ESOC in Göteborg: Neue Strategien bei Schlaganfall

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Mitte Mai fand in Göteborg die größte internationale Fachtagung zum Thema Schlaganfall der European Stroke Organisation (ESO) statt.

Dieses Jahr wurden unter wesentlicher deutscher Beteiligung wichtige Studien präsentiert, die nach Einschätzung der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) Eingang in die klinische Praxis finden werden: Neben der WAKE-UP-Studie, die neue Behandlungsmöglichkeiten für Patienten eröffnet, die im Schlaf einen Schlaganfall erleiden, liefert auch die POINT-Studie wichtige Daten, welche Medikamente einen erneuten Schlaganfall nach einem leichten Schlaganfall oder einer kurzen Durchblutungsstörung des Gehirns (TIA) am sichersten verhindern. Die MEGASTROKE-Studie brachte bisher unbekannte genetische Risikofaktoren des Schlaganfalls ans Licht.

Kombinationstherapie als Prophylaxe nach einem leichten Schlaganfall

Amerikanische Wissenschaftler um Prof. Clay Johnston von der Universität Texas stellten in Göteborg die Ergebnisse der internationalen POINT-Studie vor. An dieser Studie nahmen auch Schlaganfall-Zentren in Deutschland teil. 4881 Patienten mit einem leichten Schlaganfall oder einer kurzen Durchblutungsstörung des Gehirns (TIA) mit rasch zurückgebildeten, aber schwerwiegenden Symptomen wurden für 90 Tage entweder mit einer Kombinationstherapie bestehend aus zwei Thrombozytenfunktionshemmern (Acetylsalicylsäure + Clopidogrel) oder mit einer Einfachtherapie (Acetylsalicylsäure) behandelt. Letztere stellt aktuell den Therapiestandard dar, mit dem alle Patienten nach einem Schlaganfall behandelt werden, insofern sie keine orale Antikoagulation benötigen.

Die POINT-Studie zeigte, dass die Kombinationstherapie signifikant weniger Schlaganfälle, Herzinfarkte oder vaskuläre Todesfälle nach 90 Tagen (121 von 2432 Patienten, 5 %) zur Folge hatte, verglichen mit der Einfachtherapie (160 von 2449 Patienten, 6,5 %). Interessanterweise traten die meisten Ereignisse innerhalb der ersten Woche nach dem initialen Schlaganfall/TIA auf.

Nicht unerwartet führte die Kombinationstherapie zu mehr als doppelt so vielen schweren Blutungen (23, 0,9 %), verglichen mit der Einfachtherapie (10, 0,4 %). Rechnerisch bedeutet dies, bei 1000 Schlaganfall-Patienten könnten 15 erneute Schlaganfälle mit der Kombinationstherapie verhindert werden, allerdings würden fünf schwere Blutungen neu auftreten.

„Die Ergebnisse von POINT kommen nicht unerwartet, bestätigen sie doch eine frühere asiatische Studie, die ganz ähnliche Ergebnisse gezeigt hatte“, erläuterte Prof. Wolf-Rüdiger Schäbitz, Pressesprecher der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG). „Ob die Ergebnisse eins zu eins in den klinischen Alltag übersetzt werden, kann noch nicht beantwortet werden“, kommentierte Prof. Hans-Christoph Diener aus Essen, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) und der Leiter der POINT-Studie in Deutschland. „Wahrscheinlich kann auch eine kürzere Dauer der Kombinationstherapie (für circa 30 Tage), mit sukzessive weniger Blutungskomplikationen, wirksam sein“, so Diener.

Unbekannte Risikofaktoren für Schlaganfall im Erbgut gefunden

Ebenfalls deutsche Forscher präsentierten auf der Konferenz eine weitere interessante Studie: MEGASTROKE ist die bislang größte Untersuchung ihrer Art zur genetischen Prädisposition für einen Schlaganfall. Ein internationales Forschungskonsortium um Prof. Martin Dichgans, 2. Vorsitzender der DSG, hatte in einer genomweiten Assoziations-Studie das Erbgut von mehr als 520.000 Individuen auf mögliche genetische Risikofaktoren untersucht.

Die Analyse zeigte insgesamt 32 Genorte, die mit einem Schlaganfall in Verbindung stehen – rund dreimal so viele wie bisher bekannt. Die Studie zeigte, dass viele der 32 Genorte in Teilen mit Erbgutabschnitten übereinstimmen, die mit anderen Erkrankungen assoziiert sind, wie zum Beispiel mit Bluthochdruck, der Hyperlipidämie, dem Vorhofflimmern oder der koronaren Herzkrankheit.

„Überraschend ist jedoch, dass sich für die Hälfte der 22 neu gefundenen Genorte keine Überlappung zu bisher bekannten Risikofaktoren finden lässt“, sagte Dichgans. Dies deutet auf neue, bislang unbekannte Ursachen hin, die einen Schlaganfall auslösen – und womöglich auf Zielpunkte neuer Therapien.

Interessanterweise zeigte die Studie auch gemeinsame genetische Risikofaktoren für die beiden Hauptformen des Schlaganfalls durch Überlappungen der Genorte, die zum Risiko für einen Schlaganfall infolge eines Gefäßverschlusses beitragen, und solchen, die mit dem Riss eines Blutgefäßes assoziiert sind. Dieses deutet auf gemeinsame Entstehungsmechanismen hin, unabhängig von bekannten Risikofaktoren, wie beispielsweise einem Bluthochdruck.

Literatur:
Thomalla G et al.: MRI-Guided Thrombolysis for Stroke with Unknown Time of Onset.
New England Journal of Medicine, 16. Mai 2018.
Johnston SC et al.: Clopidogrel and Aspirin in Acute Ischemic Stroke and High-Risk TIA.
New England Journal of Medicine, 16. Mai 2018.
Malik R et al.: Multi-ancestry genome-wide association study of 520,000 subjects identifies 32 loci associated with stroke and stroke subtypes. Nature Genetics 2018;50(4):524-537.