Erythropoietin verbessert Kognition – Studie zeigt therapeutisches Potenzial

Reifer, myelinbildender Oligodendrozyt aus dem Cingulate Cortex einer 5 Monate alten, männlichen Maus umhüllt die langen Fortsätze von Nervenzellen mit einer schützenden Myelinschicht (rote und gelbe Markierungen). (Quelle: © KA Nave)

Der Wachstumsfaktor Erythropoietin, bekannt aus der Blutbildung, zeigt auch wichtige Effekte im Gehirn – insbesondere auf Oligodendrozyten. Diese Ergebnisse von Forschenden aus Göttingen und Mannheim deuten darauf hin, dass Erythropoietin auch eine Schlüsselrolle für Lern- und Denkprozesse spielt, und bieten neue Perspektiven für mögliche Therapien.

Einen bislang unbekannten Einflussfaktor auf Oligodendrozyten haben Forschende des Max-Planck-Instituts für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen und des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim entdeckt. Ein Team unter der Leitung von Prof. Hannelore Ehrenreich und Prof. Klaus-Armin Nave konnte anhand von Versuchen an Mäusen zeigen, dass Erythropoietin (EPO) die Entwicklung und Reifung der Oligodendrozyten fördert. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden nun in „Nature Communications“ veröffentlicht.

„Wir konnten nachweisen, dass EPO die Entwicklung von Oligodendrozyten anregt und somit die Bildung der schützenden Myelinschichten um Nervenzellen unterstützt. Interessanterweise wirkt EPO dabei nicht nur als Medikament von außen, sondern wird auch vom Körper selbst gebildet, etwa durch körperliche oder geistige Aktivität“, erläutert Ehrenreich, Arbeitsgruppenleiterin am ZI und Letztautorin der Studie. „Dies bestätigt unsere These, dass Bewegung und kognitive Aktivität über das EPO-System direkt die Struktur des Gehirns verbessern können“, ergänzt Nave, Direktor am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften.

EPO steuert Genregulation

Durch Einzelkern-RNA-Sequenzierung fanden die Wissenschaftler zahlreiche Gene, die durch EPO aktiviert oder unterdrückt werden – viele davon hängen mit Zellreifung, Signalübertragung und kognitiven Fähigkeiten zusammen. Zudem zeigten Mäuse, denen ein bestimmter EPO-Rezeptor in reifen Oligodendrozyten fehlte, leichte Störungen in der Myelinstruktur des Hippocampus. Diese Tiere schnitten auch schlechter in anspruchsvollen Gedächtnistests ab.

Potenzial für neue Therapieansätze

Den Forschenden zufolge deuten die Ergebnisse darauf hin, dass EPO nicht nur zur Blutbildung nützlich ist, sondern auch eine Schlüsselrolle für Lern- und Denkprozesse spielt. Da EPO bereits als Medikament zugelassen ist und im Körper natürlich gebildet werden kann, ergeben sich neue Therapie-Perspektiven. „EPO könnte künftig helfen, kognitive Störungen oder neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer zu behandeln – sei es als Medikament oder durch gezielte Aktivierung des körpereigenen EPO-Systems, zum Beispiel durch motor-kognitives Training“, erklärt Ehrenreich.