Fliegen im Windschatten: Energiespar-Trick beim Vogelzug zeigt wenig Effekt

Foto: © Waldrappteam Conservation and Research

Wenn Zugvögel im Windschatten fliegen, sparen sie dadurch weniger Energie als bisher angenommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie unter Leitung der Vetmeduni Wien, die Waldrappen (Geronticus eremita) erstmals während ihres Flugs untersuchte.

Ein Gesamtsieg bei einem großen Radrennen ohne Unterstützung des Teams? Undenkbar. Was wir als Windschattenfahren kennen, machen Zugvögel bei ihren Langstreckenflügen schon lange. Den Nutzen dieses Energiespar-Tricks unter Realbedingungen belegt nun eine europäische Studie unter Leitung der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Demnach verbessern sich während des Windschattenflugs mehrere Parameter, was in Summe Energie spart. Diese Einsparung ist allerdings nur geringfügig – und weit geringer als bisherige Theorien und experimentelle Untersuchungen annahmen.

Weltweit führen viele Vogelarten lange saisonale Wanderungen durch. Aufgrund des hohen Energieaufwands haben Zugvögel verschiedene Strategien entwickelt, um Energie zu sparen – z. B. das Nutzen der Thermik und des intermittierenden Flugs, also der Wechsel von Schlag- und Gleitflug. Dazu zählt auch das Reisen in eng strukturierten Gruppen, den sogenannten Formationen: Wenn ein Vogel fliegt, strömt die Luft um die Flügel und löst sich dahinter als Flügelspitzenwirbel ab. Dadurch entstehend zwei Bereiche mit Aufwind außerhalb der Flügel und ein Bereich mit Abwind innerhalb der Flügel. Ein anderer Vogel kann diesen Aufwind ausnutzen, indem er freien Auftrieb erhält und weniger Widerstand erfährt, wodurch er Energie sparen kann.

Theoretisch hoher Einsparungseffekt reduziert sich unter realen Bedingungen

Erste theoretische Studien zum Formationsflug legten nahe, dass Vögel durch aerodynamische Interaktionen in einem Schwarm ihren Energieverbrauch um mehr als 50 % senken können. Zusätzlich wurden Vögel in einigen wenigen Versuchsanordnungen untersucht – hier kamen die Forscher immerhin noch auf Energieeinsparungen von 14,5 bis 25 %.

Abgesehen von diesen indirekten Beweisen fehlten bisher Messungen. Diese liefert nun die vorliegende Studie. Dazu Studien-Erstautorin Elisa Perinot vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni: „Wir haben ziehende Waldrappen mit hochpräzisen Global Navigation Satellite System (GNSS)-Datenloggern ausgestattet, um ihre Position im Schwarm zu verfolgen. Wir schätzten den Energieverbrauch der Vögel anhand verschiedener Indikatoren, nämlich der dynamischen Körperbeschleunigung (dynamic body acceleration; DBA), der Herzfrequenz und der effektiven Flügelschlagfrequenz.“

Foto: © Waldrappteam Conservation and Research

Während des aktiven Schlagflugs sanken die DBA-Werte, wenn die Vögel im Windschatten waren. Darüber hinaus nahm die effektive Flügelschlagfrequenz ab, was darauf hindeutet, dass die Tiere im Windschatten vermehrt im intermittierenden Gleitflug flogen. Die Herzfrequenz variierte stark, wobei sie während des Gleitfluges deutlich abnahm, was die energiesparende Funktion des Gleitfluges untermauert. Darüber hinaus fanden die Forscher konsistente Beweise für eine verringerte Herzfrequenz während des Fliegens im Wachzustand, und zwar um bis zu 4,2 %.

Erstmals unter Realbedingungen erforscht

Das Resümee der beiden Studien-Co-Autoren Thomas Ruf (Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie/Vetmeduni) und Leonida Fusani (Leiter des Konrad-Lorenz-Instituts für Vergleichende Verhaltensforschung der Vetmeduni): „Wir konnten nun erstmals unter Realbedingungen während des Vogelzugs nachweisen, dass das Fliegen im Windschatten eines anderen Individuums die DBA, die Herzfrequenz und die effektive Flügelschlagfrequenz der Vögel reduziert, was auf einen geringeren Energiebedarf hindeutet. Damit ist das Windschattenfliegen ein wichtiger Mosaikstein, um lange Vogelzüge zu meistern. Die positiven Effekte auf die Energiebilanz scheinen aber deutlich geringer zu sein, als bisher angenommen wurde.”

„Einerseits denken wir, dass die Vögel unerfahren sind und daher nicht wissen, wie sie den Formationsflug am besten nutzen können, um Energie zu sparen. Andererseits könnten sich die realen Bedingungen anders auf den Formationsflug auswirken, so dass die Energieeinsparung geringer ist. Diese beiden Motivationen schließen sich nicht gegenseitig aus,“ so Elisa Perinot abschließend.