Europäischer Forschungsrat fördert Wissenschaftler in Göttingen

Links: Prof. Dr. Hauke Hillen, Arbeitsgruppenleiter an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), Forschungsgruppenleiter am MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften und Mitglied im Exzellenzcluster „Multiscale Bioimaging” (MBExC). Rechts: Dr. Marieke Oudelaar, Lise-Meitner-Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften in Göttingen. (beide Fotos: © Irene Böttcher-Gajewski/MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften)

Wie stellen Mitochondrien Proteine her und wie wird unser Genom organisiert und reguliert? Prof. Dr. Hauke Hillen und Dr. Marieke Oudelaar erhalten für ihre diesbezüglichen Forschungen jeweils für einen Zeitraum von fünf Jahren einen Europäischen Forschungsrats (ERC) Starting Grant in Höhe von 1,5 Millionen Euro.

Prof. Dr. Hauke Hillen, Leiter der Arbeitsgruppe „Struktur und Funktion molekularer Maschinen“ im Institut für Zellbiochemie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), unabhängiger Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut (MPI) für Multidisziplinäre Naturwissenschaften und Mitglied im Exzellenzcluster „Multiscale Bioimaging: Von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ (MBExC), wird mit den Fördermitteln untersuchen, wie Mitochondrien Proteine herstellen.

„Ein wichtiger Schritt bei der Proteinproduktion ist das Umschreiben der genetischen Information der mitochondrialen DNA in RNA, die den Bauplan für die Proteine enthält. Dieser Bauplan wird anschließend weiterverarbeitet, bevor darauf basierend die Proteine hergestellt werden können. Kommt es zu Fehlern bei der RNA-Verarbeitung, zum Beispiel aufgrund eines genetischen Defekts, kann dies zu schwerwiegenden Erkrankungen führen. „Wir wollen den gesamten Lebenszyklus der mitochondrialen RNA – von ihrer Entstehung bis hin zu ihrem Abbau – untersuchen“, erklärt Hillen.

„Wir setzen dabei vor allem die Kryo-Elektronenmikroskopie ein. Diese hochmoderne Methode erlaubt es uns, die „Nanomaschinen“, die in den Mitochondrien für die RNA-Verarbeitung zuständig sind, mit fast atomarer Auflösung sichtbar zu machen. Dazu werden tausende Schnappschüsse dieser Moleküle aus verschiedensten Blickrichtungen aufgenommen und am Ende zu einem Gesamtbild zusammengesetzt. Mithilfe der Methode können wir die Vorgänge in den Mitochondrien sehr detailliert verfolgen.“ Mit ihrer Arbeit wollen die Forschenden dazu beitragen, die molekularen Mechanismen der Energiegewinnung in den menschlichen Zellen aufzuklären und so neue Therapieansätze für Erkrankungen schaffen, die auf einer Fehlfunktion dieser Prozesse beruhen.

Bereits seit 2022 wurden die Arbeiten des Biochemikers vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur mit dem Förderprogramm „Stay Inspired: Europäische Exzellenz für Niedersachsen“ aus Mitteln des Programms „ZUKUNFT.NIEDERSACHSEN“ unterstützt. Ziel dieser Anschubfinanzierung war es, einen Starting Grant ERC einzuwerben. „Ich gratuliere Prof. Dr. Hauke Hillen und seinem Team herzlich zum ERC Starting Grant. Sie haben sich in einem hochkompetitiven Wettbewerb herausragender europäischer Forscherinnen und Forscher durchgesetzt“, so Niedersachsens Minister für Wissenschaft und Kultur Falko Mohrs. „Mit der Unterstützung durch unser Programm ,Stay Inspired‘ konnten wir als Land einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass der herausragende Antrag erfolgreich entwickelt werden konnte. Die Anerkennung und Förderung durch den Europäische Forschungsrat unterstreicht die Innovationskraft unserer niedersächsischen Forschungslandschaft.“

Die Lise-Meitner-Forschungsgruppenleiterin Dr. Marieke Oudelaar erforscht mit ihrem Team am MPI für Multidisziplinäre Naturwissenschaften, wie Zellen zu Spezialisten werden, die als rote Blutkörperchen unseren Körper mit Sauerstoff versorgen oder als Immunzellen Erreger abwehren. Dazu untersucht die Molekularbiologin, wie Gene auf molekularer Ebene an- und abgeschaltet werden und wie dieser Prozess reguliert wird. Zwar enthalten alle Zellen eines Organismus die exakt gleiche Erbinformation, die in den Genen in unserer DNA verschlüsselt vorliegt. Aber verschiedene Zelltypen aktivieren nur diejenigen Gene, die sie für ihre jeweilige Funktion benötigen. Wie genau der Prozess der Genaktivierung abläuft, ist ein intensiv erforschtes Gebiet mit noch vielen offenen Fragen.

Die DNA einer einzigen menschlichen Zelle wäre auf ihre volle Länge ausgestreckt etwa zwei Meter lang. Um in den winzigen Zellkern zu passen, muss sie sich in dreidimensionalen Strukturen zusammenfalten. Das Team um Oudelaar erforscht, wie die Aktivität der Gene mit der räumlichen Organisation der DNA in den Zellen zusammenhängt. „Die 3D-Strukturen beeinflussen, ob die Gene in der DNA durch Signale aktiviert werden können“, erklärt die Forschungsgruppenleiterin. Mit ihrem Team untersucht sie darüber hinaus, wie genregulatorische Elemente an spezifischen Orten auf dem Genom miteinander wechselwirken, obwohl diese mitunter Hundertausende von Basenpaaren voneinander entfernt liegen.

Mit dem Fördergeld wird die Gruppe um Oudelaar in den nächsten fünf Jahren neue Ansätze verfolgen, um Proteine zu identifizieren, die an solche genregulatorischen Elemente gekoppelt sind. „Die Funktion dieser Proteine wollen wir dann in lebenden Zellen untersuchen, indem wir diese aus dem Zellkern entfernen und wie-der hinzufügen. So können wir lernen, wie diese Proteine die Spezialisierung von Zellen steuern“, so die Molekularbiologin. Diese Erkenntnisse sind nicht nur wichtig, um zu entschlüsseln, wie unser Genom organisiert und reguliert wird. Die Forschenden erhoffen sich auch, dass ihre Ergebnisse dazu beitragen, molekulare Grundlagen genetischer Krankheiten besser zu verstehen und eines Tages zu therapieren.