Forscher: Über 65-Jährigen mit Harnwegsinfektionen früh Antibiotika geben 

Antibiotika gegen HWI: Bei Älteren kommt es auf einen schnellen Therapiestart an. Foto: Destina – Fotolia.com

Zunehmend wird vor dem übermäßigen Einsatz von Antibiotika gewarnt. Doch es gibt auch Patienten, die sofort damit behandelt werden sollten. Wie eine aktuelle britische Studie zeigt, sind Harnwegsinfektionen (HWI) bei über 65-Jährigen mit höherem Sepsisrisiko verbunden, wenn sie keine oder erst spät Antibiotika verschrieben bekommen. 

Die Studie im “British Medical Journal” (The BMJ) kommt zu dem Ergebnis, dass eine verzögerte Antibiotikagabe bei über 65-Jährigen mit einem erhöhten Risiko für Sepsis und Tod verbunden ist. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ältere Erwachsene (vor allem Männer über 85) nach der Diagnose so schnell wie möglich mit Antibiotika beginnen sollten, um schwerwiegende Komplikationen zu vermeiden. 

HWI sind die häufigsten bakteriellen Infektionen bei älteren Patienten. Bedenken hinsichtlich der Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen haben zu einer Verringerung des Antibiotikaeinsatzes in England geführt. Dies könne jedoch gefährdeten älteren Patienten schaden, denn sie sind häufiger durch HWI-bedingte Komplikationen gefährdet. Ein britisches Forscherteam untersuchte daher die Verschreibungsmuster von Antibiotika und die anschließenden klinischen Ergebnisse bei älteren Patienten. 

Sie nutzten die Daten aus der Primärversorgung, die mit Krankenhäusern und Sterblichkeitsdaten in ganz England verknüpft waren, um zwischen 2007 und 2015 mehr als 300.000 HWI bei mehr als 150.000 Patienten im Alter von 65 Jahren oder älter zu analysieren. 

Das Durchschnittsalter der Teilnehmer betrug 77 Jahre, die meisten Fälle (79%) waren Frauen und die Nachbeobachtungszeit betrug 60 Tage nach der Diagnose. 

Die Forscher verglichen dann die Ergebnisse für die 87 Prozent der Patienten, denen sofort (am Tag der Diagnose) Antibiotika verschrieben wurden, mit den sechs Prozent, die erst später Antibiotika bekamen (Rezept innerhalb von 7 Tagen) und den sieben Prozent, die keine Antibiotika hatten (kein Rezept innerhalb von sieben Tagen). 

Signifikant höhere Rate an Blutinfektionen

Nach Berücksichtigung potenziell einflussreicher Faktoren waren Blutinfektionen und Mortalitätsraten in den Gruppen ohne und mit verzögerten Verordnungen im Vergleich zu Sofortverordnungen signifikant höher. 

Die Forscher schätzen, dass durchschnittlich unter 37 Patienten, die keine Antibiotika erhalten haben, und unter 51 Patienten, deren Behandlung mit Antibiotika zurückgestellt wurde, ein Fall von Sepsis auftreten würde, der bei einem sofort verordneten Antibiotikum nicht aufgetreten wäre. 

Sie fanden auch heraus, dass die Rate der Krankenhauseinweisungen bei Patienten ohne und mit verzögerten Verschreibungen etwa doppelt so hoch war (27%) im Vergleich zu Patienten mit Sofortverschreibungen (15%). 

Besonders gefährdet waren ältere Männer, insbesondere diejenigen, die über 85 Jahre alt waren und diejenigen, die in sozial benachteiligten Gebieten lebten. 

Die Autoren betonen, dass es sich um eine Beobachtungsstudie handelt, sodass kein ursächlicher Zusammenhang hergestellt werden kann, denn es ist nicht auszuschließen, dass nicht gemessene Faktoren oder fehlende Daten die Ergebnisse beeinflusst haben. 

Ihre Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass Ärzte “eine frühzeitige Verschreibung von Antibiotika für diese anfällige Gruppe älterer Erwachsener in Betracht ziehen, angesichts ihrer erhöhten Anfälligkeit für Sepsis nach HWI und trotz eines zunehmenden Drucks, den unangemessenen Einsatz von Antibiotika zu reduzieren”, schreiben Myriam Gharbi und Kollegen. Auf das HWI-Management bei älteren Männern und Menschen in benachteiligten Gemeinschaften müsse besondere Sorgfalt angewendet werden, schließen sie. 

(The BMJ /ms)

Publikation:

Gharbi M, Drysdale JH, Lishman H et al. Antibiotic management of urinary tract infection in elderly patients in primary care and its association with bloodstream infections and all cause mortality: population based cohort study. BMJ 2019;364:l525