Experten raten zu frühzeitiger Behandlung der Fingerpolyarthrose

© RFBSIP-AdobeStock

Mehr als die Hälfte der Frauen über 50 Jahren leiden nach längerer (Nacht)ruhe unter steifen, gelegentlich schmerzenden Fingern. Diese ersten Anzeichen einer Fingerpolyarthose führen unbehandelt zu geschwollenen, unbeweglichen und deformierten Gelenken. Auch wenn es sich bei der Erkrankung in erster Linie um eine Abnutzungserscheinung handelt, müssen Betroffene nicht tatenlos zusehen, betonen Experten anlässlich des Rheuma-Kongresses Anfang September in Dresden. Zur Verfügung stünden je nach Schweregrad unterschiedliche Therapien – von Bewegungsübungen bis hin zur Operation.

Die Fingerpolyarthrose ist stark verbreitet: Frauen trifft sie neunmal häufiger als Männer, oft sind Betroffene familiär vorbelastet. Ursache für die Erkrankung ist die Abnutzung der Gelenke. Auch wenn die Fingerpolyarthrose zusammen mit einer entzündlichen Gelenkerkrankung auftreten kann, sollten diese beiden Erkrankungen wegen des unterschiedlichen Erscheinungsbildes und der andersartigen Therapie voneinander getrennt werden, betonten die Rheuma-Experten. Schmerzende Fingergelenke würden allzu oft als bloße Alterserscheinung hingenommen, obwohl bei rechtzeitiger Diagnose wirksame und schonende Anwendungen und Therapien den Krankheitsverlauf hinauszögern könnten. Erst im fortgeschrittenen Stadium kämen Medikamente oder operative Eingriffe zum Einsatz. „Gerade zu Beginn der Erkrankung haben die Patienten zwar schon knöcherne Deformierungen an den Händen, aber unter Umständen noch gar keine Schmerzen“, sagt Prof. Ralph Gaulke, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädische Rheumatologie (DGORh) und Leiter der Sektion obere Extremität, Fuß- und Rheumachirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Bereits in diesem frühen Stadium könnten Betroffene beginnen, mittels täglicher Bewegung der Finger die Beweglichkeit der Gelenke zu trainieren und so zu erhalten.

Kommen erste Schmerzen auf, ist es dem Experten zufolge entscheidend für die Behandlung, ob es sich um aktuell entzündungsbedingte Schmerzen – im „warmen“ Gelenk – handelt, oder ob sie rein verschleißbedingt sind; dann ist das Gelenk in der Regel „kalt“. Ist letzteres der Fall, wirken Wärmeanwendungen schmerzlösend auf ein geschädigtes Gelenk. Bei „warmen“ Gelenken können Eisbäder helfen. Auch individuell angefertigte Schienen können das Gelenk entlasten und dadurch Linderung verschaffen.

Werde die Fingerpolyarthrose jedoch von einer Entzündung begleitet, ist sie schwerer zu behandeln. Viele Betroffene griffen dann zu schmerzstillenden und entzündungshemmenden Medikamenten. „Das ist leider keine Dauerlösung, zumeist sind schwere Nebenwirkungen für Herz-Kreislauf-System und Magen-Darm-Trakt die Folge regelmäßiger Medikamenteneinnahme“, warnt Gaulke. Im ersten Schritt empfiehlt er auch hier, die Schmerzen über die Temperatur zu lindern.

Helfen Anwendungen nicht mehr weiter, ist die dauerhafte Verträglichkeit schmerzstillender Medikamente nicht gegeben oder schränkt die Fingerpolyarthrose Betroffene allzu sehr beim Bewegen der Hände ein, kann eine Operation in Betracht gezogen werden, so die DGORh-Experten. Durch das Greifen seien häufig die Gelenke von Daumen und Zeigefinger betroffen: Im Daumensattelgelenk reibt der Mittelhandknochen bei jeder Bewegung auf dem Vieleckbein, einem Handwurzelknochen. Dieser wird daher bei einer Operation entfernt. Die verbleibende Lücke führte in der Vergangenheit dazu, dass nach einiger Zeit erneut eine Instabilität beim Greifen im Daumen entstand. Daher seien einige Operateure dazu übergegangen, anstelle des Knochens einen Kunststoffplatzhalter einzusetzen. Dieser löse sich langsam auf und werde durch festes Narbengewebe ersetzt – mit sehr guten klinischen Ergebnissen.

Bei Mittel- und Endgelenken der Finger bringe hingegen eine Gelenkversteifung das beste Ergebnis. „Zu diesem Mittel sollten wir erst greifen, wenn die Schmerzen nicht mehr anderweitig behandelbar sind – die Folge einer Versteifung ist nämlich ein vollständiger Funktionsverlust im jeweiligen Gelenk“, ergänzt Dr. Roger Scholz, Tagungspräsident seitens der DGORh und Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie an der Collm Klinik Oschatz. Dabei sei die Funktion der Gelenke nicht zu unterschätzen: Daumen und Zeigefinger ermöglichen das Greifen als grundlegende Bewegung für ein selbstständiges Leben. Aber auch die restlichen Finger und Gelenke leisten ihren Teil, stabilisieren den Griff und tragen zur Entlastung des Daumengelenks bei. „Deswegen gilt: Bei ersten Schmerzen in den Fingergelenken sollten Betroffene einen Arzt aufsuchen, damit die Erkrankung frühzeitig optimal behandelt werden kann“, so Scholz.

Der Rheuma-Kongresses findet von 4. bis 7. September in Dresden statt.