Erstmals wissenschaftlich fundierte Empfehlungen fürs Dehnen9. Juli 2025 Bild: LIGHTFIELD-STUDIOS – stock.adobe.com Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Prof. Jan Wilke von der Universität Bayreuth hat erstmals konkrete Empfehlungen zum Thema Dehnen für die Praxis verfasst. Der Univerität zufolge helfe dies dabei, die seit Jahren bestehenden Kontroversen zum Stretching beizulegen und mit entsprechenden Mythen aufzuräumen. Das Thema „Dehnen“ wird seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Vor oder nach dem Sport? Wie lang? Statisch oder federnd? Und kann Dehnen wirklich einem Muskelkater vorbeugen, Schmerzen reduzieren und das Verletzungsrisiko minimieren? Obwohl es solide wissenschaftliche Erkenntnisse zur effektivsten Anwendung und den Wirkungen von Stretching gibt, basiert die Anwendung in der Praxis meist eher auf Glauben und Hörensagen, so die Universität Bayreuth. Die Empfehlungen des internationalen Teams unter Bayreuther Führung helfen dabei, mit weit verbreiteten Mythen aufzuräumen und Sporttreibenden, Trainern sowie Therapeuten eine klare Orientierung zu liefern, wann Dehnen sinnvoll ist, so die Universität weiter. Von der Beweglichkeitssteigerung über die Verletzungsprävention bis zur Schmerzbehandlung Die Einsatzfelder von Stretching sind kaum limitiert und reichen von der Beweglichkeitssteigerung über die Verletzungsprävention bis zur Schmerzbehandlung. Allerdings erzielt Dehnen nicht in allen Fällen die Effekte, die ihm zugeschrieben werden. So kann es etwa Fehlhaltungen wie einen Rundrücken nicht beseitigen und hat auch in der Verletzungsprävention vermutlich nur geringen Wert. Oft gibt es zudem wissenschaftlich belegte Alternativen, die genauso gut oder besser als das Dehnen funktionieren. Beispielsweise führt auch Krafttraining zu einer Steigerung der Beweglichkeit, wenn es über den vollen Bewegungsspielraum ausgeführt wird, führen die Forschenden aus. „Was fehlt, sind klare Empfehlungen für die Praxis. Denn auch, wenn Dehnen nicht immer hält, was es verspricht, ist es eine leicht anwendbare, immer verfügbare und kostenlose Form des Trainings“, sagt Wilke vom Lehrstuhl Neuromotorik und Bewegung der Universität Bayreuth. Konsensempfehlungen in zwölf Anwendungsfeldern Zwanzig der weltweit renommiertesten Experten aus der Dehn-Forschung haben sich unter Leitung Wilkes zusammengetan, um auf Basis der aktuellen wissenschaftlichen Evidenz Empfehlungen herauszugeben, die die Praxis des Dehnens vereinfachen sollen: Wann ist Dehnen sinnvoll, wann nicht? Wie lange soll man dehnen und mit welcher Technik? Hierfür hat das internationale Konsortium zunächst als Grundlage die aktuelle Studienlage recherchiert. Danach folgte ein DELPHI-Verfahren, bei dem Formulierungen und Empfehlungen unter den Fachleuten in mehreren Runden anonym diskutiert wurden, bis ein deutlicher Konsens entstand. Trotz der Komplexität des Themas gelang eine Einigung in allen zwölf untersuchten Anwendungsfeldern. Das Forschungsteam empfiehlt etwa:• zur kurzfristigen Steigerung der Beweglichkeit mindestens zwei Serien mit 5 bis 30 Sekunden Dauer – Dehntechnik egal• zur Senkung der Muskelsteifigkeit mindestens vier Minuten statischen Dehnens – für die langfristige Anwendung fünfmal pro Woche• zur positiven Beeinflussung des Herz-Kreislaufsystems und der Gefäße sogar mindestens 7 Minuten (akute) oder 15 Minuten (langfristig) statischen Dehnens. Weniger eindeutig ist die Literaturlage in anderen Bereichen. Konkrete Empfehlungen zu Technik und Dauer des Stretchings geben die Forschenden in der Publikation jedoch auch in Bezug auf Dehnen zur Unterstützung von Muskelwachstum und Kraftsteigerung. Nicht empfohlen wird Dehnen hingegen zur Verletzungsprävention, zur Beschleunigung der Regeneration oder zur Haltungsverbesserung. „Vom Zankapfel zum wertvollen Trainingsmittel“ „Laut Studien dauert es durchschnittlich 17 Jahre, bis Forschungsergebnisse in der Praxis etabliert und bekannt sind. Die Arbeit unseres Teams ist deshalb besonders wichtig für den Transfer von Wissenschaft in die Anwendung. Die Kombination aus einer Analyse wissenschaftlicher Evidenz sowie persönlicher Meinung und praktischer Erfahrung der Forschenden hilft hoffentlich dabei, dass Dehnen vom Zankapfel zu einem wertvollen, aber gezielt eingesetzten Trainingsmittel wird“, sagt Wilke.
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