Gaza: Großer Anstieg an Menschen mit schweren Verletzungen und Behinderungen durch Bombardierungen

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Im Gazastreifen werde eine ganze Generation von Menschen mit schweren Verletzungen und Behinderungen zurückbleiben, so die Hilfsorganisation Handicap International (HI). Auch kleinere Verletzungen könnten aufgrund der Hygienebedingungen zu Komplikationen und lebenslangen Behinderungen führen.

Laut WHO benötigt ein Viertel aller Menschen, die allein zwischen dem 10. Januar und dem 16. Mai 2024 in Gaza verletzt wurden, das heißt 22.500 von 90.000, dringend Reha-Maßnahmen, so HI.

„Die Zahl der Menschen mit Behinderung im Gazastreifen wird erheblich ansteigen. Selbst eine scheinbar geringfügige Verletzung oder Fraktur kann, wenn sie nicht richtig behandelt wird oder sich infiziert, was angesichts der schrecklichen Hygienebedingungen sehr wahrscheinlich ist, zu Komplikationen und lebenslangen Behinderungen führen. Die Reha-Maßnahmen sind von entscheidender Bedeutung, um Komplikationen vorzubeugen und die bestmögliche Genesung der Überlebenden zu gewährleisten, doch das System bricht unter der Last zusammen“, sagt Noor Bimbashi, „Advocacy“-Beauftragte von HI für die palästinensischen Gebiete.

Dem WHO-Bericht zufolge erlitten zwischen Januar und Mai 2024 etwa 15.000 Menschen schwere Verletzungen an Beinen und Armen. Weitere .000 bis 4000 werden voraussichtlich amputiert werden müssen, mehr als 2000 Menschen erlitten schwere Kopf- und Wirbelsäulenverletzungen und über 2000 Menschen schwere Verbrennungen.

Rehabilitations- und Gesundheitsdienste in Gaza erheblich beeinträchtigt

Viele der Verletzten brauchen dringend Physiotherapie, auch um lebenslange Behinderungen vorzubeugen. Doch die Rehabilitationsdienste in Gaza sind durch den anhaltenden Konflikt stark beeinträchtigt, und das Gesundheitssystem ist nicht in der Lage, den steigenden Bedarf zu decken: 70 Prozent der stationären Krankenhäuser sind wegen Treibstoffmangels nicht mehr funktionsfähig, erläutert HI.

Ein großer Teil des Personals, das in der Rehabilitation arbeite, wurde vertrieben. Berichten zufolge sind bis zum 10. Mai 2024 39 Physiotherapeut*innen getötet worden.

HI-Reha-Fachkräfte arbeiten unermüdlich

„Die Rehabilitationsteams von HI bestehen aus 232 Fachleuten, die unter diesen extremen Bedingungen unermüdlich arbeiten, um denjenigen zu helfen, die Reha benötigen. Zwischen Oktober 2023 und August 2024 wurden die Wunden von 157.191 Verletzten versorgt, 169.761 Menschen mit Physiotherapiesitzungen versorgt, 57.692 mit Ergotherapie-Sitzungen und 48.190 mit psychologischen Erste-Hilfe-Sitzungen”, berichtt die Hilfsorganisation. Außerdem habe man 2500 Mobilitätshilfen wie Krücken und Rollstühle sowie 8076 Artikel wie beispielsweise Wundverbände, Erste-Hilfe-, Hygiene- und Menstruations-Sets geliefert. Das Angebot an Mobilitätshilfen bleibe aber drastisch hinter dem Bedarf zurück. „Die Zahl der Menschen, die sie benötigen, übersteigt bei Weitem das, was derzeit verfügbar oder in Planung ist”, so HI. Der WHO zufolge seien nur 13 Prozent des Bedarfs an Hilfsmitteln gedeckt.

Ohne fachgerechte Behandlung bleibt das Bein steif

Mohamed ist einer von Tausenden, die schwer verletzt wurden. Sein Bein wurde operiert, doch es infizierte sich und das Knie blieb steif. Die HI-Physiotherapeut*innen übten täglich mit ihm, stärkten seine Muskeln und machten ihm Hoffnung. „Zuerst lernte ich, mich im Rollstuhl fortzubewegen. Dann lernte ich mit einer Gehhilfe zu laufen, später mit Krücken. Und schließlich machte ich meine ersten Schritte ohne Unterstützung“, so Mohamed. Inzwischen kann Mohamed wieder laufen, Treppen steigen und ohne Hilfe einen der wenigen Ärzte aufsuchen.

Die anhaltenden Bombardierungen des Gazastreifens durch die israelischen Streitkräfte folgten auf einen massiven Angriff der Hamas auf Israel, bei dem 1200 Israelis getötet und 240 Israelis sowie ausländische Staatsangehörige als Geiseln genommen wurden.