Frühe Studienergebnisse: Antiretrovirale Langzeittherapie mit Protease-Inhibitoren verhindert möglicherweise SARS-CoV-2-Infektion28. März 2022 SARS-CoV-2 (Abbildung: © Production Perig/stock.adobe.com) Personen, die aufgrund einer Infektion mit dem Humanen Immundefizienz-Virus (HIV) eine antiretrovirale Therapie (ART) mit Protease-Inhibitoren erhalten, besitzen möglicherweise ein geringeres Risiko für eine SARS-CoV-2-Infektion. Darüber werden Wissenschaftler auf dem diesjährigen European Congress of Clinical Microbiology & Infectious Diseases (ECCMID) in Lissabon (Portugal) berichten. Die Studie wurde von Dr. Steve Nguala vom Intercommunal Hospital Center in Villeneuve-Saint-Georges und dem Allgemeinen Krankenhaus von Melun (beide Frankreich) und Kollegen durchgeführt. Ihre Ergebnisse seien zwar wichtig, betonen die Autoren – es handele sich jedoch um frühe Beobachtungen aus einer nur kleinen Beobachtungsstudie, die deshalb nicht als schlüssiger Beweis dafür gewertet werden sollten, dass die langfristige Anwendung von Protease-Inhibitor Menschen mit HIV vor COVID-19 schützt. Eine antiretrovirale Therapie sei bereits im Jahr 2003 als schützender Faktor gegen das schwere akute respiratorische Syndrom (SARS) vorgeschlagen worden, jedoch habe die geringe Fallzahl in der Studie keine echten Schlussfolgerungen zugelassen. Um die Auswirkungen einer Langzeitanwendung von Protease-Inhibitoren bei Patienten mit HIV auf die Inzidenz von COVID-19 zu bewerten, führten Nguala und Kollegen eine multizentrische Kohortenstudie in sechs französischen Krankenhäusern durch. Zwischen dem 1. Mai 2020 und dem 31. Mai 2021 nahmen sie 169 Menschen mit HIV in ihre Untersuchung auf, die eine ART mit Protease-Inhibitoren erhielten. Ebenfalls in die Studie eingeschlossen wurden 338 Patienten mit HIV, die eine ART ohne Protease-Inhibitoren erhielten. Bei keinem der Teilnehmer war zuvor COVID-19 diagnostiziert worden, das Durchschnittsalter lag bei 50 Jahren (48% Frauen; 52% Männer). Von den Teilnehmern, die Protease-Inhibitoren erhielten, nahmen mehr als drei Viertel Darunavir/Ritonavir ein (131/169; 77%), während etwa acht Prozent Atazanavir/Ritonavir verwendeten (14/169). Die übrigen Patienten wurden mit anderen Protease-Inhibitoren behandelt (24/169;14%). Im Durchschnitt dauerten die jeweiligen Protease-Inhibitor-Therapien zum Zeitpunkt der Rekrutierung für die Studie schon mindestens ein Jahr an. Alle Patienten wurden während der üblichen HIV-Nachsorge (alle 6 Monate) regelmäßig klinisch untersucht und auf COVID-19 getestet. Mittels Modellierung identifizierten die Studienautoren potenzielle Risikofaktoren im Zusammenhang mit COVID-19. Während des einjährigen Follow-up – wobei einige Patienten in beiden Gruppen für die Nachbeobachtung verloren gingen – erkrankten zwölf Prozent (18/153) der Teilnehmenden unter Protease-Inhibitor-Therapie sowie 22 Prozent (61/283) derjenigen ohne Protease-Inhibitoren an COVID-19 (ermittelt durch positive SARS-COV-2-Serologie am Ende der Studie, während vier Patienten in der Gruppe ohne Protease-Inhibitoren wegen COVID-19 hospitalisiert wurden. Nach Anpassung an Faktoren, die mit einem erhöhten COVID-19-Risiko verbunden sind – darunter Geschlecht, Alter, CD4-Zellzahl, Anzahl der im Haushalt lebenden Personen, Kontakt mit einem positiven COVID-19-Fall – stellten die Wissenschaftler fest, dass die Patienten in der Protease-Inhibitor-Gruppe im Vergleich zu denjenigen ohne Protease-Inhibitor-Therapie eine um 70 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit dafür hatten, an COVID-19 zu erkranken. Patienten in beiden Gruppen, die in den 14 Tagen vor ihrer Konsultation Kontakt mit einem COVID-19-Fall hatten, wurden mit doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit positiv auf COVID-19 getestet, während diejenigen, die mit mindestens drei anderen Personen im selben Haushalt lebten, dreimal so wahrscheinlich positiv getestet wurden. Bei Patienten mit Ageusie wurde mit sechsmal höherer Wahrscheinlichkeit COVID-19 diagnostiziert. „Protease-Inhibitoren haben eine lange Anwendungsgeschichte, ein gutes Sicherheitsprofil und werden im Allgemeinen gut vertragen. Indem sie das Virus angreifen, bevor es sich vermehren kann, könnten sie die Möglichkeit bieten, die Ausbreitung von Infektionen und die Mutation zukünftiger Varianten zu verhindern“, erklärt Nguala. „Das geringere Auftreten von COVID-19 unter Patienten, die mit einem Protease-Inhibitor-basierten Regime behandelt wurden, wirft die Frage nach einer präventiven Wirkung auf, die weiter untersucht werden sollte. Weitere Studien mit einer größeren Anzahl von Patienten und Untersuchungen in randomisierten Studien mit Menschen ohne HIV sind erforderlich, um diese vorläufigen Ergebnisse zu bestätigen. Die Herausforderung besteht darin, in einem begrenzten Zeitraum belastbare Daten zu produzieren, die zu neuen Präventions- oder Therapiestrategien inspirieren können.“
Mehr erfahren zu: "DMKG: Moderne Migränetherapien werden zu wenig genutzt" DMKG: Moderne Migränetherapien werden zu wenig genutzt Seit Jahren sind wirksame und gut verträgliche Migräneprophylaktika verfügbar, deren Anwendung auch von der aktuellen S1-Leitlinie empfohlen wird. Doch viele Menschen mit schwerer Migräne erhalten diese Medikamente erst spät. Das […]
Mehr erfahren zu: "Typ-1-Diabetes: Gutes Aufwachsen geht nur zusammen und auf Augenhöhe" Typ-1-Diabetes: Gutes Aufwachsen geht nur zusammen und auf Augenhöhe Die Social-Media-Kampagne #SagEsLaut startet ihre dritte Aktion im Jahr 2025: „Kinder und Jugendliche mit Diabetes“. Wie wachsen Kinder mit Typ-1-Diabetes gut auf und wie wachsen Eltern mit ihnen mit? Zwei […]
Mehr erfahren zu: "Lassen sich Depressionen und Schmerzen über das Ohr bekämpfen?" Lassen sich Depressionen und Schmerzen über das Ohr bekämpfen? Depressionen, Schlafstörungen, Schmerzen – Millionen Menschen leiden unter langwierigen medizinischen Problemen. Forschende der Hochschule Fresenius und der Universität Düsseldorf arbeiten an einer ungewöhnlichen Lösung. Ausgerechnet das Ohr wird dabei wichtig.