G-CSF: Vielversprechender Kandidat zur Behandlung irreversibler Lungen- und Augenerkrankungen bei extrem Frühgeborenen

Als Reaktion auf einen hohen Sauerstoffgehalt zeigen die Lungen von Wildtyp-Mäusen (li) eine Vereinfachung und Vergrößerung der Alveolen, eine Verdickung der Septumwand (blauer Pfeil) und eine Leukozyteninfiltration (schwarze Pfeile) – Merkmale, die auch bei menschlichen Erkrankungen auftreten. Ein Mangel an G-CSF in Mäusen (G-CSF-/-) schützt die Lunge deutlich vor diesen Merkmalen (re).Illustration.© The American Journal of Pathology

Neue Erkenntnisse australischer Wissenschaftler weisen darauf hin, dass der Granulozyten-Kolonie-stimulierende Faktor (G-CSF) sowohl bei bronchopulmonaler Dysplasie (BPD) als auch bei Frühgeborenenretinopathie (ROP) eine Rolle spielt.

Die Fortschritte bei der Versorgung von Frühgeborenen führen zu verbesserten Überlebensraten. Allerdings nimmt die Häufigkeit neonataler Erkrankungen mit lebenslangen Folgen wie BPD und ROP zu. Eine neue Studie hat gezeigt, dass der G-CSF sowohl bei BPD als auch bei ROP eine Rolle spielt, was ihn zu einem vielversprechenden therapeutischen Kandidaten macht. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „The American Journal of Pathology“ veröffentlicht.

BPD tritt häufig zusammen mit ROP auf

BPD, auch chronische Lungenerkrankung der Unreife genannt, betrifft etwa ein Drittel aller extrem frühgeborenen Kinder und verursacht lebenslange Lungenschäden. Bei zwischen der 22. und 24. Schwangerschaftswoche geborenen Kindern tritt sie bei etwa 80 Prozent auf. Es gibt keine wirksame Behandlung außer einer unterstützenden Pflege. BPD tritt häufig zusammen mit der neonatalen Augenerkrankung ROP auf, die das Sehvermögen irreversibel beeinträchtigt. Das lässt auf eine verwandte Pathogenese schließen. Die spezifischen Mechanismen von BPD und ROP sind jedoch noch unbekannt.

Die leitende Forscherin Prof. Margaret L. Hibbs vom Department of Immunology der Central Clinical School, Monash University, Melbourne, Australien, erklärt: „Unser Labor konzentriert sich auf Entzündungen und die ihnen zugrunde liegenden Mechanismen. Wir untersuchen seit vielen Jahren myeloide koloniestimulierende Faktoren. In früheren Arbeiten von uns wurde berichtet, dass G-CSF bei der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) pathogen ist, und andere haben nun gezeigt, dass dies auch bei Asthma der Fall ist. In Anbetracht der Zusammenhänge zwischen Lungenerkrankungen im frühen Leben und COPD lag die Hypothese nahe, dass G-CSF auch bei der neonatalen Lungenerkrankung BPD eine Rolle spielen könnte.“

Frühgeborene mit schwerer BPD weisen erhöhten G-CSF-Wert im Plasma auf

Die Forscher verwendeten ein neonatales Mausmodell, bei dem BPD und ROP gleichzeitig auftreten, um nach möglichen Mediatoren zu suchen. Eine gleiche Anzahl von männlichen und weiblichen Mäusen wurde nach dem Zufallsprinzip einer Normoxie (21 % Sauerstoff) oder einer Hyperoxie (75 % Sauerstoff) innerhalb von zwölf Stunden nach der Geburt ausgesetzt. Die Studie ergab, dass G-CSF in der Lungenflüssigkeit und im Plasma der Mäuse als Reaktion auf Hyperoxie signifikant induziert wurde. Dies wurde bei der menschlichen Erkrankung bestätigt, da Frühgeborene mit schwerer BPD einen erhöhten G-CSF-Wert im Plasma aufwiesen.

Mangel an G-CSF schützt auch vor ROP

Neugeborene Mäuse mit einem Mangel an G-CSF wiesen eine deutlich geringere Alveolarschädigung auf und zeigten dementsprechend eine minimale Beeinträchtigung der Lungenfunktion nach einer Hyperoxieexposition. Dies stand im Zusammenhang mit einer verbesserten oxidativen Stressreaktion, einer verringerten Proliferation von Lungenepithelzellen, einer reduzierten Migration von myeloischen Zellen aus der Peripherie in die Lunge und einer verminderten Aktivierung von myeloischen Zellen. Ein Mangel an G-CSF schützte auch vor ROP, was auf einen weitreichenden Schutz hindeutet.

Hibbs merkt an: „Entzündungen sind in hohem Maße an der Pathogenese der BPD beteiligt, so dass wir spekulierten, dass G-CSF-abhängige Entzündungen an dieser Lungenerkrankung beteiligt sein könnten. Die Überraschung war aber, dass ein Mangel an G-CSF auch vor Retinopathie schützte. Es muss zwar noch mehr getan werden, um diese Erkenntnisse zu erweitern, aber neuere Studien weisen darauf hin, dass Neutrophile an Augenkrankheiten wie ROP und Diabetischer Retinopathie beteiligt sind. Und G-CSF ist der wichtigste Regulator für das Überleben und die Aktivierung der Neutrophilen.“

G-CSF-Rezeptoren werden auch auf Endothelzellen exprimiert

Co-Investigatorin Dr. Evelyn Tsantikos, vom Department of Immunology, Central Clinical School, Monash University, Melbourne, Australien, kommentiert: „Diese Studien brachten einige Überraschungen, einschließlich des unerwarteten Schutzes, den der G-CSF-Mangel dem Endothelkompartiment bot. Dies könnte mit der verringerten oxidativen Belastung zusammenhängen, aber es wurde auch gezeigt, dass G-CSF-Rezeptoren auf Endothelzellen exprimiert werden, so dass wir diesen Befund weiter untersuchen wollen.”

Erstautorin Lakshanie C. Wickramasinghe, vom Department of Immunology, Central Clinical School, Monash University, Melbourne, Australien, fügt hinzu: „Diese Studien unterstreichen den Wert kollaborativer Forschung – wir hätten nicht die besten Forschungsergebnisse erzielen können, wenn wir nicht die klinischen Mitarbeiter einbezogen hätten. Prof. Atul Malhotra, der uns aus erster Hand Einblicke in die auf der Neugeborenen-Intensivstation durchgeführten Beatmungsmaßnahmen gewährte. Prof. Anne Hilgendorff und Dr. Alida Kindt, die translationale Studien bei BPD-Patienten durchführten und dabei signifikant erhöhte G-CSF-Werte bei Säuglingen mit schwerer BPD nachwiesen.“

Hibbs fasst zusammen: „Unsere Studien identifizieren einen neuen Mechanismus bei BPD, der therapeutisch behandelbar ist und dazu beitragen könnte, die Lungen und das Sehvermögen von Säuglingen vor lebenslangen Schäden zu bewahren. Lungen- und Augenerkrankungen bei Neugeborenen werden derzeit als eigenständige Erkrankungen gehandhabt und behandelt. Unsere Ergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass G-CSF ein gemeinsamer pathologischer Mechanismus ist, der eine neue therapeutische Strategie zur Verbesserung der Versorgung und der langfristigen Ergebnisse dieser gefährdeten Frühgeborenen ermöglichen könnte.“

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Quellen Wickramasinghe LC, Tsantikos E, Kindt A et al. Granulocyte Colony-Stimulating Factor is a Determinant of Severe Bronchopulmonary Dysplasia and Coincident Retinopathy. Am J Pathol (2023) doi: 10.1016/j.ajpath.2023.07.006Elsevier