ERC Synergy Grant für ClonEScape: Der Entstehung von Tumoren auf der Spur

Prof. Daniel Stange. Foto: ©Gabriele Bellmann

Wie entstehen Tumore und warum können sie sich verbreiten? Mit welchen Strategien umgehen die mutierten Zellen die Schutzmechanismen, vermehren sich und führen zu einer Krebserkrankung? Ein Forscherverbund aus Großbritannien, Südkorea und Dresden will dem Ursprung der klonalen Pathogenese mit dem Projekt „ClonEScape“ auf den Grund gehen.

Die Erkenntnissen sollen neue Ansätze zur Prävention, Erkennung und Behandlung von Krebs liefern. Dafür erhalten Prof. Benjamin Simons, Dr. Maria Alcolea (beide University of Cambridge), Dr. Bon-Kyoung Koo (Institute for Basic Science) und Prof. Daniel Stange (TU Dresden) den ERC Synergy Grant verbunden mit einer Förderung in Höhe knapp 10 Millionen Euro.

Tumore entstehen in der Regel durch einen Prozess, der mit einer Feldkanzerisierung beginnt, d.h. mutierte Krebszellen vermehren sich durch Teilung und schließen sich wiederum zu kleineren Ansammlungen, den Tumorzellklonen, innerhalb von normal aussehendem Gewebe zusammen. Damit sie sich nicht ausbreiten können, haben Epithelgewebe Schutzmechanismen entwickelt, die das Wachstum dieser Klone hemmen. Gleichzeitig müssen sie jedoch notwendige Regenerationen zulassen. Dies scheinen die frühen Tumorzellklone als Schlupfloch zu nutzen. Überwinden die initialen Tumorzellklone diese Schutzbarrieren, entsteht mit der Zeit ein bösartiger Tumor.

Wie genau die Schutzmechanismen ausgehebelt werden und die Tumorzellen sich sodann ungebremst vermehren und verbreiten, ist die zentrale Frage der internationalen Forschungsgruppe „ClonEScape“. Ihr Fokus liegt auf den Epithelien des Magen-Darm-Trakts und darauf, wie Verletzungen, Entzündungen und Alterung den Krebszellen „helfen“, sich den natürlichen Schutzmechanismen zu entziehen.

„In den kommenden sechs Jahren will die Forschungsgruppe ein besseres Verständnis der zellulären und molekularen Mechanismen erlangen, die zur initialen Tumorentwicklung führen, sowie potenzielle präventive und therapeutische Ansätze entwickeln“, erläutert Prof. Daniel Stange, Arzt und Wissenschaftler am Universitätsklinikum Dresden sowie der Medizinischen Fakultät der TUD und des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT/UCC) Dresden.

Dieses Ziel wollen die Wissenschaftler durch die Kombination verschiedener experimenteller Methoden mit mathematischen Modellen erreichen. Damit soll es gelingen, die Mechanismen zu entschlüsseln, die das Wachstum mutierter Krebszellen in einer Umgebung von gesunden Zellen steuern. Hierbei kommen fortschrittliche Techniken wie genetisches Barcoding, Einzelzellgenomik und räumliche Transkriptomik zum Einsatz, um die Abstammung und Dynamik mutierter Klone zu verfolgen. So sollen diejenigen genetischen Programme identifiziert werden, die den Zellwettbewerb steuern und den mutierten Klonen die Überwindung von natürlichen Wachstumsgrenzen erlauben.

Durch genetische Manipulation von 3D-Organoidkulturen mittels CRISPR/Cas9 und detaillierten somatischen SNV-basierten Abstammungsanalysen wollen die Wissenschaftler auch in menschlichen Geweben erforschen, inwieweit diese Prinzipien zwischen Mensch und murinen Modellsystemen erhalten sind. Die Ergebnisse sollen neue therapeutische Ansätze zur Prävention und Früherkennung sowie Verhinderung von Tumorbildung auch durch altersbedingte Gewebeveränderungen liefern.

Zusammengefasst zielt die Studie darauf ab, die klonale Pathogenese von Tumoren in verschiedenen Geweben besser zu verstehen. Sie gliedert sich in drei komplementäre Ziele:

  1. Dynamik von Tumorklonen verstehen: Die Ausbreitung mutierter Tumorzellklone wird quantifiziert, um zu analysieren, wie sie mit benachbarten „gesunden“ Zellklonen konkurrieren.
  2. Einfluss von Alterung und Verletzungen: Es wird untersucht, wie Alterungsprozesse und Verletzungen die Konkurrenz zwischen Zellen beeinflussen und zur Krebsbildung beitragen können.
  3. Übertragung auf menschliche Gewebe: Die Mechanismen der klonalen Pathogenese sollen zudem in menschlichen Geweben erforscht werden.

Die ERC Synergy Grants

Mit den Synergy Grants fördert der Europäische Forschungsrat (ERC) Teams von zwei bis vier Wissenschaftlern an unterschiedlichen Standorten. Damit werden Projekte unterstützt, die sich durch eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit auszeichnen, und nur dadurch überhaupt angegangen werden können. Die Auszeichnung ist mit einer Förderung von bis zu zehn Millionen Euro plus möglicher Investitionen über einen Zeitraum von sechs Jahren verbunden.

Im Falle des Projekts „ClonEScape“ beträgt die Fördersumme 9.936.185 Millionen Euro, davon gehen ca. 1,5 Millionen Euro an die TU Dresden. Mit dem Projekt ClonEScape ist die TUD zum vierten Mal an einem ERC Synergy Grant beteiligt. In dieser Förderrunde wurden insgesamt 548 Anträge eingereicht, 57 davon wurden positiv beschieden, Der ERC Synergy Grant gilt als die renommierteste Forschungsförderung in der EU.

Zur Person

Prof. Daniel Stange studierte Medizin in Hamburg und Heidelberg und promovierte 2006 am Deutschen Krebsforschungszentrum. Nach seiner Approbation begann er seine Ausbildung zum Viszeralchirurgen an der Universität Heidelberg. Seine wissenschaftliche Weiterbildung, die er mit einem PhD abschloss, absolvierte Stange an der Universität Utrecht, Niederlande. Ende 2012 wechselte er nach Dresden, wo er mittlerweile als Erster Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden arbeitet. Er leitet das Chirurgische Forschungslabor der Medizinischen Fakultät der TU Dresden und führt am NCT/UCC Dresden die Preclinical Model Unit (PMU). Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen auf der translationalen Forschung zu Magen- und Kolonkarzinomen sowie der Molekularbiologie der intestinalen und gastralen Stammzelle.