Förderung zur Erforschung der Musikphysiotherapie

Mithilfe von biomechanischen Bewegungsanalysen soll bundesweit die physiotherapeutische Behandlung von darstellenden KünstlerInnen verbessert werden (Foto: Hochschule Osnabrück).

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt das Projekt „RefLabPerform“ (Referenzlabor Performing Artists) an der Hochschule Osnabrück mit rund 1,1 Millionen Euro. Es soll die Behandlung von darstellenden KünstlerInnen bundesweit weiter voranbringen.

„Wir werden unsere klinischen Erfahrungen, die wir in der Behandlung darstellender Künstlerinnen und Künstler über Jahre gesammelt haben, mit den Ergebnissen verbinden, die wir im Labor bei der biomechanischen Bewegungsanalyse sammeln“, erklärt Prof. Christoff Zalpour, Sprecher der Forschungsgruppe.

Prof. Dirk Möller veranschaulicht das Projektvorhaben am Beispiel einer Cellistin. „Wenn sie aufgrund von Schmerzen beim Spielen zu uns kommt, wird sie zunächst händisch im Sitzen, Stehen, mit und ohne Instrument befundet. Das bedeutet: Ich stelle als Physiotherapeut Hypothesen auf, wo die eigentliche Ursache des Problems liegt.“ Im Anschluss erfolge die Erhebung der biomechanischen Daten mithilfe von hochkomplexen Sensorsystemen im Labor. Hier können Infrarotkameras eingesetzt sowie Sensoren zur Erfassung der Bewegung oder Muskelaktivität auf Körpersegmente wie Hand und Arm geklebt werden. Die Sensoren berechnen daraus beispielsweise Gelenkstellung, Bewegungsgeschwindigkeit oder Muskelaktivität.

Die gesammelten Daten werden elektronisch verarbeitet und zusammengeführt. So kann der Physiotherapeut seine Hypothesen mit der biomechanischen Analyse abgleichen, die Behandlung optimieren und zusätzlich eine geeignete Präventions- und Rehabilitationsstrategie ableiten. Während der Behandlung können weitere Laboranalysen gemacht werden, sodass Veränderungen an Muskeln und Gelenken sofort erkennbar sind. So können auch die Musizierenden schnell verstehen, wo ihr Problem liegt. „Ein aufgeklärter Patient versteht viel besser, was er für seine Gesundheit machen kann“, erklärt Möller.

Hochschulangaben zufolge besteht ein großer Bedarf an physiotherapeutischen Behandlungen von darstellenden KünstlerInnen, zu denen neben den InstrumentalistInnen auch die Bereiche Tanz und Gesang zählen. In Deutschland gibt es laut der Deutschen Orchestervereinigung 129 Berufsorchester (Stand Januar 2020), die hohen Belastungen durch Üben, Proben und Auftritte ausgesetzt sind. Obwohl ein hoher Bedarf besteht, sind nur wenige Physiotherapiepraxen auf die individuelle Behandlung von Musizierenden ausgelegt. Ziel des Projektes ist es daher, Physiotherapie für darstellende KünstlerInnen bundesweit als eigene Disziplin wie beispielsweise Sportphysiotherapie weiter zu etablieren und der Mangelversorgung entgegenzuwirken.

Durch das Referenzlabor könnten erstmalig biomechanische Daten in die physiotherapeutische Analyse automatisiert einbezogen werden. Anschließend könnten individuelle Handlungsanleitungen für PhysiotherapeutInnen in ganz Deutschland gegeben werden, sodass der Patient oder die Patientin auch am Heimatort behandelt werden kann. „Wir können eine Sprache mit Therapeutinnen und Therapeuten sprechen, die, selbst wenn sie keine Musikphysiotherapieausbildung haben, wissen, was das Problem ist und wie es behandelt werden kann“, erklären Zalpour und Möller.

Zum Hintergrund:
Im Institut für angewandte Physiotherapie und Osteopathie der Hochschule Osnabrück gibt es bereits seit 2007 die Musikersprechstunde. 2012 nahm ein Forschungsteam im Binnenforschungsschwerpunkt „MusikPhysioAnalysis“ seine Arbeit auf. 2012 und 2018 war die Hochschule Gastgeberin des internationalen Musikphysio-Kongresses, was die starke internationale Vernetzung zeigt. Die Forschungserfolge basieren auch auf dem etablierten Austausch mit Partnern aus Wissenschaft und Praxis. Dazu gehören die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, die Deutsche Orchestervereinigung, die University of Sydney, die Deutsche Gesellschaft für Musikphysiologie und Musikermedizin, die Performing Arts Medicine Association sowie die Firma Velamed Medizintechnik GmbH.
Insgesamt forschen im Projekt „RefLabPerform“ sieben WissenschaftlerInnen der Hochschule Osnabrück in einem interdisziplinären Team.