EPO-Ausfall macht das Gehirn flexibler als erwartet1. Oktober 2025 Bei EPO-Ausfall aktiviert das Gehirn zusätzliche EPO-Rezeptoren und nutzt bislang kaum bekannte Signalwege, um seine kognitive Leistungsfähigkeit zu sichern. (Bild: © Feodora – stock.adobe.com) Erythropoietin gilt immer noch bei vielen als Hormon der Blutbildung, spielt aber vor allem im Nervensystem eine wichtige Rolle. Ein deutsches Forschungsteam zeigt nun: Fällt EPO im Vorderhirn aus, bleiben Lernen, Gedächtnis und Aufmerksamkeit unbeeinträchtigt, während die Leistungen in komplexen Aufgaben erhöht waren. Der Grund: Das Gehirn aktiviert zusätzliche EPO-Rezeptoren und nutzt bislang kaum bekannte Signalwege, um seine kognitive Leistungsfähigkeit zu sichern. Erythropoietin (EPO) ist vielen vor allem als Hormon der Blutbildung bekannt. Doch seit einigen Jahren weiß man: Auch im Gehirn spielt EPO eine wichtige Rolle – und zwar dort, wo besonders anspruchsvolle geistige Leistungen ablaufen. In bestimmten Zellen des Nervensystems wird EPO samt den entsprechenden Erythropoietin-Rezeptoren (EPOR) gebildet. Durch den Rezeptor auf der Zelloberfläche kann das Hormon binden und die intrazellulären Signalwege aktivieren. Diese Signalwege sind wichtig für Zellüberleben, Plastizität und Reparaturprozesse im Nervensystem. EPO kann somit dazu beitragen, Gehirnleistungen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis und Motivation zu stärken. Doch die genauen Zusammenhänge sind bisher noch unklar. Keine Einbußen nach EPO-Ausfall In einer neuen Studie untersuchte ein Forscherteam aus Göttingen, Mannheim, Tübingen und Berlin in einem Tiermodell, was passiert, wenn EPO im Vorderhirn ausgeschaltet wird. Die Tiere zeigten keine Einbußen in Lernen, Gedächtnis oder Aufmerksamkeit. In besonders komplexen Gedächtnisaufgaben schnitten sie teilweise besser ab als die Kontrollgruppe. Die Erklärung liegt offenbar in einem Anpassungsmechanismus: Fehlt EPO, dann bildet das Gehirn mehr EPORs – und zusätzlich einen bislang kaum beachteten Rezeptor namens EphB4. Beide Rezeptoren verstärken oder ergänzen die Signalwege von EPO. So gleicht das Gehirn den Verlust aus und sichert seine Leistungsfähigkeit ab. Kompensation auf molekularer Ebene „Diese Entdeckung ist bedeutsam, weil sie ein neues Kapitel im Verständnis der sogenannten neuroplastischen Eigenschaften des Gehirns aufschlägt“, berichtet Prof. Hannelore Ehrenreich, Leiterin der Experimentellen Medizin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim und Letztautorin der Studie. Das Gehirn kann laut Ehrenreich als Reaktion auf EPO neue Nervenzellen bilden und Netzwerke umbauen. Zudem ersetzt es auf molekularer Ebene fehlende Faktoren durch kompensatorische Mechanismen. Kürzlich veröffentlichte Arbeiten derselben Arbeitsgruppe zeigten außerdem, dass EPO die Reifung von Oligodendrozyten und die Bildung von Myelinscheiden unterstützt – ein Mechanismus, der für die Signalübertragung im Gehirn entscheidend ist (weitere Informationen). „Unsere Ergebnisse zeigen eindrucksvoll, wie flexibel und anpassungsfähig das Gehirn selbst auf tiefgreifende molekulare Veränderungen reagieren kann“, erklärt die Forscherin. Langfristig könnte dieses Wissen den Weg ebnen, um EPO-Signalwege gezielter therapeutisch zu nutzen – zum Beispiel bei Erkrankungen, die mit kognitiven Einbußen verbunden sind, oder auch in der Rehabilitation nach Hirnschädigungen. Die Studie macht deutlich, dass das Gehirn über ein ausgeprägtes Kompensationsprogramm verfügt, um seine geistige Leistungsfähigkeit zu erhalten. (BIERMANN/lj)
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