Eye2Gene: Künstliche Intelligenz verbessert Diagnose genetischer Augenkrankheiten

Dr. Behnam Javanmardi, Prof. Frank Holz und Prof. Peter Krawitz (v. l.) waren maßgeblich an der internationalen Eye2Gene-Studie beteiligt. Bildcollage: Universitätsklinikum Bonn

Ein internationales Forschungsteam hat unter Federführung des University College London (UCL) ein Werkzeug der Künstlichen Intelligenz (KI) entwickelt: Eye2Gene. Dieses kann anhand von Routine-Augenscans die genetische Ursache erblicher Netzhauterkrankungen genau vorhersagen. Forschende des Universitätsklinikums Bonn und der Universität Bonn waren maßgeblich an den Ergebnissen der Studie beteiligt.

Erbliche Netzhauterkrankungen (IRDs) sind eine der Hauptursachen für die Erblindung von Kindern und jungen Erwachsenen, werden aber häufig unterdiagnostiziert oder fehldiagnostiziert. Trotz der Fortschritte bei den Gentests ist der Zugang zu Fachwissen für die Durchführung und Auswertung von Gentests bisher nicht weit verbreitet. „Die internationale Forschungsarbeit ist ein Meilenstein in der Anwendung von KI auf dem wenig erforschten Gebiet der genetischen Augenkrankheiten und ist ein möglicher erster Schritt zur Verbesserung der Diagnose-Odyssee für Betroffene in aller Welt“, betont das Universitätsklinikum Bonn (UKB).

KI stoppt Diagnose-Odyssee für Betroffene

Eye2Gene ist ein unter Federführung von UCL-Forschenden entwickelter Deep-Learning-Algorithmus zur Früherkennung von IRDs. Das, so das UKB, seien seltene, durch die Mutation in einem einzelnen Gen ausgelöste Netzhauterkrankungen, von denen einer von 3000 Menschen betroffen sei, wobei bisher mehr als 270 verschiedene IRD-assoziierte Gene häten identifiziert werden können. Das Institut für Genomische Statistik und Bioinformatik (IGSB) am UKB sei bereits seit 2020 an dem Eye2Gene-Projekt beteiligt und habe eng mit dem UCL-Team zusammengearbeitet, um die Deep-Learning-Modelle zu entwerfen und zu entwickeln, die Daten vorzubehandeln und diese mithilfe der Modelle zu analysieren.

„Eye2Gene ist ein Deep-Learning-Algorithmus der trainiert wurde, um zwischen bis zu 63 verschiedenen erblichen Netzhauterkrankungen zu unterscheiden. Dies ist ein bedeutender Durchbruch bei der Anwendung von Künstlicher Intelligenz auf dem noch wenig erforschten Gebiet der seltenen Augenkrankheiten. Es legt den Grundstein für zukünftige Forschung, klinische Anwendung und Entwicklung von Präzisionsdiagnostik“, sagt Dr. Behnam Javanmardi, Arbeitsgruppenleiter am IGSB: Sein Kollege Prof. Peter Krawitz am IGSB und Mitglied in den Transdisziplinären Forschungsbereichen (TRA) „Modelling“ und „Life and Health der Universität Bonn ergänzt: „Durch das Lernen aus verschiedenen multimodalen Bildgebungsdaten wird ein allgemeines Verständnis von Netzhautphänotypen in Verbindung mit genetischen Ursachen aufgebaut. Die Studie ebnet den Weg für anpassungsfähige KI-Tools, die die Diagnose einer breiten Palette seltener genetischer Augenerkrankungen unterstützen können.“

KI assistiert bei der Diagnose

Die Augenklinik am UKB unterstützte die Eye2Gene-Studie durch die Bereitstellung klinischer Bildgebungsdaten sowie durch fachliche Expertise. „Es gibt ein breites Spektrum an potenziell erblindenden Netzhautdegenerationen, deren genaue Diagnose eine enorme Herausforderung für Kliniker ist“, erläutert Prof. Frank Holz, Direktor der Augenklinik des UKB. „Eye2Gene wurde mit hochauflösenden digitalen Bilddaten von Tausenden von Betroffenen trainiert und hat gelernt, anhand von Netzhautbildern zwischen den verschiedenen genetischen Ursachen zu unterscheiden. Damit ist es ein wichtiger Meilenstein für die Weiterentwicklung der Augendiagnostik und personalisierter Behandlungsansätze.“

Die in der Fachzeitschrift „Nature Machine Intelligence“ veröffentlichte Eye2Gene-Studie liefert laut UKB eine KI, die auf der Grundlage der größten von Experten kuratierten Datensätze entwickelt wurde – Datensätze mit Tausenden Netzhautscans genetisch bestätigter IRD-Betroffener. Beteiligt waren Forscher aus sechs Zentren in London, Oxford, Liverpool, Tokio, Bonn und Sao Paulo.

Link zur Publikation: https://www.nature.com/articles/s42256-025-01040-8