ESC2025: Retikulierte Thrombozyten als Verursacher von Herzinfarkten trotz Plättchenhemmung

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Eine besonders aktive Untergruppe von Blutplättchen kann bei Menschen mit Koronarer Herzkrankheit (KHK) trotz medikamentöser Therapie Herzinfarkte verursachen. Die jüngste Entschlüsselung der involvierten Signalwege kann Wege für maßgeschneiderte Therapien eröffnen.

Trotz moderner Medikamente erleiden viele Menschen mit KHK weiterhin Herzinfarkte. Ein Forschungsteam der Universität Augsburg hat nun gemeinsam mit Kollegen aus München und Mailand (Italien) eine mögliche Erklärung dafür gefunden – und einen vielversprechenden Therapieansatz mitgeliefert.

Junge versus alte Thrombozyten

Im Fokus stehen retikulierte Blutplättchen, das sind besonders junge, RNA-reiche und reaktive Thrombozyten. „Wir haben herausgefunden, dass sie eine zentrale Rolle beim Entstehen von Blutgerinnseln bei Patienten mit einer KHK spielen“, erklärt Prof. Dario Bongiovanni, Professor an der Medizinischen Fakultät und Leiter des Studienzentrums der I. Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Augsburg.

„In unserer Arbeit konnten wir erstmals die biologischen Mechanismen dieser Zellen umfassend charakterisieren. Damit erklären wir, warum diese Blutplättchen bei vielen Patienten auch unter optimaler Therapie noch überaktiv bleiben“, so Bongiovanni weiter. Der Grund liegt darin, dass diese jungen, unreifen Thrombozyten über besonders viele aktivierende Signalwege verfügen, die sie empfindlicher und reaktionsfreudiger machen als reife Thrombozyten.

Laboruntersuchungen mit isolierten Zellpopulationen

Die Ergebnisse stammen aus einer multidimensionalen Analyse des Blutes von 95 Patienten mit KHK. Die Forscher isolierten retikulierte und reife Thrombozyten anhand ihres RNA-Gehaltes und ihrer CD41-Expression und verglichen die beiden Zellpopulationen für jeden Spender.

Neben einem Transkriptom-Profiling (RNA-Seq) und hochdimensionaler Proteomik (Massenzytometrie) analysierten sie auch die Reaktivität der beiden Thrombozyten-Untergruppen und nahmen Funktionsstudien vor, darunter die auf Durchflusszytometrie basierende Thrombozyten-Thrombozyten-Bindung, die Thrombosebildung in vitro und die Thrombozytenausbreitung.

Dabei bewerteten sie auch den Einfluss der PI3K- und GPVI-Signalwege, über die sich die Aktivität der Thrombozyten gezielt bremsen lässt. Über eine Hemmung dieser Signalwege ließ sich die Überaktivität der retikulierten Thrombozyten in Laborexperimenten reduzieren.

Ziel: Personalisierte Thrombozytenhemmung

„Unsere Ergebnisse könnten den Weg ebnen für eine personalisierte Thrombozytenhemmung, also maßgeschneiderte Therapien, die auf die individuellen Eigenschaften der Blutplättchen einer Patientin oder eines Patienten abgestimmt sind“, betont Bongiovanni.

Die Forschungsergebnisse erschienen im „European Heart Journal“ und wurden am 31. August auf dem europäischen Kardiologenkongress (ESC2025) in Madrid (Spanien) vorgestellt.

(ah/BIERMANN)