„Es braucht zwingend ein Umdenken“9. April 2025 Dirk Spelmeyer und Anke Richter-Scheer (Foto: KVWL) Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) hat in einem Positionspapier „Bausteine für ein starkes Fundament der ambulanten Versorgung“ vorgestellt. „Wir befinden uns im deutschen Gesundheitswesen an einem entscheidenden Wendepunkt. Die aktuelle Ausgestaltung unseres Systems ist künftig weder personell noch finanziell zu stemmen. Mit unserem Positionspapier zeigen wir der Politik konstruktive Lösungswege auf”, erläuterte Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der KVWL auf eine Online-Pressekonferenz . Einige Vorschläge hätten bereits Einzug in die laufenden Koalitionsverhandlungen gefunden. Allerdings brauche man mit dem Start der neuen Bundesregierung einen echten Politik- und Stilwechsel, forderte er. Beim Thema Patientensteuerung verfolge die KVWL laut Spelmeyer neue Ansätze. „Derzeit leisten wir uns als eines von ganz wenigen Ländern weltweit eine Struktur, in der maßgeblich diejenigen entscheiden, welche Ressourcen zur Behandlung eingesetzt werden, die im Hinblick auf diese Entscheidung am wenigsten Expertise mitbringen: die Patienten. Und das meine ich ganz ohne Vorwurf – es ist schlicht nicht ihre Aufgabe, sie sind ja keine Mediziner”, sagt Spelmeyer. Die Folge seien Über-, Unter- und Fehlversorgung. „Hier braucht es zwingend ein Umdenken!“ Patientensteuerung mit verpflichtendem Erstkontakt über die Hotline 116117 Beginnend bei der ambulanten Notfallversorgung spricht sich die KVWL für eine verpflichtende Erstkontaktaufnahme über die Patientenservice-Hotline 116117 aus. „In anderen Ländern – beispielsweise in Österreich – ist dieses Modell bereits über eine Art Gesundheitsleitstelle erfolgreich umgesetzt worden“, so Spelmeyer. Bezugspraxensystem mit Vergütungsanreizen Daraus abgeleitet fordert die KVWL für die ambulante Regelversorgung die Einführung eines verbindlichen Bezugspraxensystems, das für eine effektivere Patientensteuerung sorgen soll. Bei der Anzahl der Arzt-Patienten-Kontakte rangiert Deutschland laut KVWL mit knapp zehn Konsultationen im internationalen Vergleich in der Spitzengruppe (Stand 2022). Durch ein effizientes Bezugspraxensystem könnten Wartezeiten für Patienten deutlich verringert und durch eine strukturiertere Betreuung zudem die Behandlungsqualität gesteigert werden. Auch die Praxen würden hierdurch entlastet und könnten sich noch stärker auf ihre Patienten fokussieren. Aus Sicht der KVWL müssen für eine erfolgreiche Umsetzung entsprechende Vergütungsanreize für die Praxen geschaffen werden. Mit der Einführung eines Praxis-Patienten-Kontaktes als Voraussetzung für die Vergütung könnten viele medizinisch nicht notwendige Arzt-Patienten-Kontakte reduziert werden, ist die KVWL übezeugt. Modell Teampraxen stärken „Die Praxen sind voll! Daher müssen wir die ärztlichen Aufgaben noch stärker auf mehrere Schultern verteilen. Schon heute entlasten hochqualifizierte und akademisierte Praxis-Mitarbeitende – beispielsweise die Primary Care Managerin oder der Physician Assistant – die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen”, erklärte Anke Richter-Scheer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KVWL. Da dieses Personal adäquat bezahlt werden wolle, müsse sich dies bei der Honorierung niederschlagen. „Neben dem Praxis-Patienten-Kontakt fordern wir daher auch einen Zuschlag für Teampraxen“, so Richter-Scheer. Das Modell der Teampraxis wird seit Jahren von der KVWL vorangetrieben und unterstützt. Entlastung von Praxen durch Paxiszukunftsgesetz Laut Richter-Scheer ist die Digitalisierung entscheidend, um die Versorgungsqualität für Patienten zu verbessern und die Praxen zu entlasten. „Eine moderne Ausstattung der Praxen mit digitalen Tools und dazugehöriger Hardware erzeugt finanzielle und zeitliche Aufwände. Sie ist aber zugleich Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche digitale Transformation der Praxen und schlussendlich des gesamten Gesundheitswesens”, erläuterte sie. Die KVWL setze sich daher ausdrücklich für ein Praxiszukunftsgesetz ein, da es unter anderem die Einführung eines Investitionsförderprogramms durch den Bund vorsieht. „Dadurch könnten die Praxen entsprechende Förderanträge über die Landes-KVen stellen, um die Ausstattung und Betrieb einer digitalen Praxis sicherzustellen”, so die stellvertretende KVWL-Vorsitzende. Dieses Thema müsse auf die Agenda der kommenen Bundesregierung.
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