Frühzeitige Krebsdiagnose dank Flüssigbiopsie?

Routinemäßige Blutuntersuchungen, sogenannte Flüssigbiopsien, könnten die Krebsvorsorge verbessern. Symbolbild: Parilov/stock.adobe.com

Schätzungen eines Simulationsmodells zufolge könnten routinemäßige Blutuntersuchungen – sogenannte Flüssigbiopsien – dazu beitragen, dass viele Krebsarten früher erkannt und Diagnosen im Endstadium deutlich reduziert werden.

Routinemäßige Vorsorgeuntersuchungen sind derzeit nur für wenige Krebsarten verfügbar. Außerdem erfordert jede Krebsart meist ein spezifisches Screening. Der Einsatz von Flüssigbiopsien in der Routine könnte das durch die gleichzeitige Früherkennung mehrerer Krebsarten möglicherweise ändern.

Neue Forschungsergebnisse deuten zumindest darauf hin, dass Flüssigbiopsien die Zahl der Krebsdiagnosen im Endstadium erheblich reduzieren könnten. Patienten könnten so bereits in früheren Krebsstadien behandelt werden, in denen die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Intervention höher ist. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Cancer“ veröffentlicht.

Gleichzeitige Früherkennung mehrerer Krebsarten

Derzeit werden in den USA nur für vier Krebsarten (Brust-, Gebärmutterhals-, Darm-, Lungenkrebs) Routineuntersuchungen empfohlen. In Deutschland werden zusätzlich auch Vorsorgeuntersuchungen für Prostata- und Hautkrebs von den Krankenkassen übernommen. Etwa 70 Prozent der neuen Krebsdiagnosen werden dennoch erst nach dem Auftreten von Symptomen gestellt. Die Tumoren sind demnach oft schon in einem fortgeschrittenen Stadium, in dem die Überlebensraten geringer sind. Sogenannte „Multi-cancer Early Detection Tests“ (MCED) bieten hier einen neuen Ansatz: die gleichzeitige Früherkennung mehrerer Krebsarten anhand einer einzigen Blutentnahme.

Um die Auswirkungen eines solchen Tests zu bewerten, verwendeten die Forschenden epidemiologische Daten aus der SEER-Datenbank (Surveillance, Epidemiology, and End Results). Sie entwickelten ein Simulationsmodell für 14 Krebsarten, die fast 80 Prozent der Krebserkrankungen und -sterblichkeit ausmachen. Anschließend simulierten die Forschenden den 10-jährigen Krankheitsverlauf von fünf Millionen US-amerikanischen Erwachsenen im Alter von 50 bis 84 Jahren. Dabei bewerteten sie, wie sich die Einbeziehung eines jährlichen blutbasierten MCED in die Standardversorgung auf die Ergebnisse auswirkt.

Schätzungsweise 45 Prozent weniger Diagnosen im Stadium IV

Nach Schätzungen des Modells würde die Implementation von MCEDs über einen Zeitraum von 10 Jahren zu einem Anstieg der Diagnosen im Stadium I um 10 Prozent, im Stadium II um 20 Prozent und im Stadium III um 30 Prozent führen. Für Diagnosen im Stadium IV schätzte das Modell dagegen einen Rückgang um 45 Prozent. Die größten absoluten Rückgänge bei den Diagnosen im Stadium IV verzeichnete das Modell bei Lungen-, Darm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die größten relativen Rückgänge ergaben sich bei Gebärmutterhals-, Leber- und Darmkrebs.

„Unsere Analyse zeigt, dass die blutbasierte Früherkennung mehrerer Krebsarten einen entscheidenden Beitrag zur Krebsbekämpfung leisten könnte“, sagt Dr. Jagpreet Chhatwal, Hauptautor der Studie und Direktor des Institute for Technology Assessment am Massachusetts General Hospital und der Harvard Medical School (USA).

„Durch die frühzeitige Erkennung von Krebserkrankungen – bevor sie sich ausbreiten – könnten diese Tests möglicherweise die Überlebensrate verbessern und sowohl die persönliche als auch wirtschaftliche Belastung durch Krebserkrankungen verringern.“

(mkl/BIERMANN)