Fäkaler Mikrobiota-Transfer bei Erdnuss-Allergie? – Erste Ergebnisse9. März 2022 Foto: Dragana Gordic – stock.adobe.com Verkapselter Stuhl von nichtallergischen Spendern verändert das Immunsystem und erhöht die Toleranz gegenüber Erdnüssen – das zeigen zumindest erste Ergebnisse einer klinischen Studie, die kürzlich auf dem AAAAI-Kongress präsentiert wurden. Die ersten Ergebnisse der am US-amerikanischen Boston Children’s Hospital durchgeführten Studie zeigen erstmals, dass fäkale Mikrobiota-Transfers (FMT) von gesunden, nichtallergischen Spendern jungen Erwachsenen mit schwerer Erdnuss-Allergie erlauben, kleine Mengen Erdnuss sicher zu konsumieren. Die Forschenden haben erste Studienergebnisse auf dem jährlichen Kongress der American Academy of Allergy, Asthma & Immunology (AAAAI) vorgestellt. Die FMT-Behandlung stammte von Stuhlproben von gesunden, nichtallergischen Spendern und wurde in Form von gefrorenen Kapseln verabreicht. Die Therapie konnten einige Teilnehmende, die zuvor eine allergische Reaktion bei weniger als einer halben Erdnuss hatten, mehr als zwei Erdnüsse konsumieren, bevor es zu einer Reaktion kam. Diese Menge könnte ausreichen, um Bedenken über Spuren von Erdnüssen in Lebensmitteln auszuräumen, so Rima Rachid, MD, die die Studienergebnisse präsentierte. „Diese Ergebnisse sind sehr vielversprechend“, sagte Rachid. „Eine FMT-Behandlung führte zu einer signifikanten Erhöhung der Reaktionsschwelle gegenüber Erdnuss, sowohl einen Monat als auch vier Monate nach der Behandlung. Das zeigt, dass der Effekt anhielt. Die Studie macht Hoffnung auf eine Wirksamkeit von Mikrobiom-Interventionen bei Lebensmittelallergien.“ Warum FMT bei Lebensmittelallergie? Eine zunehmende Menge an Belegen stützt die These, dass das Darmmikrobiom hilft, das Immunsystem zu formen. Bei der Studie sollte das Darmmikrobiom der Allergie-Patienten mittels FMT durch das Mikrobiom nichtallergischer Spender ersetzt werden. Diese wurden mittels OpenBiome, eine nonprofit Stuhlbank in Cambridge (USA) ausgewählt. Die offene Phase-I-Studie schloss 15 Teilnehmende zwischen 18 und 33 Jahren ein, die ab einer Menge von 100 Milligramm Erdnuss (etwa eine halbe Erdnuss) eine allergische Reaktion zeigten. Alle unterzogen sich der FMT: Sie schluckten 36 Stuhlkapseln über einen Zeitraum von drei Stunden. Im ersten Studienarm erhielten die Teilnehmenden nur FMT. Drei von ihnen (30 %) tolerierten größere Erdnuss-Mengen – eine Person bis zu vier Erdnüsse – bei Allergenprovokation ein beziehungsweise vier Monate nach der FMT. Im zweiten Studienarm wurden fünf Patienten mit Antibiotika vorbehandelt, als extreme Maßnahme, um ihr eigenes Mikrobiom abzutöten. Drei der fünf (60 %) zeigten nach der FMT eine höhere Toleranz gegenüber Erdnüssen. Dem Studienteam zufolge gab es keine schwerwiegenden Nebenwirkungen der FMT. Trotz der geringen Teilnehmerzahl, bestätigten die im Rahmen der Studie durchgeführten Laboruntersuchungen das klinische Ergebnis. Probanden, die auf die FMT ansprachen, zeigten erhöhte Level an regulatorischen T-Zellen und eine Reduktion der T-Helfer-Zellen. Nach Übertragung ihres Mikrobioms auf allergieanfällige Mäuse, zeigten diese ähnliche Veränderung ihres Immunsystems und waren bei Allergenprovokation vor Anaphylaxis geschützt. Im Gegensatz dazu zeigte sich nach Transplantation des Mikrobioms von Probanden, die nicht auf die FMT ansprachen, kein solcher Schutz vor Anaphylaxis. Dies zeige, dass das Therapieansprechen auf die FMT mit dem Mikrobiom zusammenhängt, so Rachid. Eine neue Behandlungsoption? Aktuell werden Nahrungsmittelallergien durch die Gabe von wachsenden Mengen des Allergens unter medizinischer Kontrolle behandelt, manchmal mit einer zusätzlichen Gabe von Medikamenten, die eine Immunantwort unterdrücken. Diese Methode sei allerdings nicht kurativ und bei Erwachsenen nicht wirksam, gibt Rachid zu bedenken. „Der Langzeiteffekt der oralen Immunotherapie ist unklar und viel Patienten brechen die Therapie mit der Zeit ab“, so Rachid weiter. „Außerdem ist eine tägliche Anwendung nötig und nicht ohne Risiko allergischer Reaktionen. Mikrobiom-Interventionen sind eine sehr vielversprechende Alternative zur Therapie von Nahrungsmittelallergien“, zeigt sich Rachid überzeugt. Frühere Studien1 von Rachid und ihrem Team haben die Grundlage für die aktuelle Studie gelegt: Die Forschenden hatten Stuhlbakterien von Baby mit und ohne Nahrungsmittelallergien verglichen und konnten zeigen, dass sich die Bakterienpopulation im Stuhl von allergischen Babys von denen nichtallergischer Babys unterschieden. Es folgten Versuche mit allergieanfälligen Mäusen: Erhielten diese eine FMT mit dem Stuhl von allergischen Babys, reagierten sie mit einer Anaphylaxie auf eine Allergenprovokation. Bei Mäusen, die Stuhlbakterien von gesunden Babys bekamen, war das nicht der Fall. Nun hofft Rachid auf eine klinische Phase-II-Studie mit 12- bis 17-Jährigen, die eine antibiotische Vorbehandlung und eine aufgereinigte mikrobiologische Transplantations-Therapie(MTT)-Zubereitung erhalten sollen. Diese könnte im heimischen Kühlschrank gelagert werden und die Patienten müssten für die Behandlung nicht in die Klinik kommen, so Rachid. (ja)
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