Erster Patient eingeschlossen: Multizentrische Studie CATCOVID zur Behandlung schwerer COVID-19-Verläufe

Foto: © Valerii/stock.adobe.com

Die vom Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) initiierte klinische Phase-II-Studie CATCOVID hat mit dem Erhalt des positiven Ethikvotums sowie der Genehmigung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die letzten regulatorischen Hürden genommen und konnte kurz vor Weihnachten am Universitätsklinikum Leipzig den ersten Patienten einschließen.

Im Vorfeld hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des BIH herausgefunden, dass bei schweren COVID-19-Verläufen das Immunsystem mit einer überschießenden Immunantwort reagiert. Dabei hatten sie ein interessantes Zielmolekül auf Immunzellen entdeckt. Gegen dieses Zielmolekül hatten Forschende der Bayer AG in anderem Zusammenhang bereits vor einigen Jahren eine Substanz entwickelt und in klinischen Studien bis zur Phase II für andere Indikationen getestet. Ziel der CATCOVID-Studie ist, die Überlebens- und Heilungschancen von Intensiv-Patient*innen mit einem schweren COVID-19 Krankheitsverlauf mithilfe des Wirkstoffs zu erhöhen.

Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert Entwicklung

Impfungen und umfangreiche Teststrategien sind die wichtigsten Werkzeuge, um die COVID-19-Pandemie zu bewältigen. Darüber hinaus werden wirksame und sichere Arzneimittel benötigt, um die Erkrankten zu behandeln. Vor diesem Hintergrund fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Medikamentenforschung gegen COVID-19 und damit auch die Kooperation zwischen dem BIH in der Charité – Universitätsmedizin Berlin, dem Unternehmen Bayer AG, den Universitätskliniken Leipzig und Würzburg sowie dem Konsortialpartner BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin. Für die klinische Erprobung des Wirkstoffs bei COVID-19 im Rahmen der CATCOVID-Studie wurde eine Fördersumme von rund 3,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Immunsystem spielt Schlüsselrolle

Prof. Roland Eils, Gründungsdirektor des Zentrums für Digitale Gesundheit am BIH und Irina Lehmann, BIH Professorin für Epigenetik und Lungenforschung, hatten gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus der Charité – Universitätsmedizin Berlin und aus dem Universitätsklinikum Leipzig herausgefunden, dass das Immunsystem eine entscheidende Rolle bei schweren Krankheitsverläufen von COVID-19 spielt: „Wir haben anhand von Einzelzellanalysen entdeckt, dass die vom Virus befallenen Epithelzellen das Immunsystem zu Hilfe rufen. Doch die daraufhin einwandernden Immunzellen schießen gelegentlich über das Ziel hinaus und richten mit ihrer übersteigerten Reaktion teilweise größeren Schaden an als das Virus selbst. Uns war deshalb klar, dass eine Therapie immer auch das Immunsystem mit berücksichtigen muss“, sagt Eils.

Beim Einwandern der Immunzellen in die Atemwege sind Chemokine als Botenstoffe des Immunsystems beteiligt. Epithelzellen und aktivierte Immunzellen schütten diese aus und locken damit weitere Immunzellen an. Die Immunzellen besitzen Chemokin-Rezeptoren auf ihrer Zelloberfläche, mit denen sie die Hilferufe „empfangen“ können. „In unseren Studien mit Einzelzell-Analysen haben wir gesehen, dass vor allem einer dieser Rezeptoren, der Chemokin-Rezeptor 1 (CCR1) mit einer überschießenden Immunantwort und schweren COVID-19-Verläufen verbunden war“, berichtet Lehmann. „Wir hatten deshalb die Idee, diesen Rezeptor zu blockieren, um die überschießende Immunantwort zu dämpfen.“

Bayer AG liefert den Wirkstoff

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Eils und Lehmann gingen deshalb auf die Suche nach bereits bekannten Blockern dieses Rezeptors – und wurden bei Bayer fündig. „Wir hatten eine Substanz entwickelt, die bei chronischen Entzündungen helfen sollte, etwa Autoimmunerkrankungen“, berichtet Philip Larsen, Global Head of Research and Early Development von Bayer. „Auch dort spielt der Rezeptor CCR1 eine Rolle. Bei COVID-19, bei der eine akute, überschießende Immunreaktion gebremst werden soll, könnte sich die Substanz als hilfreich erweisen. Genau das wollen wir jetzt mit den Kolleginnen und Kollegen vom BIH testen.“

Starkes Netz aus Partnern

Das Projektmanagement der Studie ist verortet am BIH und wird unterstützt durch den HiGHmed e.V. in Heidelberg. Neben der Charité – Universitätsmedizin Berlin sind die Universitätskliniken Leipzig und Würzburg sowie das BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin als Prüfzentren beteiligt. Aufgrund der bereits vorliegenden Studiendaten aus der Phase I zur Sicherheit und Verträglichkeit, können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler direkt mit der Phase II beginnen, in der die Wirksamkeit des Wirkstoffs geprüft wird. Das bietet einen enormen zeitlichen Vorsprung: „Bayer hatte bereits Anfang des Jahres mit der Herstellung der Substanzformulierung begonnen, sodass wir jetzt schon nach wenigen Monaten in der Lage waren, die ersten Patientinnen und Patienten in die Studie einzuschließen“, sagt Eils.

Das Universitätsklinikum Leipzig konnte bereits erfolgreich den ersten Patienten einschließen. Studienleiter Prof. Jens Laudi sagt: „Die aktuelle vierte Welle der Pandemie zeigt uns, dass trotz der Möglichkeit der Impfung auch Medikamente notwendig sind, die den Krankheitsverlauf direkt beeinflussen können. Sollte der CCR-1 Inhibitor wirksam sein, könnte seine Gabe schwere Verlaufsformen von COVID-19 verhindern und somit die Häufigkeit der intensivmedizinischen Behandlung von Patienten mit COVID-19 deutlich verringern. Dies würde der Erkrankung sowohl aus Sicht des einzelnen Patienten, aber auch aus Sicht des Gesundheitswesen als Ganzem einen guten Teil seiner Bedrohlichkeit nehmen.“ Währenddessen laufen an den drei weiteren Prüfzentren die letzten Vorbereitungen für die Initiierung der Studie. Ziel ist, durch einen zeitnahen Rekrutierungsstart an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, am BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin sowie am Universitätsklinikum Würzburg die für die Studienauswertung erforderliche Probandenzahl von 208 Patientinnen und Patienten in der laufenden Pandemiewelle zu erreichen.