ESC2025: Was die Herzinsuffizienz-Therapie bei weit fortgeschrittener Krebserkrankung bringt

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Die EMPATICC*-Studie zeigt, dass eine personalisierte Herzinsuffizienztherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem Krebs in der Palliativversorgung das Potenzial hat, bestimmte kardiovaskuläre Marker und die Lebensqualität zu verbessern – auch wenn ein signifikanter Vorteil beim primären funktionellen Endpunkt nicht nachgewiesen werden konnte.

Diese Ergebnisse, die auf dem europäischen Kardiologenkongress in Madrid (Spanien) erstmals vorgestellt wurden, geben wichtige Impulse dafür, wie Therapieentscheidungen am Lebensende gestaltet werden können.

Zugleich unterstreichen sie die Herausforderungen und Grenzen interventioneller Studien in dieser vulnerablen Patientengruppe. Das Forschungsteam unter der Federführung von Prof. Tienush Rassaf wurde von der Brost Stiftung aus Essen gefördert.

Herzinsuffizienzsymptome in der Palliativmedizin bisher wenig beachtet

Patienten, die an fortgeschrittenen (soliden) Krebserkrankungen leiden und eine begrenzte Lebenserwartung haben, zeigen häufig Symptome, die an eine Herzinsuffizienz erinnern: Atemnot, Wassereinlagerungen, Schwäche und reduzierte Selbstständigkeit prägen den Alltag.

Herzmuskelschwund und Funktionsverlust des Herzens sind dabei bislang weitgehend unerforschte – aber offenbar zentrale – Komponenten dieser schweren Krankheitsphase. Bislang existierten weder evidenzbasierte Empfehlungen noch randomisiert kontrollierte Studien zum gezielten Einsatz moderner Herzinsuffizienzmedikamente (wie Sacubitril/Valsartan, Empagliflozin, Ivabradin und intravenöser Eisenpräparate) in dieser besonderen Patientengruppe.

Studienaufbau: Mut zum Unbekannten

Die von dem Universitätsklinikum Essen, der Charité Berlin und weiteren deutschen Zentren durchgeführte EMPATICC-Studie ist in mehrfacher Hinsicht einzigartig: Insgesamt 93 Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung, spezialisierter palliativer Betreuung und deutlichen Hinweisen auf eine kardiale Beteiligung wurden im Rahmen einer doppelblinden, Placebo-kontrollierten und individuell angepassten Therapie für 30 Tage randomisiert behandelt. Ziel war es herauszufinden, ob mit modernen Herzinsuffizienz-Medikamenten die Selbstständigkeit und Lebensqualität verbessert werden kann.

Der primäre Endpunkt war ein hierarchisch aufgebauter kombinierter Endpunkt aus:

  1. Tage, an denen die Patienten sich selbstständig waschen konnten
  2. Gehfähigkeit von mehr als vier Metern
  3. die subjektive Einschätzung des Wohlbefindens.

Kein Unterschied im primären Endpunkt – aber entscheidende Signale

Nach 30 Tagen zeigte sich im Gesamtkollektiv kein signifikanter Unterschied im primären Endpunkt zwischen Interventions- und Placebogruppe (Win Ratio 0,95; 95%-KI 0,57–1,58; p=0,83). Zu diesem Zeitpunkt waren 32 Prozent der Patienten bereits verstorben – ein Ausdruck der hohen Mortalität und Fragilität dieser Population.

Bemerkenswert war jedoch: Bei den Patienten, die den kritischen Zeitraum von 30 Tagen überlebten, waren in der Interventionsgruppe deutliche Verbesserungen der kardialen Biomarker (NT-proBNP um 41% gesenkt; p=0,040), der linksventrikulären Ejektionsfraktion (Zunahme um 2,9 Prozentpunkte; p=0,040) und der subjektiven Lebensqualität erkennbar.

Die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten ihre Lebensqualität als besser wahrnahmen, war in der Behandlungsgruppe an Tag 30 bei den Überlebenden deutlich erhöht (Odds Ratio 0,22; p=0,016). Wichtig ist auch, dass aus Sicherheitsperspektive die neue Therapie unauffällig blieb: Die Gesamtsterblichkeit unterschied sich nicht zwischen beiden Gruppen.

Paradigmenwechsel für die Palliativmedizin?

Die Autoren beschreiben die EMPATICC-Studie als Beweis, dass komplexe, multimedikamentöse und verblindete Studien im palliativmedizinischen Setting nicht nur machbar sind, sondern auch von Patienten und Angehörigen akzeptiert werden. Zwar sei das Therapieziel – eine signifikante Steigerung der funktionellen Selbstständigkeit für alle – im Gesamtkollektiv verfehlt worden.

Doch die Ergebnisse bei jenen Patienten, die die Initialphase von 30 Tagen überlebten, zeigten erstmals, dass eine gezielte Herzinsuffizienztherapie das Potenzial besitzt, Lebensqualität und kardiale Funktion in der Palliativmedizin für schwer erkrankte Patienten mit Krebs zu verbessern. Besonders für Patienten mit einer prognostizierten Lebenserwartung ab etwa zwei bis drei Monaten und nach sorgfältiger individueller Auswahl könnte sich das Behandlungskonzept in Zukunft als neuer Standard etablieren.

Gleichzeitig machen die hohen Sterberaten und die Schwierigkeiten bei der Prognoseabschätzung die Notwendigkeit besserer Risikostratifizierungsmodelle und adaptierter Studienpläne deutlich. Zu schwer erkrankte Patienten – bei denen die neue Therapie keine ausreichende Zeit mehr hat zu wirken – scheinen von der Therapie nicht zu profitieren, und die Selektion geeigneter Kandidaten bleibt eine Herausforderung für zukünftige Forschung.

Rassaf hebt hervor: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass palliative Onkologie und Kardiologie gemeinsam innovative Wege gehen können, um Patient:innen auch in dieser oft verzweifelten Lebensphase Lebensqualität zu schenken.“ Er betont die Vorreiterrolle der Studie – und erwartet, dass die Ergebnisse internationale Diskussionen und Folgestudien anstoßen werden.

Die Ergebnisse wurden zeitgleich zur Vorstellung auf dem Kongress im „European Heart Journal“ veröffentlicht.

*EMPower the heArt of patients with TermInal Cancer using Cardiac medicines