Ganzjährig und bundesweit: Klimawandel begünstigt Ausbreitung von Zecken und FSME14. April 2023 Will ganz hoch hinaus. Ixodes ricinus (Symbolbild) Foto: © Erik_Karits – pixabay.com Ganz Deutschland ist inzwischen als FSME-Endemiegebiet zu betrachten, wie Forscher auf einer Pressekonferenz der Uni Hohenheim erklärten. Neuere Erkenntnisse zeigten außerdem, dass FSME-Infektionen auch sehr untypische Symptome hervorrufen können, sodass gerade bei Kindern die Gefahr einer Fehldiagnose bestehe, sagt Prof. Gerhard Dobler, Leiter des nationalen Konsiliarlabors für FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr. Zecken bleiben ganzjährig aktiv und haben inzwischen selbst höher gelegene Bergregionen erobert: Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung von Zecken und damit auch das Auftreten der FSME, warnte Prof. Ute Mackenstedt, Leiterin des Fachgebietes Parasitologie der Universität Hohenheim, in Stuttgart bei der Pressekonferenz. Die Krankheit werde noch immer unterschätzt. „Damit die Zecke im Winter nicht überlebt, braucht es richtig knackig tiefe Temperaturen, die auch einmal wochenlang andauern. Da tiefe Temperaturen von -15 Grad durch den Klimawandel selbst in den Alpen immer seltener werden, sind die Zecken auch in den Wintermonaten aktiv“, erklärte Mackenstedt. Ein paar Tage Frost im Winter reichten nicht aus. Früher, länger, höher: Zecken breiten sich zeitlich und räumlich weiter aus Die Folge: „Zecken werden früher im Jahr aktiv oder sind sogar ganzjährig aktiv. Und selbst in den Bergregionen bis 1200 m werden heute stabile Zeckenpopulationen gefunden“. So wurden dem Robert-Koch-Institut in diesem Jahr bereits 17 FSME-Fälle gemeldet, so Mackenstedt. Mit den Zecken breiteten sich auch Krankheiten aus, deren Erreger von den Zecken übertragen würden. Allen voran die Frühsommer-Meningoenzephalitis, kurz FSME. „Die Anzahl der FSME Fälle hat in den letzten Jahren zugenommen“, erklärte Dr. Rainer Oehme vom Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg. Er wies darauf hin, dass vom Robert-Koch-Institut (RKI) in diesem Frühjahr weitere zusätzliche Land- und Stadtkreise zu Risikogebieten in Deutschland erklärt worden seien, die z.B. in Sachsen liegen. Doch bleibe die Situation bestehen, dass mehr als 80 Prozent der FSME-Fälle in Baden-Württemberg und Bayern liegen. Ein Hotspot ist beispielsweise der Landkreis Ravensburg. Gerhard Dobler vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München ergänzte, dass die Zahl der Naturherde zunehme und damit auch das Risiko, sich zu infizieren. Der Experte geht davon aus, dass die Viren durch wandernde Tiere und durch Zugvögel aus Nord- und Südeuropa eingeschleppt werden. Hochdynamische Situation vor allem in Süddeutschland Vor allem in Süddeutschland sei die Situation sehr dynamisch, berichtete Mackenstedt. Die Untersuchungen und die genetische Charakterisierung der FSME-Viren habe gezeigt, dass sich gerade hier viele verschiedene FSME Stämme etabliert hätten, die für die Krankheitsfälle verantwortlich seien. Diese genetische Vielfalt sähe man in anderen Regionen Deutschlands nicht. Die langjährigen Untersuchungen zeigten aber auch: Die FSME-Situation sei ein hochkomplexes vielfältiges Geschehen und Vorhersagen seien schwierig. Manche Regionen erwiesen sich über Jahre oder Jahrzehnte als FSME-Hotspot. Bei anderen schnellten die Fallzahlen innerhalb eines Jahres rapide nach oben und nähmen im nächsten Jahr wieder ab, so die Experten. Mit FSME infizieren kann man sich in ganz Deutschland – Es kommt nur auf die Exposition an Eines stehe aber bei genauer Ansicht der Fallzahlen fest: „Wir können für keine Region in Deutschland Entwarnung geben. Was die FSME betrifft, ist Deutschland inzwischen ein bundesweites Endemie-Gebiet“, betonte Mackenstedt. Aus diesem Grund seien Darstellungen irreführend, die weiße Flecken auf der FSME-Karte auswiesen: „In den Gebieten sind die Fallzahlen sehr gering, was aber nicht heißt, dass dort keine FSME-Fälle gemeldet werden. Es heißt nur, dass die Anzahl nicht den Schwellenwert übersteigt, bei dem dieser Landkreis zu einem Risikogebiet erklärt wird. Auch das RKI bestätigt, dass FSME Fälle in fast allen Bundesländern auftreten.“ Letztlich komme es vor allem auf das Expositionsrisiko jedes einzelnen an – und das steigt mit der Anzahl der Aufenthalte in freier Natur. Sie betonte, dass auch im heimischen Garten ein potenzielles Infektionsrisiko besteht. Selbst wenn der Garten nicht an den Waldrand grenzt. Erkrankungen können aufgrund atypischer Symptome zu spät erkannt werden Als Krankheit sollte die FSME nicht unterschätzt werden, warnte der Mikrobiologe Dobler. Die meisten Infektionen verliefen zwar symptomlos, das Risiko schwer zu erkranken, sei bei Menschen über 60 Jahren aber deutlich erhöht. Die bekanntesten Symptome bestünden in einer Gehirn- und Hirnhautentzündung, aber auch Symptome einer Sommergrippe wie Fieber, Kopfschmerzen oder Erbrechen und selbst Darmsymptome könnten unter Umständen auf eine FSME-Infektion hindeuten. Symbolbild Foto: © Pexels – pixabay.com „Inzwischen wissen wir ebenfalls, dass die FSME auch bei Kindern einen schweren Verlauf nehmen kann. Hier wird häufig von einem uncharakteristischen Krankheitsbeginn berichtet, der immer wieder zu verspätetet Diagnosen oder selbst zu Fehldiagnosen führen kann“, so der Mikrobiologe. Er berichtete von einer Mutter, die ihr fünfjähriges Kind vier mal in einem Krankenhaus vorstellen musste, das im Landkreis mit der höchsten Inzidenz für FSME in ganz Deutschland liegt, bis die Ärzte eine Diagnostik auf FSME einleiteten und dann auch tatsächlich die Diagnose stellten. Weiterhin seien Fälle bei Erwachsenen mit Entzündungen von Herz, Leber oder peripheren Nerven beschrieben. Eine zweiwöchige Darmlähmung habe sich bei einem Patienten letztlich als FSME entpuppt. 98 Prozent der Erkrankten hatten keinen oder unvollständigen Impfschutz Vor diesem Hintergrund bestehe die Gefahr, dass die FSME zu spät oder gar nicht erkannt werde. Die beste Strategie sei deshalb, der Krankheit vorzubeugen: „Bei 98 Prozent der FSME-Patienten oder -Patientinnen im vergangenen Jahr waren die Erkrankten gar nicht geimpft, oder hatten wegen fehlender Auffrischungsimpfungen einen unzureichenden Impfschutz.“ Gleichzeitig zeigten uns Länder wie Österreich, wie weitgehend flächendeckende Impfungen die Krankheitszahlen erfolgreich nach unten drückten. Allerdings zeige sich auch in Österreich ein ansteigender Trend bei den Erkrankungen in der ungeimpften Bevölkerung, sagte Dobler. Die Impfung werde von den Krankenkassen bezahlt und sei für die ganze Familie empfehlenswert, so der Experte. In der Regel sind drei Impfungen notwendig, um den vollen Impfschutz zu erreichen. Aber auch Teilimpfungen können zu schützenden Antikörpern führen, wie Untersuchungen im Ortenau-Kreis zeigen, so Dobler. Nach komplett erfolgter Impfung (je nach Schema variierend) besteht eine Wirksamkeit von mehr als 95 Prozent. Auch Hundehaltern und beispielsweise Pilzsammlern, die sich naturgemäß sehr viel in Feld und Flur aufhielten, sei eine Impfung gegen FSME dringend anzuraten. Text: Klebs (Uni Hohenheim)/sg
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