Geheime Struktur im Schaltplan des Gehirns25. Oktober 2022 Nervenzellen im visuellen System der Maus: Grün: genetisch markierte, hemmende Nervenzellen. (Quelle: UKB & LMU/Dr. Nataliya Kraynyukova; Dr. Simon Renner) Forschende entdecken eine verborgene Ordnung in scheinbar zufälligen Verbindungen zwischen Nervenzellen. Im Gehirn entsteht unsere Wahrnehmung durch ein komplexes Zusammenspiel von Nervenzellen, die über Synapsen miteinander verbunden sind. Doch Anzahl und Stärke der Verbindungen können zwischen bestimmten Neuronentypen variieren. Forschende der Uniklinika Bonn, Mainz und München sowie dem Max-Planck-Institut für Hirnforschung haben im Rahmen des DFG-geförderten Schwerpunktprogramms „Computational Connectomics“ (SPP2041) nun herausgefunden, dass die Struktur der scheinbar unregelmäßigen neuronalen Verbindungsstärken eine verborgene Ordnung enthält. Vor zehn Jahren wurde die Konnektomik, also die Erstellung einer Karte der Verbindungen zwischen den circa 86 Milliarden Nervenzellen im Gehirn, als ein zukünftiger Meilenstein der Wissenschaft erklärt. Denn in komplexen neuronalen Netzwerken sind die Neurone durch Tausende von Synapsen miteinander verbunden. Dabei ist die Verbindungsstärke zwischen den einzelnen Neuronen wichtig, da sie für das Lernen und die kognitive Leistung entscheidend ist. „Jede Synapse ist jedoch einzigartig und ihre Stärke kann im Laufe der Zeit schwanken. Selbst bei Experimenten, bei denen derselbe Synapsentyp in derselben Hirnregion gemessen wurde, ergaben sich unterschiedliche Werte für die synaptische Stärke. Diese experimentell festgestellte Variabilität macht es jedoch schwierig, allgemeine Prinzipien zu finden, die der robusten Funktion neuronaler Netzwerke zugrunde liegen“, erklärt Prof. Tatjana Tchumatchenko, Forschungsgruppenleiterin am Institut für Experimentelle Epileptologie und Kognitionsforschung des UKB sowie am Institut für Physiologische Chemie der Universitätsmedizin Mainz, die Motivation die Studie durchzuführen. Mathematik und Labor zielführend kombiniert Im primären visuellen Kortex (V1) werden die vom Auge über den Thalamus weitergeleiteten visuellen Reize erst einmal aufgenommen. Die dabei aktiven Verbindungen zwischen den Neuronen schauten sich die Forschenden im Rahmen der Studie genauer an. Die Forschenden maßen dazu experimentell die gemeinsame Antwort von zwei Neuronenklassen auf verschiedene visuelle Reize im Maus-Modell. Gleichzeitig nutzten sie die Möglichkeit, mit mathematischen Modellen die Stärke synaptischer Verbindungen vorhersagen zu können. Reihenfolge zwischen den Verbindungsstärken ist der Schlüssel Die Forschenden fanden heraus, dass sich hinter der beobachteten Variabilität der Synapsenstärke eine Ordnung verbirgt. So waren zum Beispiel die Verbindungen von erregenden zu hemmenden Neuronen immer die stärksten, während die umgekehrten Verbindungen im visuellen Kortex schwächer ausfielen. Die absoluten Werte der synaptischen Stärken variierten in der Modellierung – wie schon in den früheren experimentellen Studien –, behielten aber trotzdem immer eine gewisse Reihenfolge bei. Die relativen Verhältnisse sind den Forschern zufolge also entscheidend für den Verlauf und die Stärke der gemessenen Aktivität und nicht die absoluten Werte. “Es ist bemerkenswert, dass die Analyse früherer direkter Messungen der synaptischen Verbindungen die gleiche Reihenfolge der synaptischen Stärken ergab wie unsere Modellvorhersage, die allein auf gemessenen neuronalen Antworten beruht”, sagt Dr. Simon Renner von der Neurobiologie der LMU, dessen experimentelle Aufzeichnungen der kortikalen und thalamischen Aktivität eine Charakterisierung der Verbindungen zwischen den kortikalen Neuronen ermöglichten. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die neuronale Aktivität viele Informationen über die zugrundeliegende Struktur neuronaler Netzwerke enthält, die sich aus direkten Messungen der Synapsenstärken nicht unmittelbar erschließen. Damit eröffnet unsere Methode eine vielversprechende Perspektive für die Untersuchung von Netzwerkstrukturen, die experimentell nur schwer zugänglich sind”, erklärt Dr. Nataliya Kraynyukova vom Institut für Experimentelle Epileptologie und Kognitionsforschung des UKB sowie Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt.
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