Forscher finden neuen Erklärungsansatz für Pädophilie28. Februar 2018 Die Betrachtung von Jungtieren im Vergleich zu ausgewachsenen Tieren löst bei pädophilen Männern verstärkte Aktivität in verschiedenen Hirnarealen aus (gelbe Flächen), während die Aktivität bei Kontrollpersonen vergleichsweise schwächer ist. Der gelbe Pfeil zeigt auf die Aktivitätsverhältnisse im linken vorderen Inselkortex. Dieses Hirnareal ist üblicherweise aktiviert, wenn Mütter ihr eigenes Kind sehen. (Abb.: Dr. Jorge Ponseti) Ein Forschungsteam norddeutscher Universitäten hat neue Hinweise auf mögliche Ursachen der Pädophilie bei Männern gefunden. In einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Studie konnten Forscher des Kieler Instituts für Sexualmedizin und forensische Psychiatrie und Psychotherapie der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, gemeinsam mit Wissenschaftlern anderer norddeutscher Universitäten erstmals eine Störung des sogenannten Brutpflegesystems im Gehirn als möglichen Erklärungsansatz identifizieren. Zahlreiche Vorgängerstudien beschäftigten sich bei der Suche nach Erklärungen für pädophile Störungen vor allem mit dem Paarungssystem, also den Reaktionen des Gehirns auf sexuelle Reize, den damit verbundenen Mechanismen der Impulskontrolle und möglichen hirnanatomischen Veränderungen. Im Gegensatz dazu konzentrierte sich das Kieler Forschungsteam nun auf Gehirnaktivitäten, die das Brutpflegeverhalten steuern. Männer sind anders als die meisten männlichen Säugetiere zu ungewöhnlich ausgeprägten Brutpflegetätigkeiten in der Lage. Sie verfügen also über ein breites Spektrum an sozialen Fertigkeiten, mit denen sie sich um ihren Nachwuchs kümmern können. Dieses Verhalten steht bei Säugetieren einschließlich des Menschen mit einer bestimmten hormonellen Regulation in Verbindung. Das Forschungsteam der CAU vermutete aufgrund ihrer vorgegangenen Arbeiten eine mögliche Überaktivität des Brutpflegesystems bei pädophilen Männern. „In unserer Untersuchung haben wir uns erstmals mit Mechanismen im Gehirn der Betroffenen befasst, die nicht mit der Sexualität in Verbindung stehen. Die Ursachen für Pädophilie sind vielschichtiger als bisher angenommen und hängen möglicherweise auch mit einer Sexualisierung der Brutpflege zusammen“, betonte Psychologe Dr. Jorge Ponseti, Leiter der Kieler Studie. Die Wissenschaftler untersuchten, welche Reaktionen pädophile Männer auf Bilder von jungen und ausgewachsenen Tieren zeigen und nahmen dabei magnetresonanztomographische Messungen (MRT) des Gehirns vor. Es zeigte sich, dass die subjektive Wahrnehmung dieser Bilder sich bei pädophilen Männern und einer gesunden Kontrollgruppe nicht unterschied. Allerdings ergaben die MRT-Messungen, dass sich die Hirnantwort der Betroffenen beim Betrachten der Jungtiere deutlich verstärkte. Dabei handelte es sich um Aktivitäten in bestimmten Hirnarealen, etwa dem linken vorderen Inselkortex, die zum Beispiel auch aktiv sind, wenn Mütter ihr eigenes Kind anschauen. Die Kieler Forschenden schlossen daraus, dass Pädophilie auch mit einer Störung des männlichen Brutpflegesystems in Verbindung stehen kann. Diese neu entdeckten Zusammenhänge wollen die Wissenschaftler nun in nachfolgenden Studien überprüfen. Ein Ansatz, dem sie dabei nachgehen wollen, liegt in der Konzentration bestimmter Hormone, die im weiblichen Organismus mit Beginn der Wechseljahre sinkt. Sie bewirkt bei Frauen, dass sich das Brutpflegesystem verändert und sie zum Beispiel weniger stark auf das Kindchenschema reagieren. Das Forschungsteam will prüfen, ob eine medikamentöse Hormon-Regulierung bei betroffenen Männern eine ähnliche Wirkung zeigt. „Dieser Therapieansatz böte die Chance, eine pädophile Neigung viel zielgerichteter zu behandeln als das heute möglich ist“, zeigte sich Ponseti optimistisch. Originalpublikation: Ponseti J et al.: Frontiers in Human Neuroscience, 23. Januar 2018
Mehr erfahren zu: "Experte für Gedächtnisforschung zum Honorarprofessor der Universität Magdeburg ernannt" Experte für Gedächtnisforschung zum Honorarprofessor der Universität Magdeburg ernannt Als Honorarprofessor stärkt Dr. Michael Kreutz die Lehre und Forschung im Bereich der Neurowissenschaften an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Mehr erfahren zu: "Streeck warnt vor leichter Zugänglichkeit von Drogen" Streeck warnt vor leichter Zugänglichkeit von Drogen „Per Taxi ins Jugendzimmer“: Der Bundesdrogenbeauftragte sieht die leichte Verfügbarkeit von Rauschgift als große Gefahr. Eine Droge bereitet ihm besonders große Sorgen.
Mehr erfahren zu: "Lassen sich Depressionen und Schmerzen über das Ohr bekämpfen?" Lassen sich Depressionen und Schmerzen über das Ohr bekämpfen? Depressionen, Schlafstörungen, Schmerzen – Millionen Menschen leiden unter langwierigen medizinischen Problemen. Forschende der Hochschule Fresenius und der Universität Düsseldorf arbeiten an einer ungewöhnlichen Lösung. Ausgerechnet das Ohr wird dabei wichtig.