Fast 40 Prozent der Patienten mit Typ-2-Diabetes brechen die Einnahme ihrer Zweitlinien-Medikamente ab21. Februar 2024 Foto: © Sherry-Young/stock.adobe.com Die meisten Patienten mit Typ-2-Diabetes müssen nach Metformin ein Zweitlinien-Medikament hinzufügen, um ihren Blutzuckerspiegel zu kontrollieren. Aber auf die Einhaltung dieser Zweitlinien-Therapien ist wenig Verlass, wie eine neue Studie der Northwestern University, USA, zeigt. Wenn Patienten ihre Medikamente absetzen, auf ein anderes Präparat umsteigen oder ihre Behandlung intensivieren (entweder durch eine höhere Dosis, die Hinzufügung eines dritten Medikaments oder den Einsatz von Insulin), vergeuden sie die Zeit des Arztes und verursachen dem Gesundheitssystem unnötige Kosten. Das Absetzen kann außerdem dazu führen, dass der Patient seinen Typ-2-Diabetes nicht vollständig behandelt. Das sagt eine in der Fachzeitschrift „American Journal of Managed Care“ veröffentlichte Studie aus den USA. Die Studie mit mehr als 82.000 Patienten zwischen 2014 und 2017 ergab, dass fast zwei Drittel der Patienten innerhalb eines Jahres nach ihrer ersten Verschreibung entweder ihre Medikamente absetzten, auf eine andere Medikamentenklasse wechselten oder ihre Behandlung intensivierten. Die Wissenschaftler analysierten fünf Nicht-Insulin-Klassen von Diabetes-Medikamenten. In vier der fünf Klassen brachen 38 Prozent der Patienten ihre Medikamente ab. Aber von den Patienten, denen Glucagon-like-Peptid-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RAs) verschrieben wurden, brach die Hälfte (50%) die Behandlung ab. „Absetzen ist schlecht. Üblich ist es bei allen fünf Medikamentenarten, aber wir sehen es deutlich mehr bei jenen Patienten, die GLP-1-RAs verschrieben bekommen“, kommentiert Dr. David Liss, außerordentlicher Forschungsprofessor für allgemeine Innere Medizin an der Northwestern University Feinberg School of Medicine. Frühere Studien hätten gezeigt, dass Behandlungsabbrüche bei Typ-2-Diabetes-Medikamenten häufig vorkämen, aber dies sei die erste große US-amerikanische Studie, die so hohe Abbruchraten bei Zweitlinien-Medikamenten zeige, betont Liss. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit neuer Verschreibungsansätze und eines besseren Verständnisses der Hindernisse, mit denen Patienten bei der Einnahme dieser Medikamente konfrontiert sind, um letztendlich die Zeitverschwendung von Patienten, Ärzten und Geld des Gesundheitssystems zu reduzieren“, erklärt sie. Zusammenhang mit gastrointestinalen Nebenwirkungen Während die Wissenschaftler nicht über Daten zu den Gründen verfügten, warum Patienten die Behandlung abbrachen, kann die besonders hohe Abbruchrate für GLP-1-RAs auf unerwünschte gastrointestinale Nebenwirkungen zurückzuführen sein, die bei Patienten beobachtet wurden, die diese Medikamente zur Diabeteskontrolle und zur Gewichtsabnahme einnehmen, erläutert Liss. Ursprünglich von der US-amerikanischen Behörde Food and Drug Administration (FDA) zur Behandlung von Typ-2-Diabetes zugelassen, werden GLP-1-RAs mittlerweile auch zur Gewichtsreduktion eingesetzt. „Wir wissen, dass diese Medikamente, die derzeit in den Schlagzeilen sind, gastrointestinale Nebenwirkungen haben, sowohl bei Patienten mit Diabetes als auch bei Patienten, die versuchen, Gewicht zu verlieren“, sagt die Wissenschaftlerin. Was passiert nach dem Absetzen? Bei vielen Patienten in dieser Studie würde das Absetzen eines Zweitlinien-Medikaments gegen Diabetes nicht sofort zu Symptomen einer Hyperglykämie oder medizinischen Notfällen führen, so Liss. „Aber ein Absetzen setzt diese Patienten immer noch einem höheren Risiko für spätere Krankenhausaufenthalte im Zusammenhang mit Diabetes aus“, betont die Forscherin. Endokrinologe versus verschreibende Ärzte für Innere Medizin Die Studie ergab, dass das Abbruchrisiko geringer und das Intensivierungsrisiko höher war, wenn ein Endokrinologe das Medikament verordnete, im Vergleich zu einem Hausarzt oder einem Internisten, der die Zweitlinien-Medikamente verordnete. Die Forscherin betont, dieser Unterschied könnte darauf zurückzuführen sein, dass Endokrinologen über besondere Fachkenntnisse in den neueren Klassen von Diabetes-Medikamenten verfügten, wodurch sie besser in der Lage seien, die Vor- und Nachteile von Medikamenten zu besprechen, wenn sie mit Patienten Verschreibungsentscheidungen treffen. Bedeutung der Nachbeobachtung neuer Medikamente Die Studie analysierte retrospektiv die Daten zu Krankenversicherungsansprüchen von Patienten, was bedeutete, dass die Wissenschaftler erkennen konnten, wann einem Patienten ein Medikament verschrieben wurde; wenn der Leistungserbringer seine Medikamente auf eine neue Klasse umgestellt hat; oder wenn sie ihre Dosis erhöht haben. Die Wissenschaftler gingen davon aus, dass Patienten, bei denen eine Behandlungsumstellung oder -intensivierung erfolgte, dies nach Rücksprache mit ihrem Arzt taten. Doch die Wissenschaftler vermuten, dass viele Patienten die Entscheidung zum Absetzen ihrer Medikamente getroffen haben, ohne mit einem Arzt gesprochen zu haben. „Unsere Ergebnisse könnten ein ‘Weckruf’ für Ärzte sein, dass viele ihrer Patienten die verschriebenen Medikamente nicht einnehmen“, so Liss. „Wir wissen zwar nicht, ob die Anbieter von den in dieser Studie beobachteten Absetzvorgängen wussten, aber unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Kommunikation zwischen Patienten und Verordnern im Laufe der Zeit – über Nutzen, Nebenwirkungen und Kosten von Medikamenten – und nicht nur zum Zeitpunkt der Verschreibung“, sagt sie abschließend.
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