ESMO 2019: Flüssigbiopsie hat prognostische Rolle bei Darmkrebs und Potenzial zur Therapiesteuerung

Abbildung 1: Krankheitsfreies Überleben nach ctDNA-Status. Quelle: ESMO

Die Flüssigbiopsie wird voraussichtlich bei der Identifizierung von Patienten mit Darmkrebs (CRC), die nach einer Operation wahrscheinlich einen Rückfall erleiden, zunehmend eine Rolle spielen. Sie bietet laut den auf dem ESMO-Kongress 2019 vorgestellten neuen Forschungsergebnissen Potenzial für eine Optimierung der Behandlung einzelner Patienten (1, 2).

Von 805 Patienten in der Phase-III-Studie IDEA-FRANCE, die vor der adjuvanten Chemotherapie wegen eines CRC im Stadium III eine Flüssigbiopsie erhielten, wiesen 109 (13,5%) zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) in ihrem Blut auf. (1) In dieser Gruppe betrug das zweijährige krankheitsfreie Überleben (DFS) 64%, verglichen mit 82% bei jenen, die ctDNA-negativ waren.

Prof. Julien Taieb. Quelle: ESMO

„In dieser großen prospektiven Studie haben wir bestätigt, dass ctDNA ein unabhängiger Prognosefaktor bei Darmkrebs ist und dass ungefähr sechs von zehn Patienten, die ctDNA-positiv sind, zwei Jahre nach der adjuvanten Standard-Chemotherapie krankheitsfrei bleiben, verglichen mit acht von zehn derjenigen, die ctDNA-negativ sind“, sagte der Studienautor Prof. Julien Taieb vom Hôpital European Georges Pompidou, Paris.

IDEA-FRANCE zeigte auch, dass eine sechsmonatige adjuvante Behandlung sowohl bei ctDNA-positiven als auch bei ctDNA-negativen Patienten einer dreimonatigen überlegen war und dass ctDNA-positive Patienten, die sechs Monate lang behandelt wurden, eine ähnliche Prognose hatten wie ctDNA-negative Patienten, die drei Monate lang behandelt wurden (Abbildung 1). Eine adjuvante Therapie war in 90% der Fälle FOLFOX (Folinsäure, Fluoruracil und Oxaliplatin).

„Die ctDNA-Tests sagten nicht voraus, welche Patienten drei oder sechs Monate einer adjuvanten Chemotherapie unterzogen werden sollten, und es gibt anhaltende Debatten über die optimale Art und Dauer der Behandlung für Patienten, die ctDNA-positiv sind. Aber wir wissen jetzt, dass die ctDNA ein wichtiger Prognosefaktor ist. Dies wird sehr nützlich sein, um Patienten zu stratifizieren und künftige Studien zu Darmkrebs voranzutreiben“, sagte Taieb. “In allen Subgruppen hatten ctDNA-positive Patienten, die nur drei Monate adjuvanter Therapie erhalten hatten, die schlechteste Prognose”, fügte er hinzu.

Dreißig bis 50% der Patienten mit lokalisiertem CRC erleiden trotz optimaler primärer Therapie ein Rezidiv. Eine zweite Studie, die auf dem ESMO-Kongress 2019 veröffentlicht wurde, untersuchte, ob ctDNA verwendet werden kann, um minimale Resterkrankung zu erkennen und diejenigen zu identifizieren, bei denen ein Rezidivrisiko besteht. (2) Die Ergebnisse zeigten, dass die postoperative Plasma-ctDNA ein Rezidiv mit Metastasen im median 10 Monate, bevor der Rückfall auf radiologischen Scans sichtbar war, vorhersagte (Hazard Ratio 11,33; p=0,0001). Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass Plasma-ctDNA-Tests eine Möglichkeit für die Präzisionsbehandlung von Patienten mit lokalisiertem CRC eröffnen.

Zu den Ergebnissen der CRC-Präsentationen sagte Prof. Alberto Bardelli von der Universität Turin: „Wenn Patienten wegen Darmkrebs im Frühstadium operiert werden, bleiben Zweifel bestehen, ob die Krankheit vollständig beseitigt wurde und folglich erhalten die Patienten häufig eine adjuvante Chemotherapie. Die IDEA-FRANCE-Ergebnisse haben jedoch gezeigt, dass wir jetzt eine Blutuntersuchung durchführen können, um festzustellen, ob der Patient tumorfrei (clear) ist oder nicht.”

„Die Studie ist auch eine der ersten, die zeigt, dass es in Zukunft möglich sein könnte, mithilfe einer Flüssigbiopsie die Therapie zu steuern und festzustellen, welche Patienten nach ihrer Operation auf eine Chemotherapie verzichten können und welche sich einer unterziehen sollten. Wenn weitere Studien die Ergebnisse von IDEA-FRANCE bestätigen, werden sie meiner Meinung nach die klinische Praxis verändern, sodass die neuen Daten sehr aufregend sind “, fügte Bardelli hinzu.

Referenzen:

  1. LBA30_PR ‘Analysis of Circulating tumour DNA (ctDNA) from patients enrolled in the IDEA-FRANCE Phase III trial: prognostic and predictive value for adjuvant treatment duration’ was presented by Julien Taieb during the Proffered paper session on Saturday, 28 September 2019, 14:45-16:15 CEST in Barcelona Auditorium (Hall 2). Annals of Oncology, Volume 30, Supplement 5, October 2019
  2. Abstract 522O ‘Mutation tracking in circulating tumor DNA (ctDNA) detects minimal residual disease (MRD) in patients with localized colorectal cancer (CRC) and identifies those at high risk of recurrence regardless of stage, lack of CDX2 expression and CMS subtype’ was presented by Noelia Tarazona Llavero during the Proffered paper session on Saturday, 28 September 2019, 14:45-16:15 CEST in Barcelona Auditorium (Hall 2). Annals of Oncology, Volume 30, Supplement 5, October 2019