Forschungspreis für Gerinnungshemmer bei Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern und Stent-Effektivität

Ausgezeichnete Forscher: Eva Freisinger und Thorsten Kessler. Fotos: Privat/DHM

Die Forscherin Dr. Eva Freisinger von der Universitätsklinik Münster und der Wissenschaftler PD Dr. Thorsten Kessler vom Deutschen Herzzentrum München erhalten den renommierten August Wilhelm und Lieselotte Becht-Forschungspreis der Deutschen Stiftung für Herzforschung mit einem Preisgeld von 15.000 Euro.

Risiken durch eine Gerinnungshemmung mit Neuen Oralen Antikoagulanzien (NOAK) bei Erwachsenen mit angeborenem Herzfehler (EMAH) und erneute Einengungen von Herzkranzgefäßen nach einer Stentimplantation sind Gegenstand von zwei Forschungsarbeiten, die mit dem renommierten August Wilhelm und Lieselotte Becht-Forschungspreis der Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF) in Höhe von insgesamt 15.000 Euro ausgezeichnet wurden. Der Preis geht in diesem Jahr zu gleichen Teilen an Dr. Eva Freisinger von der Klinik für Kardiologie I: Koronare Herzkrankheit, Herzinsuffizienz und Angiologie am Universitätsklinikum Münster und an PD Dr. Thorsten Kessler von der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen am Deutschen Herzzentrum München (DHM).

„Beide Forschungsarbeiten haben das Ziel, das Komplikationsrisiko medikamentöser beziehungsweise interventioneller Therapien bei Patienten mit angeborenen und erworbenen Herzerkrankungen zu senken und leisten so einen wichtigen Beitrag zu mehr Patientensicherheit“, betont der Herzchirurg Prof. Armin Welz, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der DSHF.

Risiko orale Antikoagulanzien?

Bei rund einem Prozent aller Lebendgeburten liegt ein Herzfehler vor. Dank operativer, interventioneller und medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten erreichen viele der betroffenen Kinder inzwischen das Erwachsenenalter. So leben europaweit schätzungsweise mehr als 2,5 Millionen EMAH, in Deutschland allein bis 300.000. Viele von ihnen haben zeitlebens ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, etwa für Herzrhythmusstörungen und eine damit verbundene Gefahr für Blutgerinnsel und Schlaganfälle. Die hiergegen zum Schutz eingesetzte Standardtherapie mit Vitamin K-Antagonisten (VKA) wie Marcumar wurde in den letzten Jahren durch die Medikamentengruppe der NOAK deutlich verbessert.

„Die Substanzen beugen effektiv Blutgerinnseln, Schlaganfällen und Lungenembolie bei vergleichsweise geringem Blutungsrisiko vor, sind leichter einzunehmen und haben weniger Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Nahrungsmitteln“, so Freisinger, Oberärztin an der der Klinik für Kardiologie 1 am Universitätsklinikum Münster. „Allerdings lässt sich die Erfahrung bei normalen Herzpatienten nicht ohne weiteres auf EMAH übertragen, wie unsere Sicherheitsanalyse ergeben hat.“ Hierbei zeigte sich, dass es bei einer Therapie mit NOAK im Vergleich zur Marcumar (VKA)-Therapie häufiger zu Blutgerinnseln kam (3,8 vs. 2,8%), außerdem zu mehr Blutungen (11,7 vs. 9,0%). Die Gesamtsterblichkeit nach einem Jahr Therapie lag mit NOAK bei 4,0% bei Marcumar bei 2,8%. Die Angiologin zieht aus ihrer Analyse den Schluss, dass NOAK zur medikamentösen Blutverdünnung bei EMAH nicht standardmäßig empfohlen werden sollten. Die Verordnung sollte nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung spezialisierten EMAH-Kardiologen vorbehalten bleiben.

Restenosen nach Stentimplantation vermeiden

Die koronare Herzkrankheit (KHK) und ihre Folgen sind die Haupttodesursachen in Industrienationen. Grundpfeiler der Behandlung ist es, die Durchblutung des Herzgewebes zu verbessern (Myokardrevaskularisation), etwa durch Bypass-Operationen oder Herzkatheter-Eingriffe zur Aufdehnung von Engstellen in den Herzkranzgefäßen mit Hilfe eines Ballons oder eines Stents. Diese perkutanen Koronarinterventionen (PCI) haben sich insbesondere durch die Entwicklung von Koronarstents maßgeblich weiterentwickelt. Es gibt jedoch weiterhin zwei Komplikationen, die den Nutzen dieser Verfahren maßgeblich einschränken: Das Verstopfen des Stents durch Blutgerinnsel (Stentthrombose), dessen Risiko durch Einnahme von Plättchenhemmern reduziert werden kann, und die erneute Einengung der Koronargefäße durch Gewebeproliferation, die sogenannte Restenose.

Kessler hat in seiner Forschungsarbeit das Ziel verfolgt, neue Angriffspunkte für Stentbeschichtungen zu identifizieren, um das Restenose-Risiko zu verringern. Dabei hat er unter anderem den Ionenkanal TRPC6 als mögliches neues therapeutisches Zielmolekül identifiziert. „Wir haben TRPC6 nur in geschädigten Gefäßen und nur zum frühesten Zeitpunkt nachgewiesen, was auf eine kausale Rolle in der Neointima-Bildung hinweisen könnte“, erläutert Kessler. Diese Hypothese ließ sich bestätigen, indem in einem weiteren Versuch der Ionenkanal TRPC6 genetisch ausgeschaltet wurde und danach tatsächlich weniger Neointima-Bildung auftrat. In Zellkultur-Experimenten konnten Kessler und sein Team zudem zeigen, dass eine Beschichtung mit einem TRPC6-Hemmer das Bewandern mit glatten Gefäßmuskelzellen verhinderte. Die Funktion des Proteins als Ionenkanal ist auch plausibel: TRPC6 leitet beispielsweise Ca2+-Ionen in glatte Gefäßmuskelzellen, was wiederum Proliferation und Migration beeinflusst. In künftigen Arbeiten soll nun untersucht werden, ob eine zusätzliche Beschichtung von Stents mit TRPC6-Inhibitoren bei KHK-Patienten das Restenose-Risiko verringern kann.