Fehlgeleitete Immunreaktionen: Regulatorische CAR-T-Zellen entwickelt

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An der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) werden regulatorische CAR-T-Zellen gegen Leberentzündung, neurodegenerative Erkrankungen und Diabetes-Typ-1 entwickelt.

Bei der CAR-T-Zelltherapie werden körpereigene T-Zellen aus dem Blut entnommen, genetisch verändert und mit einem chimären Antigenrezeptor (CAR) ausgestattet. Mit Hilfe dieses Rezeptors können die Immunzellen nun die als Antigene bezeichneten Zielstrukturen auf den Zielzellen erkennen und zerstören. Einen leicht veränderten Ansatz verfolgt Prof. Matthias Hardtke-Wolenski,von der MHH. Der Biochemiker setzt auf regulatorische T-Zellen (Treg). Hardtke-Wolenski hat bereits fünf verschiedene CAR-Tregs für so unterschiedliche Krankheitsbilder wie Autoimmunhepatitis, Multiple Sklerose und Diabetes entwickelt. Bislang ist ihre Wirkung allerdings nur im Tiermodell und in Zellkultur bestätigt. Eines der CAR-Treg-Konstrukte soll aber nun in einer klinischen Studie auf die Anwendung beim Menschen untersucht werden.

Neue CARs passgenau entwickelt

„Normalerweise haben die für CAR-T-Zellprodukte verwendeten Immunzellen die Aufgabe, krankheitsauslösende Zellen zu vernichten“, erklärt Hardtke-Wolenski. Ein mögliches Risiko dabei sei, dass die CAR-Struktur die T-Zellen fälschlicherweise auch zu Zellen lotse, die gar nicht angegriffen werden sollen. „Bei unserem Ansatz ist ein solcher Navigationsfehler zwar auch möglich, aber die Folge wäre nicht so schwerwiegend, da die Tregs lediglich als Bremse gegen das fehlgeleitete Immunsystem wirken und den Heilungseffekt verstärken.“

Ein weiterer Vorteil: Die Antigenrezeptoren stammen nicht aus einem bereits vorhandenen Repertoire, sondern die CARs sind allesamt neu und passgenau entwickelt worden. Dafür haben die Forschenden nach Antigenen gesucht, die typisch für das jeweilige Krankheitsbild sind und gleichzeitig im Laufe der Erkrankung nicht herunterreguliert werden, sondern als Zielstruktur erhalten blieben. Um diese zu finden, haben der Biochemiker und sein Team eine Vielzahl von Antikörpern überprüft, die als Rezeptoren für ein CAR-Konstrukt in Frage kommen. Dabei nutzten sie das Antikörper-Phagen-Display, eine am Institut für Biochemie, Biotechnologie und Bioinformatik der Technischen Universität Braunschweig weiterentwickelte biotechnologische Methode, bei der die möglichen Protein-Kandidaten für das CAR-Navi quasi im Reagenzglas identifiziert werden können.

Angriff auf Leber und Gehirnnerven stoppen

Eines der CAR-T-Zellprodukte soll den Angriff des Immunsystems auf die Leber stoppen – etwa bei Autoimmunhepatitis oder Abstoßungsreaktionen nach einer Lebertransplantation. So könnte etwa der Einsatz von Immunsuppressiva gesenkt werden, die das gesamte Abwehrsystem herunterdrücken. „Diese CAR-Tregs eignen sich aber auch generell, um Entzündungsreaktionen der Leber herunterzuregeln“, erklärt Hardtke-Wolenski. „Nur bei Entzündungen durch Virusinfektionen ist es nicht einsetzbar, weil so nicht nur das Organ, sondern auch das Virus selbst geschützt würde.“

Zwei andere CAR-Tregs zielen auf die neurodegenerativen Erkrankungen Multiple Sklerose (MS) und Alzheimer. Bei der Autoimmunerkrankung MS zerstören fehlgeleitete Immunzellen die schützende Isolierschicht der Gehirnnerven, die Myelinhülle. Diese sorgt für die schnelle Kommunikation zwischen Nervenzellen und ist entscheidend für eine normale Gehirnfunktion. Im Alter verschleißt die Myelinschicht und fördert die krankhaften Veränderungen wie bei Alzheimer. Beide CAR-Tregs sollen die Myelinhülle schützen, so dass die Nervenleitungen intakt bleiben.

CAR-Treg gegen Diabetes Typ 1

Des weiteren haben Hardtke-Wolenski und sein Team zu Diabetes Typ 1 geforscht und drei CAR-Tregs entwickelt, die sich gezielt an die Betazellen heften und sie schützen. Gleichzeitig lassen sich die Betazellen so auch in der Bildgebung darstellen. Außerdem könnten die CAR-Tregs genutzt werden, um therapeutische Stoffe direkt zu den Zellen zu bringen. Einer dieser Bausteine geht jetzt in die klinische Phase und wird in einer Studie nun erstmals am Menschen untersucht. „Bis die CAR-Tregs Einzug in die Standardtherapie halten, werden allerdings noch Jahre vergehen“, stellt Hardtke-Wolenski fest.