommen haben, sich ein künstliches Gelenk einsetzen zu lassen?

Hier macht es sicherlich Sinn, sich genau zu erkundigen, welches Implantat eingesetzt werden soll. Dazu muss der Arzt wissen, welche Ansprüche der Patient an das Leben mit dem Implantat hat, das heißt, welche Sportarten gewünscht werden, welche Aktivitäten im Vordergrund stehen und so weiter. Der Patient sollte fragen, welche langfristigen Ergebnisse es mit diesem Implantat gibt und wo eventuell dokumentierte Daten nachgelesen werden können. Im Zweifelsfall lohnt es sich, eine Zweitmeinung einzuholen und einen anderen Arzt zu konsultieren.

Wann ist es sinnvoll, konservative Therapien zu versuchen?

Eine konservative Therapie ist nahezu immer sinnvoll. Hierbei sollte der Patient im Auge behalten, dass er de facto kein neues Gelenk bekommt, sondern die Muskeln, Sehnen und Bänder um das Gelenk die gleichen sind, wie vor dem Eingriff. Es lohnt sich also, hier entsprechende physiotherapeutische Maßnahmen umzusetzen. Wenn der Schmerz jedoch bereits bei geringen Anstrengungen außerordentlich stark ist, sollte ernsthaft über die Operation nachgedacht werden. Für den Arzt und auch den Patienten ist es gut zu wissen, dass ohne Operation keine sinnvolle Verbesserung der Beschwerden erreicht werden kann.

Wie alt sind die meisten Ihrer Patienten?

Das Alter der Patienten variiert und hängt von der Ursache der Beschwerden ab. Die meisten Patienten sind zwischen 60 und 70 Jahre alt. Nach Unfällen, bei angeborenen Hüftgelenkserkrankungen, nach erworbenen Problemen wie Infektionen und bei der sogenannten Hüftkopfnekrose können die Patienten auch sehr viel jünger sein. Wir haben auch im letzten Jahr insgesamt 12 Patienten operiert, die jünger als 30 Jahre waren.

Wie aktiv kann man mit einem Kunstgelenk noch sein?

Aus meiner Erfahrung ist es so, dass 95% der Patienten die Möglichkeit nicht nutzen, die das neue Kunstgelenk bietet. Über Jahrzehnte haben wir unsere Patienten angehalten, vorsichtig mit dem neuen Gelenk zu sein. Moderne Materialien sind außerordentlich belastungsstabil. Zwar sollte auf Kontaktsportarten verzichtet werden und auch Sportarten bei denen es zu einem schnellen Richtungswechsel kommt, wie Tennis, Volleyball oder Fußball, sind eher ungeeignet. Aber verbieten muss man nahezu nichts. Vorsicht ist angebracht, wenn sportliche Übungen mit besonders hohem Bewegungsumfang für das betreffende Gelenk durchgeführt werden sollen. So ist es z.B. notwendig, mit dem Patienten abzusprechen, ob Yoga wirklich sinnvoll ist.

Worauf sollten Patienten bei der Klinikwahl achten oder sollte man hier immer den Empfehlungen des behandelnden Arztes vertrauen?

Hier steht die Erfahrung der betreffenden Klinik an erster Stelle. Neben dem Umfang der operierten Gelenke sollten auch die verwendeten Implantate und deren Vielfalt nachgefragt werden. Zusätzliche Informationen kann man aus Rankings wie dem Fokus-Ranking oder durch Zeitschriften wie den Berliner Tagesspiegel, die Zeitschrift Guter Rat usw. erhalten. Gute Information liefert im Regelfall auch der Physiotherapeut, der eine Vielzahl von Patienten mit einer solchen Erkrankung nachbehandelt.

Was empfehlen Sie Patienten nach einer OP, um möglichst schnell wieder mobil zu sein?

Aktivität. Aktivität. Aktivität. Patienten verlassen sich oftmals zu sehr auf die Physiotherapie nach der Operation. Dies ist nicht ausreichend. Nur durch die tägliche Benutzung des Gelenkes, das Training der Muskulatur und die generelle Konditionierung wird man die Möglichkeiten des Gelenksersatzes nutzen können. Der Arzt kann durch eine schonende Operationstechnik und insbesondere eine umfassende Schmerztherapie nach der Operation dazu beitragen. Erfolgreich sein kann man jedoch nur gemeinsam – Arzt und Patient. Durch den Arzt werden de facto unbewegliche Metallteile implantiert, die Aktivität ist durch den Patienten zu erreichen. Dem vorsichtigen Rehabilitationsaufbau in den ersten 4 Wochen nach der Operation sollte dann eine zunehmende Belastungssteigerung folgen. Die tägliche Wiederholung der initial durch die Physiotherapie vermittelten Übungen steht dabei im Mittelpunkt. 20-30 Minuten pro Tag sind eine gute Richtlinie.