Fisch soll bei der Suche nach MS-Medikamenten helfen6. Oktober 2022 Zebrafische sind nicht nur bei Aquaristen beliebt, sondern auch bei Forschern. (Foto: © kazakovmaksim – stock.adobe.com) Der Zebrafisch dient Forschern weltweit als Modellorganismus: An ihm lassen sich viele Prozesse studieren, die auch im menschlichen Körper in ähnlicher Form stattfinden. Er wird daher auch für die Fahndung nach möglichen Wirkstoffen gegen Krankheiten genutzt. Forschende der Universität Bonn haben dazu nun einen innovativen Weg beschritten und die Larven „menschenähnlicher“ gemacht. Der Zebrafisch dürfte vielen Aquarienfreunden vor allem durch seine auffällige Pigmentierung bekannt sein. Die charakteristischen schwarzblauen Streifen, denen das Tier seinen Namen verdankt, bilden sich allerdings erst im Laufe der Zeit. Seine wimperngroßen Larven sind dagegen noch mehr oder weniger durchsichtig. Viele Vorgänge in ihrem Körper lassen sich deshalb unter dem Lichtmikroskop beobachten. Daher dienen sie heute Forschungsgruppen rund um den Globus als Modellorganismus. „An der Universität Bonn untersuchen wir etwa, wie Zebrafische defektes Nervengewebe reparieren“, erklärt Prof. Benjamin Odermatt vom Anatomischen Institut des Universitätsklinikums Bonn. „Das interessiert uns auch deshalb, weil viele Gene, die an diesem Prozess beteiligt sind, in ähnlicher Form auch beim Menschen existieren.“ Im Prinzip könnten Wirkstoffe, die diese Reparaturgene im Fisch ankurbeln, somit auch im Menschen funktionieren. Oft sind die Unterschiede zwischen den Erbanlagen von Fisch und Mensch dazu aber dann doch zu groß. Für die Suche nach neuen Medikamenten eignen sich die Larven daher nur eingeschränkt. Fisch-Gen durch Menschen-Gen ersetzt „Wir haben deshalb einen anderen Weg beschritten“, erklärt Prof. Evi Kostenis vom Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Bonn. „Wir haben zu einem menschlichen Gen, das dort bei der Reparatur von Nervenzellen eine Rolle spielt, sein Pendant im Zebrafisch gesucht. Dann haben wir dieses Pendant ausgeschnitten und durch die Version aus dem Menschen ersetzt.“ Die neue Erbanlage übernahm dort die Funktion des ursprünglichen Zebrafisch-Gens. „Wenn wir nun eine Substanz finden, die in dem Fisch mit dem Menschen-Gen die Reparaturprozesse ankurbelt, bestehen große Chancen, dass das auch im Menschen so sein wird“, sagt die Wissenschaftlerin. Zebrafische und Menschen verfügen beide über einen GPR17-Rezeptor. In der Studie wurde der Fisch-Rezeptor durch sein Pendent aus dem Menschen ersetzt. So lassen sich Wirkstoffe besser untersuchen.(Quelle: © AG Kostenis-Gomeza / Universität Bonn) Dass das funktioniert, haben die Forschenden in ihrer Pilotstudie am GPR17-Rezeptor demonstriert. Im Menschen kann seine Überaktivierung zu Krankheiten wie Multipler Sklerose (MS) führen, bei der das körpereigene Immunsystem die Myelinschicht zerstört. Normalerweise gibt es im Gehirn für Reparaturarbeiten einen Vorrat unreifer Oligodendrozyten, die bei einem Schaden an der Myelinschicht heranreifen und diesen reparieren. Bei der MS ist dieser Mechanismus gestört – viele der zellulären Myelinbildner verbleiben in ihrem unfertigen Zustand. Der GPR17-Rezeptor scheint daran die Hauptschuld zu tragen: Wird er durch ein molekulares Signal aktiviert, bremst er die Reifung der Oligodendrozyten. „Auch Zebrafische verfügen über einen GPR17-Rezeptor“, erklärt Dr. Jesus Gomeza, der die Studie zusammen mit Kostenis und Odermatt geleitet hat. „Und auch dort reguliert er, wie viele Oligodendendrozyten heranreifen.“ Die Forschenden ersetzten nun einen Teil des Rezeptor-Gens durch sein menschliches Pendant – nämlich genau die Struktur, die für den Empfang molekularer Signale zuständig ist. „Wir konnten zeigen, dass dieses neue Gen in den Fischlarven ganz normal funktioniert“, sagt Gomeza. Ein Molekül, das im Reagenzglas den menschlichen GPR17-Rezeptor hemmt, kurbelte zudem in den veränderten Fischen die Bildung reifer Oligodendrozyten an. Bei der Suche nach neuen Wirkstoffen erprobt man die Substanzen zunächst in Zellkulturen. Nur einzelne, sehr vielversprechende Kandidaten werden dann an Mäusen oder anderen Säugetieren getestet. Doch selbst wenn sie dort funktionieren, enden Tests im Menschen dennoch oft ernüchternd. „Humanisierte Zebrafischlarven erlauben es, rasch viele Substanzen zu screenen, und das mit hoher Erfolgschance, da die Zielgene ja aus dem Menschen stammen“, erklärt Odermatt. „Aus unserer Sicht ist das ein sehr vielversprechender Weg für die Wirkstoffentwicklung.“
Mehr erfahren zu: "Prothesen durch Gedankenkraft steuern" Prothesen durch Gedankenkraft steuern Forschende des Deutschen Primatenzentrums in Göttingen konnten zeigen, wie sich das Gehirn anpasst, wenn es motorische Prothesen steuert. Die Erkenntnisse helfen nicht nur, die Entwicklung von Gehirn-Computer-Schnittstellen voranzutreiben, sondern verbessern […]
Mehr erfahren zu: "Zebrafisch kann durch ausgeklügelten Mechanismus sein Rückenmark heilen" Zebrafisch kann durch ausgeklügelten Mechanismus sein Rückenmark heilen Indem spezielle Bindegewebszellen die Entzündung und die Bildung von Narbengewebe regulieren, können beim Zebrabärbling nach einer Rückenmarksverletzung Nervenbahnen wieder nachwachsen, diese Erkenntnis könnte langfristig auch Menschen helfen.
Mehr erfahren zu: "Neustart für das Programm für Nationale Versorgungsleitlinien" Neustart für das Programm für Nationale Versorgungsleitlinien Nach der Auflösung des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin, das bis 2024 das Programm koordinierte und redaktionell betreute, war nach einer Möglichkeit gesucht worden, die Arbeit an den […]