„Eye-on-a-Chip“: Neues System enthüllt Auslöser für steroidinduziertes Glaukom

Die Immunfluoreszenzfärbung zeigt die Schichten des Trabekelwerks (rot) und der Zellen des Schlemm-Kanal-Endothels (gelb) in einer 3D-„Eye-on-a-Chip“-Plattform, die den Fluss der Augenflüssigkeiten nachahmt.Illustration.©Lee Lab an der Cornell University

Forscher der Cornell University, New York, USA, haben den Signalmechanismus identifiziert, der das steroidinduzierte Glaukom auslöst.

Das Auge verfügt über ein komplexes Leitungssystem. Bei einer Beeinträchtigung des Abflusses baut sich Druck auf und dieser Zustand – das Glaukom – kann zu einem irreversiblen Verlust der Sehkraft führen. Bestimmte gern benutzte entzündungshemmende Augenmedikamente, die Steroide enthalten, können das Problem in einigen Fällen noch verschlimmern.

Bislang war nicht bekannt, warum das so ist. Nun haben US-amerikanische Wissenschaftler eine 3D-„Eye-on-a-Chip”-Plattform entwickelt, die den Fluss der Augenflüssigkeiten nachahmt. Anhand dieser haben sie untersucht, wie das durch Steroide ausgelöste Glaukom entsteht. Ihre Ergebnisse haben die Forscher in der Fachzeitschrift „Nature Cardiovascular Research“ veröffentlicht.

„Das steroidinduzierte Glaukom ist eine große klinische Herausforderung. Es gibt keine gezielte Therapie. Wir sagen nur, dass Sie Pech haben”, erklärte der leitende Autor Esak (Isaac) Lee, Assistenzprofessor für Biomedizintechnik an der Cornell Engineering. „Es besteht ein klarer, ungedeckter Bedarf, diese wichtige Nebenwirkung von Steroiden in der Klinik besser zu verstehen und zu verhindern.”

Die Lösung für die Untersuchungen: Ein 3D-In-vitro-Modell

In der Regel werden Glaukome an Tiermodellen und einfachen 2D-Zellkulturen untersucht. Diese Ansätze können jedoch oft die anatomische Komplexität und Reaktionsfähigkeit des menschlichen Auges nicht erfassen.

Die Lösung aus Lees Labor bestand darin, 3D-In-vitro-Modelle zu entwickeln, die die Schichtstrukturen der Systeme reproduzieren und gleichzeitig biologische und biophysikalische Faktoren isolieren können.

Die Lymphgefäße im Auge, die Schlemm-Kanal-Zellen (SC), unterscheiden sich deutlich von denen in der Haut, der Lunge und anderen Organen, wie Lees Team erkannte. Sie sind von einem anderen Zelltyp umgeben: dem Trabekelwerk (TM). Nur wenn beide Zellschichten zusammenarbeiten, kann das Lymphsystem die überschüssige Kammerflüssigkeit zurück in den Blutkreislauf spülen.

Gestörte ALK5/VEGFC-Signalübertragung als Ursache identifiziert

Das Team baute ein 3D-In-vitro-Gerät, bekannt als mikrophysiologisches System (MPS), mit einer doppelten Schicht aus TM- und SC-Zellen. Deren Krümmung ahmte die Leitungsstruktur der Lymphgefäße im Auge nach. Die Forscher behandelten das „Auge auf einem Chip” mit dem entzündungshemmenden Steroid Dexamethason, das die Drainage erheblich beeinträchtigte.

Dadurch konnten die Forscher den Übeltäter identifizieren: Ein wichtiger Rezeptor in TM-Zellen, ALK5. Dieser reagierte auf das Steroid mit einer Herunterregulierung eines Proteins, des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors C (VEGFC), der normalerweise die Endothelverbindungen in SC-Zellen lockert und so den Durchfluss durch die Endothelwand ermöglicht. Diese Funktion wurde jedoch durch die ALK5/VEGFC-Signalübertragung gestört.

„Diese Kommunikation verursacht die Anomalie der Schlemm-Kanal-Verbindung”, erörterte Lee. „Die Verbindungen werden unter dem Einfluss des Steroids stark verdickt oder verengt, und diese Veränderung der Verbindungen erhöht den Widerstand des Abflusses, was zu diesem Glaukom führt.“

Zwei Behandlungsoptionen für das steroidinduzierte Glaukom

Die Forscher konnten zudem die Rolle dieses Mechanismus in einem Mausmodell bestätigen. Diese Entdeckung eröffnet zwei Wege zur Behandlung des Glaukoms: die Blockierung der ALK5-Funktion oder die zusätzliche Zufuhr von VEGFC zum Auge zusammen mit der Steroidbehandlung.

„Wir wollen nun andere Ziele untersuchen. Es gibt einige Gene, von denen man weiß, dass sie für das Glaukom wichtig sind, nicht nur für das durch Steroide verursachte. Und wir könnten sie in diesen beiden Zelltypen ausschalten“, berichtete Lee. „Es ist kompliziert und schwierig, in herkömmlichen Tiermodellen einen bestimmten Zelltyp anzusprechen, aber in diesem System könnten wir jede genetische Veränderung dieser beiden Zelltypen separat vornehmen und sie dann in dem Gerät kombinieren, um ein besseres Verständnis dieser verschiedenen Mechanismen und verschiedenen Arten von Glaukom zu erhalten.“

Die Forscher nutzten die Cornell NanoScale Science and Technology Facility und wurden vom National Institutes of Health und der BrightFocus Foundation unterstützt.

(sas/BIERMANN)