Epigenetischer Ansatz verspricht neue Therapien gegen Graft-versus-Host-Disease16. November 2022 Dr. Yiouli Ktena ist Stipendiatin des DKMS John Hansen Research Grant und forscht an der Johns Hopkins University. Foto: Privat/Quelle: DKMS Für viele Blutkrebspatienten ist eine Stammzelltransplantation die letzte Überlebenschance. Doch etwa 30-50 Prozent der transplantierten Patienten erkranken an der oft lebensbedrohlichen Graft-versus-Host-Disease (GvHD). Dr. Yiouli Ktena, Wissenschaftlerin an der Johns Hopkins University in Baltimore (USA), hat einen neuen, epigenetischen Ansatz entwickelt, mit dem man die GvHD möglicherweise wirksam bekämpfen und zugleich die immunologische Schlagkraft der Spenderzellen erhalten kann. Extreme Schmerzen und Krämpfe, die Auflösung der Schleimhäute, schwerer Hautausschlag, Übelkeit, Durchfall und Leberschäden – das sind nur einige der vielen Symptome, die bei einer GvHD auftreten können. Oftmals verläuft diese Komplikation sogar tödlich. Ktena hat sich zum Ziel gesetzt, den Patienten zu helfen. Sie ist Fachärztin für pädiatrische Hämatologie und Onkologie und forscht an der renommierten Johns Hopkins University. „Für einige meiner Patientinnen und Patienten ist die Stammzelltransplantation die einzige Chance auf Heilung. Dazu gehören krebskranke Kinder und junge Erwachsene mit bestimmten Arten von aggressiver Leukämie und Lymphomen, oder auch mit nichtmalignen Erkrankungen wie Knochenmarksversagen“, erklärt sie. Doch selbst wenn die Gewebemerkmale von Spender und Patient vollständig übereinstimmten, könne nach der Stammzelltransplantation eine GvHD auftreten. „Und man kann noch immer nicht vorhersagen, bei wem, warum und wann das geschieht“, so die junge Ärztin.Die GvHD ist eine schwere immunologische Reaktion, bei der sich das Transplantat gegen den Empfänger richtet. Jedes Transplantat beinhaltet neben den eigentlichen Stammzellen auch Immunzellen des Spenders. Während sich die gespendeten Stammzellen im Knochenmark der Patienten ansiedeln und ein neues, gesundes Blut- und Immunsystem aufbauen, wandern die fremden Immunzellen nach der Transplantation durch den Körper des Empfängers. Im Idealfall vernichten sie dabei Krebszellen und verhindern, dass die Krebserkrankung zurückkehrt – ein Prozess, der als Graft-versus-Tumor-Effekt bekannt ist. Greifen die Immunzellen des Spenders aber die gesunden Zellen des Patienten an, weil sie diese als fremd erkennen, kommt es zur GvHD.Bisherige Behandlungsmethoden erhöhen Infekt- und Rezidiv-Anfälligkeit„Die derzeit verfügbaren Behandlungsmethoden gegen GvHD bedeuten für die Patientinnen und Patienten ein erhöhtes Infektions- und Krebs-Rezidiv-Risiko”, so Ktena. „Denn es gibt ein großes Problem: Dämmt man die Immunantwort der transplantierten Spenderzellen ein, verringert sich zwar die GvHD, aber der Patient wird auch anfälliger für Infektionen und Krebsrezidive.“ Ihr Forschungsansatz geht daher in eine andere Richtung: Sie will die für GvHD verantwortlichen Spenderzellen zugunsten der Patienten epigenetisch manipulieren. „Unser Ziel ist es, die GvHD einzudämmen und zugleich die Schlagkraft des neuen Immunsystems bzw. den Transplantat-gegen-Tumor-Effekt zu erhalten.“Dazu untersucht sie die Rolle der Epigenetik bei der Entwicklung von GvHD. Auf dem Gebiet der Epigenetik spielt das Enzym DNMT3A eine wichtige Rolle. Das Enzym ist dazu in der Lage, DNA durch eine chemische Bindung zu markieren. Durch diese Markierung wird die DNA für die Zelle quasi unsichtbar und nicht mehr aktiv genutzt. Damit beeinflusst DNMT3A wichtige zelluläre Vorgänge. Es wurde bereits beobachtet, dass Patienten, die eine Stammzelltransplantation von einem Spender mit einer DNMT3A-Mutation erhalten haben, mit höherer Wahrscheinlichkeit eine GvHD erleiden. Gleichzeitig ist die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls geringer. Interessanterweise sind DNMT3A-Mutationen nicht selten. Laut einer Studie aus dem Jahr 2020 trugen 6,2% der Gesamtbevölkerung eine DNMT3A-Mutation, wobei die Prävalenz altersabhängig anstieg.“Ein hartes Stück Arbeit – aber wir kommen voran!”Mit Hilfe genetisch veränderter T-Zellen gelang es Ktena, das DNMT3A-Phänomen im Labor nachzubilden. Diese Zellen konnte sie auf ihre epigenetischen Eigenschaften hin analysieren. Sie untersuchte insbesondere, welche DNA-Abschnitte chemisch markiert waren und wie sie sich von normalen T-Zellen unterschieden. Diese Zellen sind den normalen Zellen insgesamt sehr ähnlich, mit Ausnahme von sehr lokalisierten Unterschieden, die überraschend spezifisch sind. Die veränderten DNA-Regionen befinden sich innerhalb von Genen, die in direktem Zusammenhang mit der Aktivierung, Vermehrung und Differenzierung von T-Zellen stehen.„Diese Daten sind in dreierlei Hinsicht relevant“, erklärt die junge Wissenschaftlerin. „Sie zeigen die Bedeutung der Epigenetik für die Regulierung der T-Zell-Aktivierung nach einer Stammzelltransplantation und bieten uns eine Grundlage für die Untersuchung epigenetischer Signaturen von Spendern zur Vorhersage des GvHD-Risikos bei Empfängern. Zweitens erlauben sie uns, epigenetische Veränderungen als therapeutisches Mittel in Betracht zu ziehen. Und schließlich können die Daten als Plattform für die Entdeckung neuer GvHD-relevanter Gene und damit zusammenhängender Signalwege genutzt werden, die möglicherweise auch therapeutisch von Interesse sein könnten“, sagt Ktena. „Die Durchsicht all dieser Daten und das Sortieren der von uns identifizierten Signalwege ist wirklich ein hartes Stück Arbeit – aber wir kommen voran!“CCR9 – ein neues Ziel für die GvHD-Behandlung?Ein möglicherweise therapierelevantes Protein hat sich aus den Daten bereits herauskristallisiert: CCR9, ein Chemokinrezeptor, der T-Zellen in den Darm lenkt – einen der Hauptbereiche, in denen das Krankheitsbild der GvHD beginnen und sich manifestieren kann. CCR9 wurde bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen gezielt eingesetzt und könnte nun möglicherweise auch im Zusammenhang mit GvHD zum Einsatz kommen. „Wir haben bereits mit einigen dieser Experimente, die auf CCR9 abzielen, begonnen und nun freut sich unser Labor auf die vielversprechenden Ergebnisse“, sagt Ktena.DKMS John Hansen Research Grant 2023 – 240.000 Euro für die Blutkrebsforschung! Bewerbungsfrist endet am 2. DezemberEin hoch dotiertes Forschungsstipendium bietet Ktena die finanzielle Sicherheit, ihr vielversprechendes Projekt umzusetzen: 2020 wurde sie von der DKMS Stiftung Leben Spenden mit dem DKMS John Hansen Research Grant ausgezeichnet, der mit 240.000 Euro dotiert ist. Diese Summe wird verteilt auf drei Jahre zu jeweils 80.000 Euro ausgezahlt. Die DKMS Stiftung Leben Spenden, Dachorganisation der gemeinnützigen Stammzellspenderdatei DKMS, fördert auf diese Weise jährlich bis zu vier herausragende Nachwuchswissenschaftler, die sich wie die DKMS zum Ziel gesetzt haben, die Überlebens- und Heilungschancen von Blutkrebspatienten zu verbessern. Noch bis zum 2. Dezember 2022 sind junge Wissenschaftler dazu eingeladen, sich um den John Hansen Research Grant 2023 zu bewerben. Alle Bewerbungsmodalitäten und weitere spannende Forschungsprojekte der Grant-Stipendiaten sind zu finden auf der DKMS Professionals Platform unter: professional.dkms.org. Interessierte können sich bei Fragen gerne auch per E-Mail an [email protected] wenden.
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