Fortgeschrittener Prostatakrebs nach Empfehlung gegen PSA-Screening häufiger aufgetreten

Die Bestimmung des Prostataspezifischen Antigens (PSA) im Blut ist ein wichtiges Instrument zur Prostatakrebsdiagnostik. Symbolbild: luchschenF – stock.adobe.com

Reduziertes Prostatakrebs(PCa)-Screening aufgrund einer Negativempfehlung hat sich auch in Australien offenbar negativ ausgewirkt: Forscher aus dem Bundesstaat New South Wales (NSW) berichten über ein verstärktes Auftreten fortgeschrittener Stadien nach radikaler Prostatektomie (RP). Dieses Phänomen ist bekannt als Stadienmigration.

Von Markus Schmitz

Das Royal Australasian College of General Practitioners (RACGP) hatte im Jahr 2009 vom PSA-basierten PCa-Screening abgeraten. Jonathan Kam von der Sydney Medical School und Kollegen wollten zunächst einmal herausfinden, ob das PCa-Screening seitdem tatsächlich abgenommen hat. Im zweiten Schritt untersuchten sie, ob es eine Korrelation von Screening-Trends mit fortgeschritteneren Erkrankungen gibt, die nach der RP aufgefallen sind.

Die Wissenschaftler nutzten histopathologische Daten von Patienten, die sich zwischen 2007 und 2018 in NSW einer RP unterzogen, aus einer prospektiv geführten Pathologiedatenbank von Douglass Hanly Moir, dem größten Pathologieanbieter in NSW. Die PSA-Test­raten ermittelten sie über die ­Medicare-Statistics-Datenbank der australischen Regierung. Zudem erhoben sie Bevölkerungsdaten vom Australian Institute of Health and Welfare und vom Bureau of Statistics.

Jährlicher Anstieg nicht organbegrenzter Erkrankungen

Es zeigte sich, dass tatsächlich die Anzahl der PSA-Test in NSW zwischen 2009 und 2018 signifikant zurückging: von 8470 auf 4910 Tests pro 100.000 Männer, was einem jährlichen Rückgang von etwa 5% entspricht. Histopathologische Daten von 17.375 Patienten, die sich in diesem Zeitraum einer RP unterzogen, ergaben einen jährlichen Anstieg nicht organbegrenzter Erkrankungen bei RP um 5,4%, unabhängig vom Gleason-Grad. Die Forscher ermittelten eine starke Korrelation zwischen diesem Befund und dem Rückgang der PSA-Tests.

„Dies könnte darauf hindeuten, dass Patienten erst später mit einem fortgeschritteneren Krankheitsverlauf vorstellig wurden“, vermuten die Autoren, schränken jedoch ein, dass die Interpretation dieser Ergebnisse 2 Faktoren berücksichtigen muss: zum einen die zunehmende Anwendung der aktiven Überwachung bei niedriggradigem PCa oder solchem mit günstig-intermediärem Risiko sowie zum anderen der potenziell zunehmende Einsatz der Operation bei PCa mit höherem Volumen oder Tumorgrad bei Diagnose.

Die meisten internationalen Leitlinien sowie die Leitlinien der Prostate Cancer Foundation of Australia empfehlen mittlerweile ein PCa-Screening für Männer im Alter von 50–69 Jahren. „Es ist begrüßenswert, dass die neuesten RACGP-Leitlinien von 2024 aktualisiert wurden, um die neuen Erkenntnisse zur Unterstützung des PCa-Screenings zu berücksichtigen“, so der hoffnungsvolle Ausblick von Kam und Kollegen.

Auch in Deutschland rät die aktuelle PCa-S3-Leitlinie für die Früherkennung zum PSA-Test und nicht mehr zur digital-rektalen Untersuchung (wir berichteten). Der Gemeinsame Bundesausschuss hat im Sommer einen Antrag der Patientenvertretung angenommen, um die Aufnahme des risikoadaptierten PCa-Screenings mittels PSA und Magnetresonanztomographie in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen.