Erste S3-Leitlinie zur Sectio bietet Schwangeren evidenzbasiertes Wissen und ermöglicht gemeinsame Entscheidungsfindung

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Die Sectio ist die weltweit häufigste Operation bei Frauen – und die Rate nimmt global stetig zu. In Deutschland liegt sie laut dem Statistischen Bundesamt bei etwa 30 Prozent. Bei der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. (AWMF) wurde nun die erste S3-Leitlinie zu diesem Thema veröffentlicht, die unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG) entstanden ist.

Ziel dieser wissenschaftlichen Handlungsempfehlung ist die Zusammenfassung des aktuellen Wissens über die Sectio. Schwerpunkte der Leitlinie sind Definition und Klassifikation, Aufklärung, Indikation, Zeitpunkt und Durchführung sowie erneute Schwangerschaft und Geburt nach einer Sectio, um in einem gemeinsamen Entscheidungsfindungsprozess das ideale Vorgehen im individuellen Fall festlegen zu können.

„Die evidenzbasierte Leitlinie zum Kaiserschnitt gibt allen Beteiligten die Möglichkeit, auf der Basis des aktuellen Wissens die beste Entscheidung zu fällen. Das betrifft auch die Beratung, den sichersten Zeitpunkt zur Geburt, die optimale Durchführung, den frühestmöglichen direkten Hautkontakt von Mutter und Kind. Und die Leitlinie setzt sich mit den häufigsten Gründen für einen geplanten Kaiserschnitt und möglichen Alternativen auseinander“, so Prof. Frank Louwen, Koordinator der Leitlinie.

Kurz- und Langzeitmorbiditäten von Mutter und Kind noch nicht vollständig erforscht

War die Sectio anfangs noch mit einer hohen Mortalität und Morbidität assoziiert, wird sie heutzutage als ein sicheres Verfahren angesehen, wenngleich über Kurz- und Langzeitmorbiditäten von Mutter und Kind bislang nur wenig bekannt ist. Dies führt bisweilen zu Unsicherheiten bezüglich des optimalen Geburtsmodus und der Einschätzung von Risiken, die mit einer vaginalen Geburt oder einer Sectio verbunden sind. Alle Professionen, die in die Betreuung von Schwangeren involviert sind, kennen diese Unklarheiten und profitieren von einem einheitlichen und (soweit möglich) evidenzbasierten Vorgehen, um Schwangere und ihre Angehörigen sowohl individuell als auch auf Basis eines breiten Expertenwisssens beraten und betreuen zu können.

Die Vorgabe einer spezifischen „Sectiorate“ ist nicht Bestandteil dieser Leitlinie. Dies nicht zuletzt deshalb, weil derzeit aufgrund fehlender Daten zur mütterlichen und kindlichen Morbidität keine zuverlässige Aussage über eine optimale Rate getroffen werden kann. Die von der WHO im Jahr 1985 formulierte Grenze von 10 bis 15 Prozent wurde in einem WHO-Statement im Jahr 2015 aus eben diesem Grund relativiert. Als gesichert darf aber die Erkenntnis gelten, dass eine Sectiorate über 15 Prozent keinen günstigen Einfluss auf die mütterliche und neonatale Morbidität und Mortalität hat und deshalb gut medizinisch begründet sein sollte.

Diese Leitlinie wurde vom Bundesministerium für Gesundheit und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG) im Rahmen des Leitlinienprogramms gefördert (Förderkennzeichen ZMV I 1-2515FSB509) und wurde in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) sowie der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) erstellt. Insgesamt haben AutorInnen aus 23 Fachgesellschaften, Verbänden und Schwangerenvertretungen ihr Wissen in der Leitlinie gebündelt.

Die Kurz- und Langversion der Leitlinie finden Sie auf der Seite der AWMF:
https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-084.html