Epigenetik: Dem Tumor den richtigen Namen geben

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Wissenschaftler haben die Klassifikation von Tumoren des zentralen Nervensystems (ZNS) entscheidend verbessert: Mediziner können Tumoren des ZNS jetzt präziser bestimmten Risikogruppen zuordnen und sich auf dieser Basis für eine optimierte Therapie entscheiden.


Für die erfolgreiche Behandlung von Krebs im ZNS ist es wichtig, die molekularen Eigenschaften der Tumoren genau zu kennen. Zurzeit lassen sich über Gewebemerkmale rund 100 verschiedene Arten von ZNS-Tumoren unterscheiden, die ganz unterschiedlich auf Strahlen- und Chemotherapien ansprechen. Um den Tumor näher zu klassifizieren, zum Beispiel über bestimmte Mutationen im Erbgut, werden auch molekulardiagnostische Methoden eingesetzt. Dennoch ist die Variabilität groß, was die Standardisierung von Diagnoseverfahren erschwert.

Mit dem Ziel, die Diagnostik von ZNS-Tumoren zu verbessern, hat das Team um Prof. Stefan Pfister, Abteilungsleiter „Pädiatrische Neuroonkologie“ am Deutschen Krebsforschungszentrum, zusammen mit Kollegen der Abteilung Neuropathologie am Heidelberger Universitätsklinikum unter der Leitung von Prof. Andreas von Deimling ein neues computerbasiertes Verfahren entwickelt: „Wir hoffen, die diagnostische Treffsicherheit bei ZNS-Tumoren mit unserer neuen, molekularen Klassifizierungsmethode zu verbessern und damit auch die Erfolgsaussichten der anschließenden Therapie zu erhöhen“, erklärte von Deimling.

Die Forscher hatten die Methylierungsmuster im Erbgut von Tumoren analysiert, die Rückschlüsse auf die zelluläre Herkunft des Tumors zulassen. „Wir haben computerbasierte Algorithmen entwickelt, die 82 verschiedene Arten von ZNS-Tumoren anhand ihrer Methylierungsmuster zuverlässig unterscheiden können“, erklärte Prof. David Capper, Professor am Institut für Neuropathologie der Charité, und betonte: „Gerade bei Tumoren, die wir durch die reine Betrachtung unter dem Mikroskop nicht ohne Weiteres einer diagnostischen Kategorie zuordnen können, hilft die Methylierungsanalyse häufig, eine eindeutige Diagnose zu stellen. Die Analyse der insgesamt circa 2800 Tumor-Referenzproben ermöglicht zudem die Abgrenzung bestimmter Tumor-Subgruppen, die in den bisher gängigen Klassifizierungen noch gar nicht enthalten sind.“

Die Wissenschaftler hatten mehr als 1100 weitere Tumorproben analysiert, um zu testen, ob sich die Methode für den Einsatz in der klinischen Routinediagnostik eignet. In rund zwölf Prozent der Tumoren konnten sie mithilfe der Methylierungsmuster die ursprüngliche Diagnose korrigieren. Weiterführende molekulardiagnostische Untersuchungen zeigten in fast allen Fällen, in denen dies möglich war, dass die molekulare Zuordnung die Tumoren sogar besser charakterisierte als die ursprüngliche mikroskopische Diagnose.

„Wir sind überzeugt, dass sich unsere neue Methode gut für den Einsatz in der Klinik eignet“, sagte Pfister und ergänzte: „Wir haben unser Klassifizierungssystem online zugänglich gemacht, damit Forscher ihre Daten auf unserer Plattform analysieren können.“ Durch die Informationen, die auf diese Weise gleichzeitig eingehen, sollen vor allem seltene Krebserkrankungen in Zukunft eindeutig diagnostiziert und damit besser behandelt werden.

Originalpublikation:
Capper D et al.: DNA methylation-based classification of central nervous system tumours. Nature, 14. März 2018