ESC2025: Neue Leitlinien zur Behandlung von Herzklappenerkrankungen veröffentlicht

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Die neueste Version der europäischen Leitlinien zur Behandlung von Herzklappenerkrankungen zielt darauf ab, Patienten zum richtigen Zeitpunkt Zugang zu den richtigen Behandlungen zu verschaffen – einschließlich neuerer, weniger invasiver Therapieoptionen.

Die aktualisierten europäischen Leitlinien zur Behandlung von Herzklappenerkrankungen (2025 ESC/EACTS Guidelines for the management of valvular heart disease) sind das Ergebnis einer zweijährigen, engen Zusammenarbeit von Experten aus der Herzchirurgie (European Association for Cardio-Thoracic Surgery, EACTS) und Kardiologie (European Society of Cardiology, ESC), basierend auf den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Co-Vorsitzende des Leitliniengremiums waren Prof. Fabien Praz, interventioneller Kardiologe am Universitätsspital Bern (Schweiz), und Prof. Michael Borger, Direktor der Herzchirurgie an der Universität Leipzig.

Die Leitlinien zielen darauf ab, die Diagnose und Behandlung von Patienten mit Herzklappenerkrankungen zu verbessern. Sie reagieren damit auf neue, fundierte Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass einige neuere und weniger invasive Behandlungsmethoden Patienten häufiger und einheitlicher angeboten werden könnten.

Die Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) begrüßt ausdrücklich die konsentierte Erstellung der neuen Leitlinie. Herzchirurg und DGTHG-Mitglied Borger betont: „Die aktualisierten Leitlinien sind von globaler Bedeutung für alle, die auf dem Gebiet der Herzklappenerkrankungen tätig sind. Wir empfehlen den Herzteams in Europa und weltweit, sie zur Unterstützung ihrer klinischen Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.“

Wesentliche Neuerungen auf einen Blick

Die DGTHG fasst die wichtigsten Empfehlungen wie folgt zusammen:

  • Die Koronare Computertomographie-Angiographie (CCTA) ist nun eine IB-Empfehlung, um eine Koronare Herzkrankheit bei Patienten mit geringem oder mittlerem Risiko auszuschließen.
  • Bei Patienten mit trikuspidaler Aortenklappenstenose wird für die Durchführung einer Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) die Altersgrenze von 75 auf 70 Jahre angepasst.
  • Bei asymptomatischen Patienten mit Aortenklappenstenose wird ein invasiver Aortenklappeneingriff (herzchirurgisch oder mittels katheterbasiertem Verfahren) als Alternative zur engen Überwachung empfohlen (IIa).
  • Bei Patienten mit primärer Mitralinsuffizienz bleiben herzchirurgische Verfahren die bevorzugte Wahl – mit einer neuen Empfehlung (Ib) für asymptomatische Patienten.
  • Die minimalinvasive Mitralklappenchirurgie erhält eine neue Empfehlung (IIb).
  • Bei Patienten mit sekundärer Vorhof-Mitralklappeninsuffizienz besteht die IIa-Empfehlung für einen herzchirurgischen Mitralklappeneingriff und eine IIb-Empfehlung für ein kathetergestütztes Therapieverfahren.
  • Die Leitlinie enthält zudem zahlreiche neue oder überarbeitete Empfehlungen zum Antikoagulationsmanagement nach herzchirurgischen oder katheterbasierten Herzklappeneingriffen.

Europaweite Vereinheitlichung der klinischen Praxis

Borger erläutert die Bedeutung der aktualisierten Leitlinien: „Wir beobachten in Europa unterschiedliche klinische Praktiken bei der Behandlung von Patienten mit Herzklappenerkrankungen – von Bereichen, in denen die klinische Praxis den Empfehlungen der Leitlinien weit voraus ist, bis hin zu Orten, an denen Patienten nicht die grundlegenden Behandlungen erhalten, von denen sie profitieren würden. Das bedeutet, dass ein Patient in Deutschland möglicherweise eine andere Behandlung erhält als jemand mit den gleichen medizinischen Bedürfnissen, der beispielsweise in Großbritannien lebt.“

Glücklicherweise habe sich das medizinische Wissen, einschließlich der Erkenntnisse aus randomisierten kontrollierten Studien, rasch erweitert, so Borger weiter. „Dies hat uns äußerst wertvolle Einblicke in die optimale Behandlung von Patienten mit unterschiedlichen Bedürfnissen verschafft und unserem multidisziplinären Expertenteam geholfen, relativ leicht einen Konsens zu vielen der in den Leitlinien behandelten Themen zu erzielen“, ergänzt er.

Unterversorgung reduzieren

„Wir wissen, dass viele Patienten mit Herzklappenerkrankungen nicht die richtige Behandlung erhalten, wenn sie diese benötigen. Ein wichtiges Ziel dieser neuen Leitlinien ist es, die Unterversorgung, insbesondere bei älteren Menschen, zu reduzieren, da dies zu einer unnötigen Inanspruchnahme von Gesundheitsressourcen und einer verkürzten Lebenserwartung beiträgt“, erklärt der Schweizer Kardiologe Praz.

„Wir möchten, dass Patienten zum richtigen Zeitpunkt die für sie beste Behandlung erhalten und gleichzeitig sicherstellen, dass Patienten mit komplexen Bedürfnissen in multidisziplinären Teams in erfahrenen Zentren mit dem erforderlichen Fachwissen behandelt werden. Unser Fokus in diesen Leitlinien liegt auf den Patienten und ihren Bedürfnissen, einschließlich einer gerechteren Behandlung unabhängig vom Wohnort des Patienten“, verdeutlicht Praz.

Weitere Empfehlungen

Die neuen ESC/EACTS-Leitlinien enthalten außerdem:

  • Erweiterte Empfehlungen zu geschlechtsspezifischen Überlegungen bei der Behandlung von Patienten
  • Die Betonung, dass die Beurteilung der Ursache(n) und des Mechanismus aller Herzklappenerkrankungen für eine angemessene Behandlung von zentraler Bedeutung ist
  • Eine Übersicht über die richtigen Diagnoseschritte und die Behandlung von Patienten mit multiplen und kombinierten Herzklappenerkrankungen
  • Eine Anerkennung der zunehmend wichtigen Rolle, die fortschrittliche Bildgebungstechniken wie 3D-Echokardiographie, kardiale Computertomographie und kardiale Magnetresonanztomographie bei der Untersuchung und Beurteilung von Patienten mit Herzklappenerkrankungen spielen.

(ah/BIERMANN)