Erstmals einzigartige Pulmonalklappenprothese aus körpereigenem Gewebe implantiert30. Juni 2025 Der erste Patient (2. v. r.), der am DHZC die neuartige Pulmonalklappe aus körpereigenem Gewebe erhalten hat, ist mittlerweile wieder arbeitsfähig. Hier zeigt er sich mit dem Team des DHZC (v. l.): Kinderarzt Boris Schmitt, Oberarzt Peter Kramer und Klinikdirektor Felix Berger (Foto: ©DHZC/Gutbrod). Herzklappen aus tierischem Gewebe sind nur begrenzt haltbar und wachsen nicht mit. Bei Kindern mit defekter Klappe müssen sie daher regelmäßig ersetzt werden. Eine mitwachsende Herzklappe aus körpereigenem Gewebe könnte dies umgehen. Zwei Patienten an der Charité wurde eine solche kürzlich verpflanzt. Erkrankungen der Herzklappen gehören zu den häufigsten erworbenen und angeborenen Herzerkrankungen. Weltweit kommen jährlich etwa 160.000 Kinder mit einem Defekt der Pulmonalklappe zur Welt. In Deutschland sind es rund 800 Neugeborene pro Jahr. Für den Ersatz dieser Klappe standen bisher Prothesen zur Verfügung, deren Segel aus tierischem Gewebe von Rindern oder Schweinen hergestellt werden. Diese Klappen sind allerdings nur begrenzt haltbar und müssen nach einigen Jahren ersetzt werden. Bei Kindern kommt ein entscheidender Nachteil hinzu: Die Ersatzklappen wachsen nicht mit und müssen etwa alle fünf bis zehn Jahre durch ein größeres Modell ersetzt werden. Jeder dieser Eingriffe am offenen Herzen bedeutet für die jungen Patienten eine erhebliche Belastung und längere Krankenhausaufenthalte. PD Dr. Boris Schmitt, Kinderarzt am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC), forscht mit seinem Team bereits seit 2010 an einer Lösung dieser Probleme: Herzklappen, die aus körpereigenem Gewebe hergestellt und dadurch vom Immunsystem akzeptiert werden und sich bestenfalls dem Körperwachstum anpassen. Innovative Methode vereint Langlebigkeit mit schonender Behandlung Dabei wird körpereigenes Gewebe aus dem Herzbeutel der Patientin bzw. des Patienten entnommen, daraus die Segel der neuen Herzklappe geformt und in einem Stent befestigt. Dieser wird dann komprimiert, über einen dünnen Katheter unter Röntgenkontrolle an die exakt richtige Position im Herzen gebracht und dort entfaltet. Der gesamte Eingriff dauert laut DHZC nur wenige Stunden und erfolgt ohne Operation am offenen Herzen. „Der entscheidende Vorteil unserer Innovation liegt in der Verwendung körpereigenen Gewebes“, erklärt PD Dr. Boris Schmitt, Kinderarzt am DHZC, der seit 2010 an dieser Methode forscht: „Diese Klappen werden vom Immunsystem nicht als fremd erkannt. Sie werden zunächst vom Blutstrom mit Nährstoffen versorgt und im Laufe der Zeit bilden sich sogar Zellschichten aus. Die Segel der Herzklappe bleiben dadurch gleichsam lebendig, können sich regenerieren und an die Bedürfnisse des Körpers anpassen. Wir hoffen daher, dass diese Klappen deutlich länger halten können als die bisher zur Verfügung stehenden Modelle, im Idealfall ein Leben lang.“ Wegweisende Perspektive für Kinder mit Herzfehlern Als besonders vielversprechend erachten die Forscher die Anwendung der Technologie bei Kindern mit angeborenen Fehlbildungen der Herzklappe. Dafür wird ein spezieller Stent entwickelt, der sich nach einiger Zeit im Körper auflöst. Zurück bleiben soll dann nur noch die Herzklappe aus körpereigenem Gewebe, die durch das Drahtgerüst in ihrer Größe nicht mehr begrenzt wird. „So wollen wir die bestmögliche Voraussetzung für das von uns erhoffte Wachstum der Klappe bei Kindern und Jugendlichen schaffen“, erläutert Schmitt. Prof. Felix Berger, Direktor der Klinik für Angeborene Herzfehler – Kinderkardiologie am DHZC, unter dessen Leitung das Projekt entwickelt wurde, betont: „Bei etwa 160.000 Kindern weltweit, die jährlich mit einem Lungenklappendefekt zur Welt kommen, könnte diese Technologie einen Paradigmenwechsel in der Behandlung vieler dieser Kinder bedeuten. Wir hoffen, dass wir mit dieser Methode die Anzahl notwendiger offener Herzoperationen signifikant senken können.“ Nach jahrelangen Vorstudien und aufwändigen Genehmigungsverfahren hat das Verfahren nun die Erlaubnis zum Einsatz am Menschen erhalten. Die aktuelle Studie (GECT-DZHK28) am Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) untersucht zunächst die Unbedenklichkeit der Methode bei sieben jungen Erwachsenen mit einem angeborenen Lungenklappendefekt. Bei erfolgreicher Machbarkeit und Sicherheit ist eine größere Folgestudie geplant, an der neben Erwachsenen dann auch Kinder teilnehmen sollen. Erster Patient bereits wieder arbeitsfähig Mittlerweile konnten bereits zwei Patienten erfolgreich behandelt werden, wie das DHZC in einer Mitteilung verkündet. Der erste Patient wurde Anfang 1990 mit einer Klappenstenose geboren und erhielt 2001 eine Ross-Operation, bei der unter anderem seine Pulmonalklappe durch eine Klappe aus tierischem Gewebe ersetzt wurde. 24 Jahre später muss diese erneut ersetzt werden. Als idealer Kandidat für das neuartige Verfahren wurde er von Schmitt und seinem Team über die innovative Behandlungsmöglichkeit informiert – und stimmte dem experimentellen Verfahren zu. Bereits fünf Tage nach dem Eingriff sei er aus der Klinik entlassen worden und nach vier Wochen habe er seine Arbeit wieder aufgenommen, teilt das DHZC mit. „Ich fühle mich hervorragend“, berichtet der 34-Jährige. Vom Forschungsprojekt zum Start-up Die Technologie wurde in das Berliner Start-up GrOwnValve überführt, das 2019 von Schmitt und Jasper Emeis gegründet wurde. Das Unternehmen erhielt vom EIC Accelerator-Programm der Europäischen Union einen Zuschuss von 2,5 Millionen Euro sowie eine Investitionszusage über 5,3 Millionen Euro. Diese Mittel fließen laut DHZC hauptsächlich in klinische Studien, um die Sicherheit und Wirksamkeit des Verfahrens nachzuweisen. Zudem hat die Stiftung Deutsches Herzzentrum Berlin das Projekt seit Jahren durch Bereitstellung von Räumlichkeiten und Infrastruktur unterstützt. „Es besteht die Hoffnung, diese Technologie auch in weniger entwickelten oder ärmeren Ländern verfügbar zu machen“, sagt Schmitt. „Da das Verfahren ohne teure künstliche Prothesen auskommt und körpereigenes Gewebe verwendet, könnte es wesentlich kostengünstiger sein und damit tausenden Kindern weltweit zugutekommen, die sonst keinen Zugang zu einer adäquaten Behandlung hätten.“ Das Verfahren ist derzeit nur für den Ersatz der Pulmonalklappe zugelassen. Künftig soll die Technologie nach ausführlichen Tests jedoch auch für andere Herzklappen wie die Aortenklappe eingesetzt werden können, die höheren Belastungen standhalten müssen.
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