Familienzentrierte Betreuung: Virtuelle Realität reduziert Ängste bei Angehörigen operierter Kinder

Symbolbild: ©Gary/stock.adobe.com

Virtuelle Realität (VR) kann ein wirksames und zuverlässiges Mittel sein, um die Ängste zu lindern, die die meisten Eltern oder Betreuer empfinden, wenn ihr Kind operiert wird. Das zeigt eine jüngst auf der Jahrestagung Anesthesiology 2023 vorgestellte Studie.

„Wenn sich ein Kind einem medizinischen Eingriff unterziehen muss, ist dies oft nicht nur für den Patienten, sondern für die gesamte Familie emotional beunruhigend“, erläutert Thomas J. Caruso, Hauptautor der Studie und klinischer Professor für Anästhesiologie, perioperative und Schmerzmedizin an der Stanford University, Californien (USA). „Durch eine familienzentrierte Betreuung wollen wir nicht nur den Patienten behandeln, sondern auch Angehörige, die vor, während und nach der Operation erhebliche Angstzustände erleben, wenn sich ein geliebter Mensch einem Eingriff unterzieht. Unsere Ergebnisse zeigen eine signifikante Verringerung der Ängste bei der Verwendung von VR im Vergleich zu unserer Standardbehandlung.“

Etwa 74 Prozent der Angehörigen haben Angst vor dem chirurgischen Eingriff an ihrem Kind. Trotzdem wurden bisher nur in wenigen Krankenhäusern Maßnahmen zur Behandlung von Angstzuständen der Angehörigen ergriffen, stellen die Autoren fest. Das Problem: Die Angst der Angehörigen kann auch die Ängste des Kindes vor der Operation verschlimmern. Erhöhte Angst bei Kindern trägt zu unkooperativen Narkoseeinleitungen, einer verlängerten Erholungszeit, verstärkten postoperativen Schmerzen und Delirium sowie einer geringeren Patientenzufriedenheit bei.

An der Studie nahmen 26 Angehörige von Kindern teil, die sich nichtinvasiven oder chirurgischen Eingriffen unterzogen. Die VR-Intervention umfasste eine geführte Achtsamkeitsmeditation mit einem handelsüblichen VR-Headset. Die Achtsamkeitsanwendung wurde im Rahmen eines speziellen klinischen und translationalen Forschungsprogramms konzipiert, das neuartige Anwendungen für immersive Technologien in der pädiatrischen Gesundheitsversorgung entwickelt. Es arbeitet mit computergenerierten Bildern einer naturnahen Landschaft, um die Entspannung durch visuelle und auditive Reize zu fördern.

An der VR-Intervention nahmen 54 Prozent der Angehörigen teil, während die restlichen 46 Prozent gebeten wurden, im Wartebereich zu warten, sich auszuruhen und Erfrischungen zu sich zu nehmen, was in dem Krankenhaus als Standard gilt. Die Teilnehmer der VR-Gruppe wurden angewiesen, die VR-Intervention zu Beginn des Eingriffs bei ihrem Kind sechs Minuten lang zu nutzen. Caruso und sein Team bewerteten die Ängste der Angehörigen anhand verschiedener Umfragen zu Beginn der Behandlung ihres Kindes und unmittelbar nach der Intervention. Um die Zufriedenheit mit dem Eingriff zu ermitteln, baten die Forscher die Teilnehmer der VR-Gruppe, eine kurze Zufriedenheitsumfrage mit vier Fragen auszufüllen.

Vor der VR-Intervention lag der durchschnittliche Angstpegel der Betreuer in der VR-Gruppe bei 56,5, während der Durchschnitt in der Gruppe mit Standardbehandlung bei 50,3 auf einer visuellen Analogskala lag, die den Grad der Angst von 0 bis100 misst. Nach der VR-Intervention sank das durchschnittliche Angstniveau der Angehörigen in der VR-Gruppe auf 33,1, während der Durchschnittswert für die Standardpflegegruppe mit 51,4 relativ gleich blieb. Von den 14 Personen, die die VR-Zufriedenheitsumfrage ausfüllten, gaben 12 an, in allen vier Zufriedenheitsbereichen entweder zufrieden oder sehr zufrieden zu sein (d. h. einen Wert von 4 oder höher auf einer 5-Punkte-Skala).

„Immersive Technologien wie die VR bieten neue, nichtpharmakologische Behandlungsmöglichkeiten zur Linderung von Angstzuständen“, bekräftigt Caruso. „Angesichts der sinkenden Kosten von VR und ihrer kommerziellen Verfügbarkeit legen die Ergebnisse dieser Studie nahe, dass Krankenhäuser, die eine familienzentrierte Pflege anbieten wollen, VR als eine wirksame, angstlösende Option für Angehörige in Betracht ziehen könnten.“