ESCMID Global 2024: Tuberkulose kann Lungengesundheit auch nach erfolgreicher Therapie langfristig beeinträchtigen

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Autoren einer neuen Studie ermittelt bei ehemals von Tuberkulose (TB) Betroffenen kleinere Lungen, engere Atemwege und verlangsamten Atemfluss.

Neue Forschungsergebnisse, die gerade auf dem Kongress der European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ESCMID; zuvor ECCMID-Kongress, jetzt ESCMID Global) vorgestellt wurden, liefern überzeugende Evidenz dafür, dass Tuberkulose einen dauerhaften Einfluss auf die Lungengesundheit haben kann – selbst bei Betroffenen, die erfolgreich gegen die Infektionskrankheit behandelt worden sind. So ermittelten die Autoren der Forschungsarbeit, dass Tuberkuloseüberlebende kleiner Lungen mit engeren Atemwegen sowie einen verlangsamten Atemfluss aufweisen. In die Analyse waren Daten von Zehntausenden Patienten weltweit eingeflossen.

„Diese Schädigung könnte auf lange Sicht einen tiefgreifenden Effekt auf die Gesundheit haben, die Lebensqualität beeinträchtigen sowie die Fähigkeit der Betroffenen, zu arbeiten und alltägliche Aufgaben zu erfüllen“, erklärte der Hauptverantwortliche für die Studie, Dr. Sharenja Ratnakumar von der medizinischen Fakultät St. George´s an der University of London (Großbritannien). „Und: Bei der wachsenden Zahl von Menschen, die erfolgreich gegen Tuberkulose behandelt werden, deuten die Forschungsergebnisse darauf hin, dass diese Post-TB-Lungenerkrankung ein bisher zu wenig erkanntes Problem weltweit darstellt.“

Einer Mitteilung der ESCMID anlässlich der Vorstellung der Studiendaten auf ihrem diesjährigen Kongress (ESCMID Global; zuvor ECCMID) zufolge leben derzeit 155 Millionen ehemalige Tuberkulosepatienten weltweit derzeit noch, dank einer frühzeitigen Diagnose und Behandlung. Doch trotz erheblicher Fortschritte, die in den vergangenen Jahrzehnten bei der Bekämpfung der bakteriellen Infektion gemacht wurden, ist die Zahl der neu diagnostizierten Fälle seit der COVID-19-Pandemie gestiegen. Bei rund 7,5 Millionen Menschen weltweit wurde im Jahr 2022 eine Tuberkulose festgestellt – die höchste Anzahl seit Beginn des Monitorings im Jahr 1995 und mehr als der Ausgangswert von 7,1 Millionen Menschen im Jahr 2019. Das geht aus dem Global Tuberculosis Report der Weltgesundheitsorganisation WHO für das Jahr 2023 hervor.

Am höchsten ist die Last in Subsahara-Afrika und Südostasien, doch selbst in Ländern mit geringerer Inzidenz steigt die Zahl der diagnostizierten Fälle – wie beispielsweise in Großbritannien: In England gab es laut vorläufigen Daten der UK Health Security Agency im Jahr 2023 4850 neue Fälle. Diese Zahl liegt über denen vor der COVID-19-Pandemie und entspricht im Vergleich zu 2022 (4380 Neudiagnosen) einem Anstieg um mehr als zehn Prozent.

Ältere Untersuchungen hatten bereits gezeigt, dass zwischen 18 und mehr als 80 Prozent der Tuberkuloseüberlebenden nach der Erkrankung Lungenschäden aufweisen, die Lebensqualität und Lebenserwartung mindern. An Daten zum Ausmaß und der Art der respiratorischen Beeinträchtigung mangelte es jedoch bisher. Ratnakumar und Kollegen führten daher eine systematische Literaturdurchsicht und Metaanalyse der verfügbaren Literatur durch (Datenbanken Medline, Embase und CINAHL, Suchzeitraum 01.01.2000-31.01.2021). Dabei berücksichtigten die Forschenden Arbeiten, in denen die Lungenfunktion von Patienten mit Tuberkulose in der Vorgeschichte mit der von Personen verglichen wurde, die nie an Tuberkulose erkrankt waren. Die Metaanalyse umfasste Daten zu 75.631 Personen aus 15 Studien, die in insgesamt 17 Ländern mit unterschiedlicher Tuberkuloseinzidenz und unterschiedlichen Einkommensniveaus durchgeführt worden waren.

Die in die Metaanalyse eingeschlossenen 7377 Tuberkuloseüberlebenden waren im Mittel elf bis 65 Jahre alt. In vielen Studien waren die Untersuchten jüngeren Alters (<50 Jahre) und stammten aus Ländern mit einem Pro-Kopf-Einkommen im niedrigen bis mittleren Bereich.

Die Wissenschaftler bewerteten vier Maße der Lungenfunktion: die Einsekundenkapazität (FEV1), die forcierte Vitalkapazität (FVC), das Verhältnis von FEV1 zu FVC sowie die FVD in Prozent vom Soll. Man stellte fest, dass bei Personen, die einmal an Tuberkulose gelitten hatten, im Vergleich zu solchen ohne TB in der Anamnese alle vier genannten Maße der Lungenfunktion geringer ausfielen. Dabei erwies sich die FEV1 als stärker beeinträchtigt als die FVC. „Die FEV1 lag im Vergleich zu den gesunden Kontrollen 230 ml niedriger, die FVC lag um 140 ml unter der der gesunden Kontrollen“, berichtete Ratnakumar. „Eine Abnahme der FEV1 um 100 ml wird als klinisch signifikant angesehen und steht mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre und respiratorische Erkrankung in Zusammenhang.“ Die Ergebnisse insgesamt deuten darauf hin, dass TB-Überlebende kleiner Lungen aufweisen (restriktive Erkrankung) sowie engere Atemwege mit verlangsamtem Atemfluss (obstruktive Erkrankung). Das heißt im Klartext: Ein Atemzug hat ein geringeres Volumen und dauert länger, die Atmung ist weniger effizient und weniger dazu in der Lage, auf einen erhöhten ventilatorischen Bedarf – wie etwa bei Sport oder Anstrengung allgemein – adäquat zu reagieren.

Die Analyse der Daten aus fünf der Studien zeigte, dass die Obstruktionswahrscheinlichkeit unter den TB-Überlebenden um 65 Prozent höher lag als bei den gesunden Kontrollpersonen.

Die Ergebnisse deuten insgesamt darauf hin, dass eine Tuberkulose dauerhafte und weitreichende Auswirkungen auf die Lunge haben kann, insbesondere im Hinblick auf die Struktur der Atemwege. Diese wertvollen Erkenntnisse können als Leitfaden für Rehabilitationsstrategien dienen und längerfristig bei der Entwicklung neuer Therapien helfen, glauben die Wissenschaftler.

Ratnakumar erklärte: „Unsere Ergebnisse deuten stark darauf hin, dass Lungenerkrankungen nach Tuberkulose eine unterschätzte globale Herausforderung sind – und eine, die erhebliche Auswirkungen auf die klinische Praxis und Politik hat. Bisher lag der Schwerpunkt auf der Behandlung akuter Tuberkulose, aber selbst wenn die Behandlung erfolgreich ist, kann es bei den Betroffenen zu erheblichen Lungenschäden kommen. Dies kann zu Atemnot führen, die ihre Arbeits- und Alltagsfähigkeit beeinträchtigen und ihre Lebensqualität beeinträchtigen kann. Dieses Erbe der Tuberkulose wurde zu lange übersehen und es ist wichtig, dass es anerkannt wird. Da zwischen 2000 und 2020 schätzungsweise 74 Millionen Leben durch Tuberkulosebehandlung gerettet wurden und die Lebenserwartung steigt, besteht ein dringender Bedarf an evidenzbasierten Empfehlungen zur Diagnose, Behandlung und Behandlung von Lungenerkrankungen nach Tuberkulose. Unsere Studie liefert auch überzeugende Beweise dafür, dass die Langzeitversorgung von Personen mit Lungenerkrankungen nach Tuberkulose ein expliziter Bestandteil der End-TB-Strategie der WHO sein sollte.“