Erbliche Netzhauterkrankungen: Phänotypen, Genotypen und genetische Therapien

Bart P. Leroy bei seiner Keynote zur Netzhautgenetik. Foto: Schulz/Biermann Medizin

Über Phänotypen, Genotypen und genetische Therapien bei erblichen Netzhauterkrankungen (IRDs) berichtete in der heutigen Keynote-Lecture Prof. Bart P. Leroy aus Gent (Belgien).

Seit 1990 haben mehr als 300 Gene identifiziert werden können, die an der Pathogenese erblicher Netzhauterkrankungen beteiligt sind. Das molekulargenetische Hochdurchsatz-Screening, so erklärte der Augenarzt und klinisch tätige Genetiker, habe es ermöglicht, den zugrunde liegenden Genotyp bei einem Großteil der IRD-Patienten aufzuklären. Das Aufkommen der Gentherapien eröffne nunmehr die Chance, das Sehvermögen auch dieser Menschen zu retten. Welchen aktuellen Stand die Netzhautgenetik erreicht hat, stellte der hochkarätige Referent in seiner Keynote dar. Anhand mehrerer Patientenbeispiele etwa zur Stargardt-Erkrankung – verdeutlichte er unter anderem, dass verschiedene Phänotypen durchaus ähnliche Genotypen haben können.

Leroy befasst sich an der Universität Gent sowohl mit der klinischen Phänotypisierung und Genotyp-Phänotyp-Korrelationen als auch mit der Entwicklung von IRD-Behandlungen. Er ist Hauptforscher in mehreren klinischen Studien, die innovative Behandlungen untersuchen.

Real-World-Erfahrungen mit der ersten okulären Gentherapie

Während seiner Zeit am Kinderkrankenhaus in Philadelphia (USA) von 2013 bis 2020, so berichtete er, gehörte er dem Team an, welches das Gentherapeutikum Voretigen Neparvovec auf den Markt brachte – die erste und bislang einzige von der US-amerikanischen Food and Drug Administration und der Europäischen Arzneimittel-Agentur zugelassene okuläre Gentherapie. Diese wird angewendet zur Behandlung von erwachsenen und pädiatrischen Patienten mit Sehverlust aufgrund einer erblichen Netzhautdystrophie, die auf nachgewiesenen biallelischen RPE65-Mutationen beruht. Hierzu präsentierte Leroy Erfahrungen aus der „Real World“ und welche Lehren etwa hinsichtlich choroidaler Atrophieentwicklung oder Entzündungsreaktionen gezogen worden seien.

In einem weiteren Teil seiner Lecture ging er auf die Fragestellung ein, wie bestimmte IRDs therapiert werden können, bei denen die zugrunde liegenden Gene zu groß sind für die Anwendung von Adeno-assoziierten Vektoren (AAVs). Zu diesen Krankheiten gehören beispielsweise M. Stargardt und das Usher Syndrom Typ 1B. Mehrere Biotech-Startups arbeiteten bereits an diesem Problem, erklärte Leroy. Einen Lösungsansatz könnte eine Dual-AAV-Plattform darstellen. Die Idee: Es werden zwei Viren eingesetzt, die jeweils die Hälfte des Gens transportieren. (dk/BIERMANN)