Fahrtauglichkeit: DGG setzt auf individuelle Gesundheitschecks für Senioren23. Januar 2018 In einer älter werdenden Gesellschaft nimmt auch die Zahl älterer Autofahrer stetig zu. Foto: © Daisy Daisy – Fotolia.com Eingebrannt hat sich das Bild vom älteren Unfallverursacher schnell. Forderungen, wonach das Autofahren ab einem bestimmten Alter nur noch mit einem Leistungszertifikat oder verpflichtenden Gesundheitschecks erlaubt sein soll, erteilt die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) eine Absage. „Dieses pauschale Vorgehen ist aus medizinischer Sicht grundsätzlich abzulehnen“, sagt Prof. Jürgen M. Bauer, DGG-Präsident und Lehrstuhlinhaber an der Universität Heidelberg sowie Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien Krankenhaus Heidelberg. Auch Zahlen des ADAC belegen nach Angaben der DGG, dass Menschen ab dem 65. Lebensjahr vielmehr gefährdet seien, als dass von ihnen eine Gefahr ausgehe. 30 Prozent der Verkehrstoten in Deutschland seien 65 Jahre alt und älter. Fast jeder zweite getötete Radfahrer oder Fußgänger falle in die gleiche Altersklasse. „Was wirklich hilft, sind regelmäßige, freiwillige Gesundheitschecks aus einer geriatrischen Perspektive, bei denen auch Mehrfacherkrankungen, die Medikamentenversorgung und altersbedingte Einschränkungen gezielt untersucht werden“, so Bauer. Altersbedingte Beeinträchtigungen können kompensiert werden „Um wirklich einen Beitrag zur Sicherheit im Straßenverkehr zu leisten, sind gerade im Alter regelmäßige und vor allem individuelle Gesundheitschecks unumgänglich“, sagt der DGG-Fahrtauglichkeitsexperte Dr. Dirk Wolter, Chefarzt der Abteilung Gerontopsychiatrie an der LVR-Klinik Bonn. „Denn nimmt das Hör- oder Sehvermögen ab und ist die Reaktionsgeschwindigkeit eingeschränkt, kann ein älterer Fahrer tatsächlich zur Gefährdung im Straßenverkehr werden. Auch Herz, Leber und Nervensystem sollten regelmäßig gecheckt werden“, so der Mediziner. Gerade chronische Erkrankungen, Demenz und Einschränkungen des Bewegungsapparates könnten zur Gefahr werden. Die meisten älteren Kraftfahrer kompensieren ihre Einschränkungen erfolgreich durch taktische oder strategische Anpassungen. „Senioren können auf Automatik-Getriebe umsteigen, um so ihre volle Aufmerksamkeit dem Straßenverkehr zu widmen. Außerdem sollten Stoßzeiten vermieden werden, ebenso das Autofahren bei schlechten Wetterbedingungen oder in der Dunkelheit“, sagt Wolter. Er rät zu regelmäßigen Gesundheitschecks unter geriatrischen Gesichtspunkten statt zu einem pauschalen Fahrverbot für Ältere. DGG setzt sich für individuelle Gesundheitschecks zur Fahrtauglichkeit ein Für regelmäßige Gesundheitschecks könne beispielsweise der Hausarzt herangezogen werden. „Hausärzte könnten umfassend beraten und intensiv aufklären, wenn es Probleme gibt“, so Wolter. Das gelte vor allem für die Medikamentenversorgung. Zahlreiche Autofahrer über 65 Jahre nehmen Medikamente ein, die müde machen oder den Blutdruck senken können – und somit die Fahrtüchtigkeit einschränken. Wolter rät allen älteren Autofahrern: „Sprechen Sie das Thema der Fahrtauglichkeit bei Ihrem Arzt unbedingt an!“ Dennoch unterstützt der DGG-Experte eine verpflichtende Einführung von Gesundheitschecks nicht: „Das muss von Fall zu Fall individuell betrachtet werden.“ Zudem müsse genau geklärt werden, welche Untersuchungen ein solcher Test im Einzelfall abdecken soll. Schon ein Sehtest für ältere Kraftfahrer müsse ganz andere Bedingungen erfüllen als für junge Fahrer. Auch Fahrschulen seien hier in der Pflicht, ergänzt Wolter. „Eine Fahrstunde hat schon so manchen überzeugt, das Auto stehen zu lassen. Nur in Ausnahmefällen sollten die Behörden älteren Fahrern den Führerschein dauerhaft entziehen können.“ Es sei auch wichtig, im Training zu bleiben. „Wer keine Fahrpraxis mehr hat, baut auch mehr Unfälle. Wenn man sich beim Autofahren sehr unwohl und unsicher fühlt, sollte man ganz aufhören. Als Kompensation einfach nur weniger zu fahren, ist keine Lösung“, so der Experte. Wolter weist auf eine Reihe von Arbeitsmaterialien hin, die Medizinern beim Abklären der Fahreignung im höheren Lebensalter helfen soll. Diese stehen zum kostenlosen Download auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie zur Verfügung. Den Verlust von Autonomie und Selbstbewusstsein verhindern „Die Mobilität älteren Menschen und somit auch die Fahrtauglichkeit sei eine Aufgabe, der sich Mediziner stellen müssen“, sagt Wolter. „Für diese speziellen Fälle sind Geriater ausgebildet und kennen die Bedürfnisse älterer, oft mehrfach erkrankter Patienten ganz genau.“ Das Ziel aller beteiligen Mediziner müsse es sein, die Mobilität der Älteren so lange wie möglich zu erhalten. „Andernfalls verlieren viele Menschen zu früh an Autonomie und Selbstbewusstsein, was im Alter schwerwiegende Gesundheitsfolgen haben kann“, sagt der Chefarzt. Quelle: Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG)
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