Fibromyalgie: Pandemie verstärkte die wahrgenommenen, nicht aber die messbaren Schmerzen

Foto: ©thingamajiggs- stock.adobe.com

Patientinnen und Patienten mit Fibromyalgie berichten von einer Verschlechterung ihrer chronischen Schmerzen und des Wohlbefindens im Rahmen der COVID-19-Pandemie. Ein Vergleich aktueller und früherer Testwerte kann diese Einschätzung jedoch nicht belegen, wie ein Bochumer Forschungsteam in der Fachzeitschrift „Clinical and Experimental Rheumatology“ darlegt.

Die COVID-19-Pandemie sowie die damit verbundenen Einschränkungen und Veränderungen des öffentlichen Lebens hatten und haben weitreichende Folgen für die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen auf der ganzen Welt. Für Menschen mit chronischen Schmerzen zeigen bislang erhobene Daten unterschiedliche Ergebnisse. Während einige Schmerzpatientinnen und Schmerzpatienten von der Verlangsamung des Alltags eher profitierten, führten die Einschränkungen –auch in der Versorgung – bei anderen zu einer Verschlimmerung der Symptomatik. Inwiefern sich die Pandemie auf den chronischen Schmerz und das Wohlbefinden von Menschen mit Fibromyalgie ausgewirkt hat, untersuchte ein Forschungsteam der LWL-Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum. Die Forschenden konnten in ihrer Studie zeigen, dass bei einer Mehrheit der teilnehmenden Fibromyalgie-Patientinnen im Zuge der Pandemie keine Verschlechterung der Symptomatik festzustellen war, entgegen der subjektiven Wahrnehmung der Betroffenen.

Der (wahrgenommene) Einfluss der Pandemie

Das Team um Prof. Martin Diers und Benjamin Mosch, Psychologen und Grundlagenforscher in der Klinischen und Experimentellen Verhaltensmedizin, analysierte die Daten einer deutschlandweiten Fragebogenerhebung mit 109 Fibromyalgie-Patientinnen. Im Fokus standen dabei die langfristigen Veränderungen verschiedener klinischer und verhaltensbezogener Variablen. Dazu zählten unter anderem die Schmerzstärke und -beeinträchtigung, die Ausprägung depressiver Symptome, das individuelle Erleben der Pandemie sowie die selbst wahrgenommene Veränderung von Schmerzen, Angstzuständen, Depressionen und körperlicher Aktivität im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie. Entsprechende Vergleichswerte wurden im Rahmen einer Erhebung aus dem Jahre 2019 gesammelt.

„Die Ergebnisse belegen eine deutliche wahrgenommene Verschlechterung der Schmerzen, depressiven Verstimmung und Ängste sowie des körperlichen Aktivitätsniveaus aufgrund der Pandemie“, erklärt Verhaltensforscher Mosch. „Interessanterweise spiegelten sich diese wahrgenommenen Veränderungen nicht in einem langfristigen Anstieg der Schmerz-Testwerte aus der Zeit vor der Pandemie zur aktuellen Messung wider.“

Negative Effekte der Pandemie beeinflussen die wahrgenommene Veränderung der chronischen Schmerzen

Die Schmerzintensität zum Zeitpunkt der Post-Pandemie-Messung, die zwischen 15. März und 15. Juli 2022 durchgeführt wurde, konnte am besten durch die Schmerzintensität vor der Pandemie (Erhebung zwischen Mai 2019 und Februar 2020) erklärt werden, während für das pandemiebezogene Erleben kein entscheidender Einfluss auf den Schmerz gefunden wurde. Dem Forschungsteam zufolge scheint es also, als hätte die Pandemie im Durchschnitt eher keinen starken negativen Effekt auf die Symptomatik der Studienteilnehmerinnen gehabt. Gleichzeitig konnte die wahrgenommene Verschlechterung der Schmerzen am besten durch den wahrgenommenen allgemeinen negativen Einfluss der Pandemie erklärt werden, was die Bedeutung der individuellen Wahrnehmung unterstreicht.

Schließlich fanden Diers und Kollegen für Patientinnen mit weniger schweren präpandemischen Schmerzsymptomen eine stärkere langfristige Verschlimmerung der Schmerzen. „Diese Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, im Rahmen einer Pandemie auf die spezifischen Bedürfnisse chronischer Schmerzpatientinnen und -patienten einzugehen bzw. Behandlungskonzepte frühzeitig anzupassen, um längerfristig auftretenden Einschränkungen oder einer Verschärfung der Symptomatik präventiv entgegenzuwirken“, folgert Mosch.