EU-Parlament will Kinder und Jugendliche im Internet besser schützen27. November 2025 Das Smartphone ist aus dem Leben vieler Kinder und Jugendlicher nicht mehr wegzudenken. (Foto: © bondarillia – stock.adobe.com) Das EU-Parlament hat in einer Resolution einen stärkeren Schutz Minderjähriger im Internet angemahnt. Unter anderem fordert es eine europaweite Altersgrenze von 16 Jahren für soziale Medien, Video-Plattformen und KI-Begleiter mit Risiken für Minderjährige – außer Eltern stimmen der Nutzung vorher zu. Für Kinder unter 13 Jahren soll der Zugang zu sozialen Medien generell untersagt werden. Die mit 483 zu 92 Stimmen, bei 86 Enthaltungen, angenommene Resolution enthält zudem viele weitere Forderungen, um das Online-Umfeld für Kinder sicherer zu gestalten. So schlägt das Parlament ein EU-weit geltendes Mindestalter von 16 Jahren für den Zugang zu sozialen Medien, Videoplattformen und KI-Begleitern vor. 13- bis 16-Jährigen soll der Zugang mit Zustimmung der Eltern möglich sein. Um das Alter der Nutzer zuverlässig prüfen zu können, plant die EU-Kommission, eine entsprechende App und die digitale Brieftasche für die europäische Identität (eID) zu entwickeln. Der Einsatz solcher Systeme würde die Plattformen dennoch nicht davon befreien, für sichere und altersgerechte Produkte zu sorgen, erklärte das EU-Parlament. Um Anreize für die bessere Einhaltung des EU-Gesetzes über digitale Dienste und anderer einschlägiger Vorschriften zu schaffen, schlagen die Abgeordneten vor, Führungskräfte bei schwerwiegenden und anhaltenden Verstößen persönlich haftbar zu machen, und zwar vor allem im Hinblick auf Jugendschutz und Altersüberprüfung. Zahlreiche Maßnahmen sollen Kinder schützen Das Parlament fordert ferner ein Verbot der schädlichsten suchtfördernden Praktiken und die standardmäßige Deaktivierung anderer suchterzeugender Merkmale für Minderjährige (z. B. Endlos-Scrollen, automatisches Abspielen, Aktualisieren durch Ziehen, Belohnungen für kontinuierliche Nutzung, schädliche Spielifizierung). ein Verbot von Seiten, die nicht den EU-Vorschriften entsprechen. Maßnahmen zur Bekämpfung von beeinflussenden Technologien wie gezielter Werbung, Influencer-Marketing, suchtförderndem Design und manipulativen Gestaltungstechniken („Dark Patterns“) im Rahmen des anstehenden Rechtsakts über digitale Fairness. ein Verbot von Empfehlungssystemen für Minderjährige, die auf Profiling und Nutzerverhalten beruhen. die Anwendung des Gesetzes über digitale Dienste (DSA) auf Online-Videoplattformen und ein Verbot von Lootboxen und anderen randomisierten Spielfunktionen wie In-App-Währungen, Glücksrädern oder Pay-to-Progress-Mechanismen (bei denen man für Fortschritte in dem jeweiligen Spiel bezahlt). Minderjährige vor kommerzieller Ausbeutung zu schützen, indem z. B. Plattformen untersagt wird, finanzielle Anreize für die Beeinflussung von Kindern durch Kinder (sogenannte Kidfluencer) zu bieten. dringende Maßnahmen zur Bewältigung der ethischen und rechtlichen Probleme, die sich aus generativen KI-Tools ergeben, einschließlich Deepfakes, Begleit-Chatbots, KI-Agenten und KI-gestützten Nacktheits-Apps (die nicht einvernehmlich manipulierte Bilder erstellen). Tech-Anbieter in der Pflicht Dr. Isabel Brandhorst, Leiterin der Forschungsgruppe Internetnutzungsstörungen am Universitätsklinikum Tübingen, findet die Resolution insgesamt „sehr gelungen“. Die Wissenschaftlerin verweist allerdings darauf, dass es für viele Forderungen der Resolution keine Evidenz gebe, beispielsweise zum Nutzen von Medienkompetenz oder für die Festlegung eines bestimmten Mindestalters für die Nutzung der verschiedenen Online-Angebote. Daher begrüße sie die Forderung, dass die Tech-Anbieter Daten teilen sollten. „Das wäre hilfreich und ein Meilenstein.“ Dr. Elisa Wegmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Allgemeine Psychologie: Kognition an der Universität Duisburg-Essen, hält die Formulierung eines grundsätzlichen Verbots bis zum Alter von 16 Jahren ebenfalls für schwierig. Ihrer Ansicht nach steht dies im Widerspruch zum Ziel der sicheren digitalen Umgebung. „Es sollte vielmehr die stärkere Zielsetzung sein, Minderjährige selbstbestimmt, aufgeklärt und geschützt an die Nutzung heranzuführen. Das könnte bedeuten, dass der Fokus eher auf der Realisierung von altersbeschränkten Funktionen, der Prüfung von einzelnen Wirkmechanismen und der Aufklärung über die Zielsetzung von sozialen Medien liegen sollte“, erklärt die Psychologin. Einführung eines Mindestalters schafft weitere Probleme Der Medienrechtler Dr. Stephan Dreyer, Senior Researcher am Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut (HBI), glaubt, dass mit dem Entschluss, ein Mindestalter für bestimmte Angebote einzuführen, Fragen der Umsetzbarkeit und der Verhältnismäßigkeit der konkreten rechtlichen Umsetzung erst richtig eminent werden. „Adäquate, niedrigschwellige und datensparsame Altersüberprüfungsverfahren, möglicherweise leichte Umgehungen durch die Nutzung von Fake-Identitäten oder VPN-Diensten und das Ausweichen auf alternative Angebote außerhalb eines umsetzbaren Verbots sind einige der Herausforderungen, die dabei zu lösen sind“, erläutert der Jurist. Ein Totalverbot sozialer Medien bis zu einem bestimmten Alter empfindet Dreyer als zu starken Einschnitt in die Informations- und Kommunikationsfreiheit von Kindern und Jugendlichen. „Denn bei sozialen Medien handelt es sich in der Regel um Plattformen mit Inhalten, die größtenteils keine Jugendschutzrelevanz haben oder den Informationsbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen sogar optimal entsprechen“, gibt der Medienexperte zu bedenken. Statt ein Mindestalter zu definieren, empfiehlt er die effektive Umsetzung der bestehenden europarechtlichen Pflicht zur Gestaltung altersangemessener Plattformangebote – etwa durch die nutzungs- und entwicklungsbezogene Gestaltung der Empfehlungssysteme, die Einschränkung von Interaktions- und Kommunikationsfunktionen sowie die zeitliche Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten. Auch Formen der einfacheren und besseren elterlichen Begleitung erscheinen dem Juristen die Grundrechte auf Informationsfreiheit und soziale Teilhabe weniger zu beschneiden. Mehr wissenschaftliche Evidenz für bessere politische Entscheidungen „Wenn es uns als Gesellschaft ein Anliegen ist, die Risiken deutlicher zu identifizieren, benötigen wir auch die entsprechenden Mittel, um evidenzbasierte und zielgerichtete Entscheidungen zu treffen. Es braucht transparente Plattformen, besseren Datenzugang für die Forschung und Schutzmaßnahmen, die in Zusammenarbeit mit den Betroffenen entwickelt werden“, fasst Prof. Kathrin Karsay, Assistenzprofessorin für Unterhaltungsforschung am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Universität Wien (Österreich) zusammen. Das Forschungsprojekt „Promise“, das von der Collaboration of Humanities and Social Sciences in Europe gefördert werde, erlaube erste Schritte in diese Richtung. Das Projekt bringe fünf europäische Forschungsteams zusammen, um Regularien sozialer Medien in Zusammenarbeit mit Jugendlichen zu entwickeln und zu testen. „Wir wollen herausfinden, welche Maßnahmen schädliche Auswirkungen wirksam verringern und das Wohlbefinden junger Menschen stärken. Unser Ziel ist es, Politik und Praxis mit belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen zu unterstützen.“ (ej/BIERMANN)
Mehr erfahren zu: "Immer mehr Jugendliche sind abstinent" Immer mehr Jugendliche sind abstinent Nikotin, Cannabis, Alkohol, Lachgas: Junge Leute verlieren daran das Interesse. Nur eine „Sucht“ wächst, wie eine Befragung in Frankfurter Schulen ergab.
Mehr erfahren zu: "Kinder mit restriktivem Essverhalten haben ein erhöhtes Risiko für Entwicklungsstörungen" Kinder mit restriktivem Essverhalten haben ein erhöhtes Risiko für Entwicklungsstörungen Etwa jedes sechste Kind zeigt eine persistierende vermeidende/restriktive Esstörung (ARFID). Das geht aus einer aktuellen Studie in „JAMA Pediatrics“ hervor. Damit geht ein deutlich erhöhtes Risiko für Entwicklungsstörungen einher.
Mehr erfahren zu: "Frühe Unterschiede im Gehirn könnten geschlechtsspezifische Risiken für Sucht erklären" Frühe Unterschiede im Gehirn könnten geschlechtsspezifische Risiken für Sucht erklären Die Wurzeln für eine Sucht zeigen sich bereits lange vor Beginn des Substanzkonsums in der Funktionsweise junger Gehirne. So haben Forschenden bei Kindern mit einer familiären Vorgeschichte von Substanzmissbrauch (SUD) […]