Ersthelfer-App: Mehr Menschen nach Herzstillstand retten

Studienkoordinator Jan-Steffen Pooth im Gespräch mit einer Notärztin. (Foto: ©Manuel Gerlach/Deutsche Herzstiftung)

Eine von der Herzstiftung geförderte Studie untersucht ein App-basiertes Ersthelfersystem: Führt es zu mehr Überlebenden eines außerklinischen Herzstillstandes?

Im Schnitt vergehen neun Minuten vom Absetzen eines Notrufs wegen eines Herz-Kreislauf-Stillstandes, bis der Patient durch den alarmierten Rettungsdienst mit Notarzt wiederbelebt wird. Nur etwa die Hälfte der Zeugen eines plötzlichen Kreislaufstillstandes startet selbst mit Wiederbelebungsmaßnahmen – meist weil sie sich die lebensrettende Herzdruckmassage nicht zutrauen. Unterstützen könnte hier womöglich Smartphone-basierte Ersthelfersysteme. Sie sollen das reanimationsfreie Zeitintervall verkürzen und dadurch Leben retten. Das ist auch eines der Ziele eines patientennahen Forschungsprojekts, das die Deutsche Herzstiftung mit 47.500 Euro fördert.

Das Projekt mit dem Namen „HEROES-Studie: Einfluss eines Smartphone-basierten Ersthelfersystems auf die Mortalität nach außerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand/Out-of-Hospital Cardiac Arrest & SmartphonE RespOndErS“ wird von Dr. Jan-Steffen Pooth, Assistenzarzt und Notfallmediziner am Zentrum für Notfall- und Rettungsmedizin des Universitäts-Notfallzentrums (UNZ) des Uniklinikums Freiburg koordiniert (Leitung: Prof. Michael Patrick Müller, St. Josefskrankenhaus Freiburg).

Überlebensrate verbessern und Rettungskette optimieren

Notfallmediziner Pooth untersucht in seinem Vorhaben die Effekte des in Freiburg bereits etablierten Smartphone-basierten Ersthelfersystems „Region der Lebensretter“. Gegenstand der Untersuchungen in einer prospektiven multizentrischen Beobachtungsstudie sind rund 3600 außerklinische Herz-Kreislauf-Stillstände bei Erwachsenen, die durch den Rettungsdienst/Notarzt behandelt werden. Die Studie startet in elf Landkreisen in Deutschland, unter anderem in Trier, Dresden, Amberg, Göttingen, Stuttgart und im Main-Taunus-Kreis. Die untersuchten Fälle umfassen Reanimationen acht Monate vor und acht Monate nach Etablierung des Systems „Region der Lebensretter“.

„Im Vorher-Nachher-Vergleich können wir feststellen, inwieweit die Einführung des Smartphone-basierten Ersthelfersystems die Überlebensrate der reanimierten Patienten verbessert und deren neurologisch intaktes Überleben steigert, indem Folgeschäden im Gehirn vermieden werden“, erklärt Pooth. „Erfahrungsgemäß treffen die per App alarmierten Ersthelfer nach drei bis vier Minuten ein und können noch vor dem Rettungsdienst die lebensrettenden Maßnahmen einleiten.“ Wenn innerhalb von weniger als fünf Minuten mit der Herzdruckmassage begonnen wird und idealerweise auch vor Eintreffen des Rettungsdienstes eine Defibrillation erfolgt, könne die Überlebensrate „verdoppelt bis vervierfacht werden“, so Pooth.

Im Rahmen der Förderung durch die Deutsche Herzstiftung wird der Prozess der Datenerfassung, des Datenmanagements und der Auswertung am Zentrum für Notfall- und Rettungsmedizin am Universitätsklinikum Freiburg finanziert.

Projekt mit Modellcharakter

Die Smartphone-basierte Alarmierungs-App von „Region der Lebensretter“ ist an die Rettungsleitstelle und ein Netzwerk aus öffentlich zugänglichen Defibrillatoren (AED) angeschlossen. Wenn bei der integrierten Leitstelle (ILS) ein Notruf eingeht und ein Herz-Kreislauf-Stillstand gemeldet oder vermutet wird, kann das System parallel zum Rettungsdienst aktiviert werden.

Medizinisch geschulte ehrenamtliche Ersthelfer in unmittelbarer Nähe des Notfallorts werden auf ihrem Smartphone über die App alarmiert. Ein Alarmierungsalgorithmus fragt hierfür die Verfügbarkeit von vier registrierten Freiwilligen ab, die ihnen zugeteilte Aufgaben übernehmen:

  • zwei Helfer leitet die App zum Notfallpatienten für die Reanimation,
  • einen Helfer leitet die App zum nächstgelegenen öffentlichen AED und
  • der vierte Helfer weist am Notfallort den Rettungsdienst ein und/oder betreut die Angehörigen
Zeitlicher Ablauf der Rettungskette des Smartphone-basierten Ersthelfersystems (Abbildung: ©Deutsche Herzstiftung)

Die internationalen Leitlinien für die Reanimation empfehlen seit 2021 die Etablierung von „smarten“ Technologien, um bei Notrufen mit vermutetem Herz-Kreislauf-Stillstand Ersthelfer zu aktivieren, die sich in unmittelbarer Umgebung des Notfallortes befinden. „Region der Lebensretter“ ist eine solche Technologie. Das System wurde 2018 in Freiburg etabliert.

Ziel: Steigerung der Überlebensrate um 50 Prozent

Bislang wird die Überlebensrate (Überleben bis Krankenhausentlassung) von Patienten mit Herz-Kreislauf-Stillsand außerhalb der Klinik mit zehn bis elf Prozent beziffert. Pooth und sein Freiburger Team vertreten die Hypothese, dass sich die Überlebensrate auf 14 bis 15 Prozent steigern lässt. „Das sind tausende Menschenleben jedes Jahr. Das funktioniert aber nur, indem wir mittels Smartphone in Minutenschnelle in Wiederbelebung geschulte Ersthelfer an den Notfallort lotsen“, erklärt der Assistenzarzt und Wissenschaftler. Wie dringlich dieses System ist, lässt sich an den Zahlen ablesen: 2021 erfolgte in Deutschland bei nur knapp 46 Prozent der außerklinischen Herz-Kreislauf-Stillstände eine Reanimation durch Ersthelfer vor Eintreffen des Rettungsdienstes.