Frühe rhythmuserhaltende Behandlung nützt Menschen mit Vorhofflimmern auch bei erblicher Veranlagung12. Juni 2023 Symbolbild: ©Vadi Fuoco/stock.adobe.com Eine jüngst in „Cardiovascular Research“ veröffentlichte Untergruppenanalyse der Studie EAST – AFNET 4 zeigt, dass der frühe Rhythmuserhalt kardiovaskuläre Komplikationen bei Menschen mit Vorhofflimmern verhindert, auch wenn deren Risiko für Vorhofflimmern und Schlaganfälle genetisch erhöht ist. EAST – AFNET 4 (Early Treatment of Atrial Fibrillation for Stroke Prevention) hat belegt, dass eine rhythmuserhaltende Therapie mittels Antiarrhythmika oder Katheterablation, wenn sie im ersten Jahr nach der Diagnose Vorhofflimmern begonnen wird, die Prognose von Betroffenen mit kardiovaskulären Risikofaktoren verbessert. Eine frühzeitige rhythmuserhaltende Therapie mit Medikamenten und/oder Ablation führte im Vergleich zur üblichen Behandlung zu weniger Herz-Kreislauf-bedingten Todesfällen, Schlaganfällen und Krankenhausaufenthalten wegen Verschlechterung einer Herzschwäche oder akutem Koronarsyndrom. In der Studie wurden 2789 Patienten mit kürzlich diagnostiziertem Vorhofflimmern (innerhalb eines Jahres nach Diagnose) und kardiovaskulären Risikofaktoren in den beiden Studiengruppen „früher Rhythmuserhalt (early rhythm control (ERC))“ und „übliche Behandlung (usual care (UC))“ über einen Zeitraum von fünf Jahren behandelt und beobachtet. Die Ursachen für Vorhofflimmern und Schlaganfälle sind vielfältig. Auch erbliche Veranlagung kann eine Rolle spielen. Das genetische Risiko lässt sich quantitativ beschreiben durch polygenetische Risiko-Scores, bei denen Daten aus großen Genom-weiten Assoziationsstudien verwendet werden. Zusammen mit dem Broad Institute of MIT and Harvard in Cambridge, USA, wurden diese Risk Scores in der Studie EAST – AFNET 4 getestet. Dr. Shinwan Kany vom Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) Hamburg erklärt: „Frühere Studien deuten darauf hin, dass bei Patient:innen mit einer genetischen Veranlagung für Vorhofflimmern während einer rhythmuserhaltenden Therapie mehr Vorhofflimmer-Rezidive auftreten können. Außerdem fanden Studien, in denen Schlaganfall-Risiko-Scores ausgewertet wurden, Vorhofflimmerpatient:innen, deren Schlaganfallrisiko erhöht war, obwohl es nach dem CHA2DS2-VASc Score (Berücksichtigung von nichterblichen Risikofaktoren) niedrig sein müsste. Dies lässt vermuten, dass eine frühe rhythmuserhaltende Therapie bei Menschen mit einem erhöhten genetischen Risiko für Vorhofflimmern möglicherweise weniger wirksam oder weniger sicher sein könnte. Um das zu klären, untersuchen wir hier in der EAST-AFNET-4-Bioproben-Studie den Zusammenhang zwischen genetischem Vorhofflimmern, Schlaganfallrisiko und kardiovaskulären Komplikationen.“ Im Rahmen der Bioproben-Substudie wurden Teilnehmer der EAST-AFNET-4-Studie gebeten, für spätere Analysen eine Blutprobe abzugeben. Für die aktuelle Auswertung wurden Blutproben von 1567 der insgesamt 2789 Studienpatienten analysiert. 793 von ihnen gehörten der Studiengruppe früher Rhythmuserhalt an, 774 der Gruppe übliche Behandlung. Das mittlere Alter lag bei 71 Jahren, der Frauenanteil bei 44 Prozent. Wie in der Hauptstudie reduzierte der frühe Rhythmuserhalt auch in der Bioproben-Population die kardiovaskulären Komplikationen (Hazard Ratio [HR] 0,67; p<0,001) und zeigte keine Wechselwirkung mit den genetischen Risiken für Vorhofflimmern (PRS-AF: pInteraktion=0,806) und Schlaganfall (PRS-Stroke: pInteraktion=0,765). Wie erwartet ging ein genetisches Vorhofflimmerrisiko mit wiederkehrendem Vorhofflimmern einher. Das zurechenbare Risiko war allerdings nur mäßig (HR 1,08), was die Wirksamkeit einer modernen rhythmuserhaltenden Therapie für das gesamte genetische Vorhofflimmerrisikospektrum unterstreicht. Unerwartet war der Einfluss eines genetischen Schlaganfallrisikos auf die Komplikationen (HR 1,13; p=0,048): Es führte zu mehr Herzschwäche-Ereignissen (HR 1,23; p=0,010), aber nicht zu mehr Schlaganfällen (HR 1,0; p=0,973) in dieser gut antikoagulierten Kohorte. Der Zusammenhang zwischen genetischem Schlaganfallrisiko und Krankenhauseinweisungen wegen Herzschwäche wurde durch eine Untersuchung in der UK Biobank bestätigt. Dies ist eine prospektiven Kohortenstudie mit mehr als 500.000 Teilnehmern in Großbritannien. In der Vergleichsanalyse ging das genetische Schlaganfallrisiko einher mit Vorhofflimmern (HR 1,16; p<0,001) und mit Herzschwäche (HR 1,08; p<0,001), wobei der Zusammenhang mit Herzschwäche weniger ausgeprägt war, wenn Vorhofflimmerpatienten ausgeschlossen wurden (HR 1,03; p=0,001). Der wissenschaftliche Leiter der Studie, Prof. Paulus Kirchhof, UKE Hamburg, fasst zusammen: „Unsere Bioproben-Substudie zeigt: Der frühe Rhythmuserhalt bei Vorhofflimmern ist wirksam und sicher für das gesamte genetische Risikospektrum. Unsere Ergebnisse unterstützen den Einsatz einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie unabhängig von genetischen Risiken für Vorhofflimmern und Schlaganfall. Der Zusammenhang zwischen genetischem Schlaganfallrisiko und Herzschwäche erfordert weitere Forschung, um zu verstehen, wie genetisches Risiko, kardiovaskuläre Erkrankungen und Behandlung zusammenwirken.“
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