Erfolgreiches interdisziplinäres OP-Team in der MHH-Kinderchirurgie

Dingemann untersucht Niklas L. (Foto: Karin Kaiser/MHH)

Operateure aus unterschiedlichen Abteilungen der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) bringen ihr Know-how ein – so wie bei Niklas L., der ein seltenes Chondrosarkom hatte.

In der Chirurgie gibt es acht Teildisziplinen und innerhalb dieser wiederum zahlreiche Spezialisierungen. „Wir arbeiten immer differenzierter“, sagt Prof. Jens Dingemann, Direktor der Klinik für Kinderchirurgie der MHH. Dadurch würden nicht nur die einzelnen chirurgischen Sparten immer professioneller, es eröffneten sich auch ganz neue Möglichkeiten der Kooperation. „Zusammen sind wir noch besser, können erfolgreicher und sicherer operieren“, so Dingemann. In der MHH-Kinderchirurgie arbeiten bei komplizierten und riskanten Eingriffen Chirurginnen und Chirurgen aus unterschiedlichen Fachabteilungen in interdisziplinären Teams zusammen. Ein Beispiel dafür ist der Jugendliche Niklas L. Ihm wurde von einem „gemischten“ OP-Team ein großer bösartiger Tumor aus dem Brustraum entfernt.

Tumor an kritischer Stelle

„Alles fing damit an, dass ich einen kleinen Knubbel auf meiner linken Brust ertastet habe“, erinnert sich Niklas. Nachdem er seinen Eltern davon erzählt hatte, folgten Untersuchungen beim Hausarzt, Pneumologen und Radiologen sowie in der Kinderonkologie des Krankenhauses Minden. Dann stand die Diagnose fest: Niklas hatte Krebs. In seinem Brustraum saß ein Chondrosarkom. Im November 2023 kam der damals 17-Jährige zur Behandlung in die MHH. Normalerweise werden Chondrosarkome operativ entfernt. Doch auf den Röntgenaufnahmen von Niklas zeigte sich, dass der Tumor, der sich von außen wie ein kleiner Knubbel anfühlte, nach innen so groß wie eine Orange war. „Zudem war die Lage des Tumors ausgesprochen ungünstig. Er lag direkt auf dem Herzen und an der Aorta, also der Hauptschlagader,“ erklärt Professor Dingemann. Eine Operation schien zunächst unmöglich, weil zu riskant. Wirklich gute alternative Behandlungsmöglichkeiten gab es nicht: Eine Chemotherapie ist bei Chondrosarkomen grundsätzlich nicht geeignet und eine Bestrahlungstherapie war in Niklas‘ Fall nicht besonders erfolgversprechend.

Vier hochspezialisierte Chirurgen

Zur Beurteilung der Situation und des weiteren Vorgehens hatte sich von Anfang an ein interdisziplinäres Team zusammengeschlossen. Dazu gehörten PD Dr. Murat Avsar (Herz- und Gefäßchirurgie), Dr. Patrick Zardo (Thorax- und Lungenchirurgie) und PD Dr. Alexander Horke (Kinderherzchirurgie) aus der Klinik für Herz- Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie sowie Dingemann (Kinderchirurgie). Nach der Fallbesprechung konnten die Operateure Niklas‘ Eltern den gemeinsamen Therapieplan vorstellen.

Im Juli fand die OP statt. „Wir waren breit aufgestellt, um auch in einer unerwarteten Situation adäquat handeln zu können“, berichtet Dingemann. Dazu gehörte auch, dass eine Herz-Lungen-Maschine bereitstand, die jedoch nicht eingesetzt werden musste. Während des dreistündigen Eingriffs gelang es dem interdisziplinären OP-Team mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Kardiotechnik, der Anästhesie und der Pflege, den Tumor trotz der kritischen Position restlos zu entfernen. „Das lag vor allem an unserer guten Kooperation, bei der jeder sein spezielles Know-how einbringen und die entsprechenden Schnitte machen konnte“, erklärt Dingemann.

Chirurginnen und Chirurgen aus unterschiedlichen Abteilungen an einem OP-Tisch sind normalerweise nicht üblich. „Früher war klar, dass einer oder eine alles alleine macht. Da spielten vielleicht auch gewisse Eitelkeiten eine Rolle “, so Dingemann. Doch langsam wandelt sich das Selbstverständnis. Heute gibt es immer wieder Beispiele für chirurgische Kooperationen. In der Kinderklinik möchte Dingemann das Modell weiter stärken, denn als Team aus Spezialisten könne man sich bei komplizierten Eingriffen hervorragend ergänzen und voneinander lernen und die Patientinnen und Patienten profitierten von mehr Sicherheit.

Niklas hat den Eingriff gut überstanden. Zurzeit komme er noch regelmäßig zu Nachuntersuchungen in die Kinderklinik und habe gute Aussichten, wieder ganz gesund zu werden.