„Fake News“ können bei großen Krankheitsausbrüchen die Gesundheit gefährden

Die Forscher berücksichtigten in ihren Untersuchungen unter anderem, wie eng in Bezug auf Gesundheitsinformationen ein Misstrauen gegenüber Autoritäten und tatsächlichen Experten mit der Tendenz verbunden ist, an Verschwörungstheorien zu glauben – und entsprechende “Fake News” in sozialen Medien zu weiterzuverbreiten. (Foto: © Paolese/Adobe Stock)

Das Aufkommen und Verbreiten von Falschmeldungen könnte laut neuen Untersuchungen der University of East Anglia (UEA) den Ausbruch von Krankheiten wie aktuell von COVID-19 nicht nur schlimmer aussehen lassen, sondern tatsächlich verschlimmern.

Die Forscher konzentrierten sich zwar in ihren zwei Studien auf Influenza, Affenpocken und Norovirus, sie betonen jedoch, dass ihre Ergebnisse auch für den Umgang mit dem aktuellen COVID-19-Ausbruch nützlich sein könnten. Wie die Arbeitsgruppe erklärt, könnten Anstrengungen, um Menschen von der Verbreitung falscher Nachrichten, von Fehlinformationen und schädlichen Ratschläge in sozialen Medien abzubringen, Leben retten könnten.

Die Sorge, dass „Fake News“ dazu verwendet werden könnten, politische Prozesse zu verzerren oder die Finanzmärkte zu manipulieren, erscheint begründet. Wenig untersucht ist jedoch die Möglichkeit, dass die Verbreitung von Fehlinformationen die menschliche Gesundheit schädigen kann, insbesondere während des Ausbruches einer Infektionskrankheit.

Der COVID-19-Experte Prof. Paul Hunter und Dr. Julii Brainard, beide von der Norwich Medical School der UEA, wollten die Auswirkungen des Austausches gefährlich falscher Informationen auf die menschliche Gesundheit während eines Krankheitsausbruchs untersuchen. Hunter sagt: „Falschnachrichten werden ohne Rücksicht auf Genauigkeit ausgedacht und basieren oft auf Verschwörungstheorien.“

Besorgniserregend ist, dass Untersuchungen gezeigt haben, dass fast 40 Prozent der britischen Öffentlichkeit mindestens einer Verschwörungstheorie Glauben schenken, und noch mehr in den USA und anderen Ländern. „Wenn es um COVID-19 geht, gab es im Internet viele Spekulationen, Fehlinformationen und falsche Nachrichten – darüber, wie das Virus entstanden ist, was es verursacht und wie es sich verbreitet.“

„Fake News“ bedeuten auch, dass schlechte Ratschläge sehr schnell verbreitet und das menschliche Verhalten zu einer größeren Risikobereitschaft hin verändern können. „Wir haben bereits gesehen, wie der Aufstieg der Anti-Vax-Bewegung (zu Deutsch: Impfgegener) weltweit zu einem Anstieg der Masernfälle geführt hat.“ Menschen in Westafrika, die vom Ebola-Ausbruch betroffen waren, praktizierten eher unsichere Bestattungspraktiken, wenn sie an Fehlinformationen glaubten. Und hier in Großbritannien gaben 14 Prozent der Eltern an, ihr Kind mit Symptomen ansteckender Windpocken zur Schule zu schicken – was sowohl gegen die Schulrichtlinien als auch gegen offizielle Ratschläge eine Quarantäne betreffend verstößt.“

„Beispiele für riskantes Verhalten bei Ausbrüchen von Infektionskrankheiten sind mangelhafte Handhygiene, das Teilen von Lebensmitteln mit Erkrankten, das Nichtdesinfizieren potenziell kontaminierter Oberflächen und sich selbst keine Isolation aufzuerlegen“, betonen die Forscher. „Besorgniserregend ist, dass Menschen eher schlechte Ratschläge in sozialen Medien teilen als gute Ratschläge aus vertrauenswürdigen Quellen wie dem National Health System, Public Health England oder der Weltgesundheitsorganisation.“

Die Forscher erstellten theoretische Simulationen, die Studien zum tatsächlichen Verhalten, zur Ausbreitung verschiedener Krankheiten, zu Inkubationszeiten und Rekonvaleszenzzeiten sowie zur Geschwindigkeit und Häufigkeit der Veröffentlichung von Meldungen in sozialen Medien und des realen Informationsaustauschs berücksichtigten. Sie rechneten auch mit ein, wie eng ein Misstrauen gegenüber konventionellen Autoritäten mit der Tendenz verbunden ist, an Verschwörungstheorien zu glauben – dem Phänomen, dass Menschen innerhalb von „Informationsblasen“ online interagieren, und der Tatsache, dass Menschen eher Falschmeldungen als korrekte Informationen teilen. Die Forscher untersuchten auch Strategien zur Bekämpfung von „Fake News“: Beispielsweise das Unterdrücken schlechter durch eine große Mehrzahl zuverlässiger Informationen und eine „Immunisierung“ von Menschen gegenüber Falschmeldungen durch bessere Bildung.

Brainard sagt: „Keine frühere Studien hat so detailliert untersucht, wie sich die Verbreitung von Fehlinformationen auf die Verbreitung von Krankheiten auswirkt. Wir konnten feststellen, dass Fehlinformationen im Verlauf von Epidemien im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten diese Ausbrüche schwerwiegender machen können. Wir haben Strategien zur Reduzierung von Fehlinformationen getestet. In unserer ersten Studie, die sich auf Grippe, Affenpocken und Norovirus konzentrierte, haben wir festgestellt, dass eine Reduzierung der Menge an verbreiteten gefährlichen Ratschlägen um nur 10 Prozent – von 50 auf 40 Prozent – deren Einfluss auf die Outcomes minderte. Wenn man 20 Prozent der Bevölkerung daran hindert, falsche Ratschläge zu teilen oder sie zu glauben – oder sie gegen solche Fehlinformationen ‚immun‘ macht – hatte dies denselben positiven Effekt.“

„Unsere zweite Studie, die sich auf das Norovirus konzentrierte, hat gezeigt, dass selbst wenn 90 Prozent der Ratschläge gut sind, einige Krankheiten immer noch im Umlauf bleiben“, ergänzt Brainard. „In unserer zweiten Studie interessierten wir uns auch für die Niveaus der ‚Herdenimmunität‘, die erforderlich sind, um Menschen gegen Fehlinformationen zu ‚immunisieren‘. Das Modell lässt vermuten, dass jede ‚Immunität‘ gegen falsche Ratschläge die Auswirkungen von Ausbrüchen verringert.“

„Obwohl wir sehr ausgefeilte Simulationsmodelle verwendet haben, ist es wichtig zu bedenken, dass dies keine Beobachtungsstudie ist, die auf realem Verhalten basiert“, fügt die Wissenschaftlerin hinzu. „Die Wirksamkeit der Implementierung solcher Strategien zur Bekämpfung ‚Fake News‘ muss unter realen Bedingungen getestet werden, wobei idealerweise Kosten und Nutzen der Reduzierung von Krankheiten in der realen Welt gegenübergestellt werden.“