Folgen einer abnormalen Chromosomenzahl weiter entschlüsselt

Aneuploide Zellen weisen eine veränderte mitochondriale Struktur und Funktion auf. Grund: Mitochondriale Vorläuferproteine werden in p62-positiven Aggregaten sequestriert, sozusagen „beschlagnahmt“, was den Transport in die Mitochondrien beeinträchtigt. Quelle: Prince Saforo Amponsah. Copyright: RPTU, Prince Saforo Amponsah

Ein Proteinungleichgewicht aufgrund einer abnormalen Chromosomenzahl beeinträchtigt die Funktion der Mitochondrien. Dieses Studienergebnis, das für die medikamentöse Behandlung von Krebserkrankungen relevant sein könnte, haben Wissenschaftler aus Rheinland-Pfalz jetzt in „Nature Communications“ veröffentlicht.

Aneuploidie kommt besonders häufig in Krebszellen und in Zellen von Menschen mit Downsyndrom vor. „Schon ein einziges zusätzliches Chromosom führt zu vielen Problemen für die Zelle. Darunter fällt die Produktion unnötiger Proteine aus den zusätzlichen Chromosomen, die den Mechanismus der Zelle zur Aufrechterhaltung eines gesunden Proteingleichgewichts stören. Wie sich all dies jedoch auf molekularer Ebene manifestiert, ist noch nicht klar“, erklärt Prof. Zuzana Storchová vom Fachgebiet Molekulare Genetik der RPTU.

In einer aktuellen Studie haben Forschende um Storchová, Leiterin des Fachgebiets Molekulare Genetik an der RPTU, und Prince Saforo Amponsah die damit verbundenen Prozesse in Zelllinien genauer entschlüsselt. Aus der nahezu diploiden Darmkrebszelllinie HCT116 wurden im Labor Zelllinien mit einer oder zwei zusätzlichen Chromosomenkopien hergestellt.

Prof. Zuzana Storchová, hier im Gespräch mit Erstautor und Projektleiter Dr. Prince Saforo Amponsah, leitet das Fachgebiet Molekulare Genetik an der RPTU. Bildquelle: RPTU

Die Forschenden konnten zeigen, dass Zellen mit zusätzlichen Chromosomen membranlose Strukturen − Proteinaggregate − in ihrem Zytoplasma ansammeln. Diese Proteinaggregate enthalten hauptsächlich ein Protein namens Sequestrosom 1 (SQSTM1, auch bekannt als p62) – ein bekannter Rezeptor, der bereits bei der Verwertung defekter Proteine und beschädigter Zellorganellen identifiziert wurde. „Wir haben beobachtet, dass die Konzentration dieses Proteins in Zellen mit zusätzlichen Chromosomen höher war und dass die Menge mit der Größe des zusätzlichen Chromosoms zunahm“, erläutert Amponsah.

Krebszellen können proteotoxischen Stress tolerieren

Die Forschenden fanden außerdem heraus, dass Zellen mit zusätzlichen Chromosomen eine veränderte mitochondriale Struktur und Funktion aufweisen. Der Grund: Mitochondriale Vorläuferproteine werden in p62-positiven Aggregaten sequestriert, also gewissermaßen „beschlagnahmt“, was wiederum ihren Transport in die Mitochondrien beeinträchtigt.

„Da zusätzliche Chromosomen bei Krebs, Trisomie-Syndromen und verschiedenen anderen pathologischen Zuständen wie dem Altern häufig vorkommen, stellen unsere Zelllinien ein physiologisch relevantes Modellsystem für die Untersuchung der Auswirkungen von Proteom-Ungleichgewichten in menschlichen Zellen dar“, beschreibt Storchová die Besonderheiten ihrer Forschung. „Unsere Forschung zeigt einen bisher unbekannten Zusammenhang zwischen genomischen Anomalien, proteotoxischem Stress und mitochondrialer Homöostase.“

Das Fazit: Obwohl Krebszellen Chromosomenanomalien aufweisen und ein Proteom-Ungleichgewicht zeigen, sind sie interessanterweise in der Lage, proteotoxischen Stress zu tolerieren, der für normale Zellen oft schädlich ist.

„Unsere Ergebnisse deuten nun darauf hin, dass Krebszellen dafür möglicherweise ihren mitochondrialen Stoffwechsel ändern“, erklärt Amponsah. Diese Eigenschaft könnte zu einer erhöhten Arzneimittelresistenz bei aneuploiden Krebsarten beitragen. Amponsah: „Langfristig hoffen wir, dass unsere Forschung mehr Licht in diesen Aspekt bringt und zu neuen therapeutischen Strategien zur Verbesserung der Gesundheit von Krebspatienten beiträgt.“

Das Forschungsprojekt „Mitochondriale Anpassung an unausgewogene Kopienzahlen des Kern- und Mitochondriengenoms“ ist Teil des STRESSistance-Graduiertenkollegs RTG 2737 an der RPTU – welches durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG gefördert wird (Projektleitung: Zuzana Storchová). Darüber hinaus wurde das Projekt durch die rheinland-pfälzische Forschungsinitiative BioComp „Dynamische Membranprozesse in biologischen Systemen“ (Projektleitung: Zuzana Storchová) gefördert.

Erstautor und Projektleiter Amponsah wurde durch ein Postdoktorandenstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) − das Walter-Benjamin-Programm − , sowie durch Forschungsgelder des TU-Nachwuchsrings und der Joachim-Herz-Stiftung gefördert. Das Projekt ist eine Zusammenarbeit von Forschungsgruppen aus Kaiserslautern und München: Beteiligt sind die Gruppen Molekulare Genetik (RPTU, geleitet von Prof. Dr. Zuzana Storchová), Zellbiologie (RPTU, geleitet von Prof. Dr. Johannes M. Herrmann) und Systembiologie neurodegenerativer Erkrankungen (LMU-München, geleitet von Prof. Dr. Christian Behrends).