Frauen mit Querschnittlähmung: Neuartiges Gerät soll selbstständiges Katheterisieren erleichtern

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Forscher am Fraunhofer IPA in Stuttgart entwickeln im Projekt 2LIP ein Gerät, das querschnittgelähmten Frauen das selbstständige Katheterisieren erleichtern soll.

Anders als bei Männern ist die Harnröhre bei Frauen im Körper verborgen. Das erschwert den Patientinnen den selbstständigen Tausch eines Katheters, weshalb sie häufig auf Unterstützung von Pflegepersonal angewiesen sind. Dies kann für Betroffene nicht nur unangenehm sein, es erhöht auch das Risiko für Harnwegsinfektionen – und damit langfristig auch die Wahrscheinlichkeit, an Blasenkrebs zu erkranken, heißt es in der Pressemitteilung der Fraunhofer-Gesellschaft.

Mehr Privatsphäre für Patientinnen

Hier möchte Dr. Urs Schneider, Arzt und wissenschaftlicher Direktor für Gesundheits- und Bioproduktionstechnik am Fraunhofer IPA in Stuttgart, helfen. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen entwickelt er im Projekt 2LIP ein Gerät, das querschnittgelähmten Frauen das selbstständige Katheterisieren erleichtern soll. „Die Situation auf der Toilette ist für Betroffene oft sehr belastend, es handelt sich um ein schambehaftetes Thema“, so Schneider. „Mit unserem Hilfsmittel möchten wir querschnittgelähmten Patientinnen ihre Intimität zurückgeben“, erklärt er.

Dafür hat das Team eine Art Sitzschale entwickelt, die Patientinnen nutzen können, ohne den Rollstuhl verlassen oder nach vorne rutschen zu müssen. Zwei Schalen halten die Beine der Patientinnen leicht auseinander: Mussten sie diese bisher um etwa 110 Grad spreizen, damit sie sich selbst einen neuen Katheter einführen konnten, ist mit dem neuen Gerät nur noch eine Spreizung von 20 Grad erforderlich. Mithilfe eines Hebels können die Patientinnen anschließend selbstständig sanft und mit wenig Kraftaufwand ihre Schamlippen öffnen. Eein integrierter Spiegel und eine Lampe geben der Patientin Einblick in ihren Intimbereich und erleichtern ihr damit das selbstständige, hygienische Einführen des Katheters.

Vorteile auch für Pflegekräfte

Auch Pflegekräfte profitierten von der Entwicklung, heißt es weiter. Das Gerät entlaste sie psychologisch, körperlich sowie zeitlich und helfe, die Qualität der Pflege zu verbessern. Erste Prototypen des Hilfsmittels zum Katheterisieren gebe es bereits und das Feedback von Patientinnen, Pflegenden und Versicherungen falle nach ersten Tests überaus positiv aus.

Aktuell arbeiten die Forschenden nach eigenen Angaben an vier bis sechs unterschiedlichen geometrischen Formen, damit sich das Gerät an möglichst viele Anatomien anpassen lässt. Außerdem plant das Team die Gründung eines Start-ups und eine umfassende Erprobungsstudie. Bereits in zwei bis drei Jahren könnte das Gerät auf den Markt kommen, sagen die Forscher.