Gelungene Premiere: Tierärztetag West und Thementage Katze in Dortmund

V.l.n.r.: Dr. Rainer Schneichel (Präsident der Landestierärztekammer Rheinland-Pfalz), Karl-Andreas Bulgrin (Präsident der Tierärztekammer Nordrhein), PD Dr. Susanne Alldinger (Geschäftsführerin der DVG), Prof. Sabine Tacke (Präsidentin der Landestierärztekammer Hessen), Sanitätsrat Dr. Arnold Ludes (Präsident der Tierärztekammer des Saarlandes). Foto: DVG

Aus dem gesamten Bundesgebiet fanden sich  etwa 1.000 Tierärztinnen und Tierärzte im Kongresszentrum Dortmund ein, wo vom 30. August bis zum 1. September 2024 erstmals der „Tierärztetag West – Der Kammerkongress“ stattfand. Nahtlos in das Programm integriert waren die „Thementage Katze“.

Die Veranstaltung wurde von der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft (DVG) unter fachlicher Mitkoordination der Tierärztekammern Nordrhein, Westfalen-Lippe, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland durchgeführt. Die DVG stellt eine der größten tiermedizinischen Dachorganisationen hierzulande dar. Die mehr als 6.000 Mitglieder sind in 41 Fachgruppen organisiert und in allen Gebieten der Tiermedizin tätig.

Eröffnet wurde der Tierärztetag West von Karl-Andreas Bulgrin, Präsident der Tierärztekammer Nordrhein. Dr. Martin Berges, Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes, der in Vertretung der Ministerin Silke Gorißen anwesend war, hob in seinem Grußwort die wichtige Rolle von Tierärzten für die Gesellschaft hervor: „In Nordrhein-Westfalen ist die Haltung von Nutztieren ein elementarer Wirtschaftsfaktor. Die praktizierenden Tierärztinnen und Tierärzte – sowohl für Haus- als auch Nutztiere – leisten tagtäglich einen wichtigen Beitrag zu deren Gesunderhaltung. Mein Dank gilt allen Tierärztinnen und Tierärzten für ihren unermüdlichen Einsatz für die Tiergesundheit und den Tierschutz, ob in der Praxis, den Behörden oder auch der Wissenschaft und Forschung. Ihre Expertise und Ihr Engagement für das Tierwohl, 365 Tage im Jahr, ist beeindruckend!“

Dr. Holger Vogel, Präsident der Bundestierärztekammer, betonte in seiner Begrüßung den bedeutenden Einfluss auf die Gesundheit von Mensch und Tier, den Tierärzte durch ihre Tätigkeit u. a. in der Versorgung von Heim- und Nutztieren, in der Lebensmittelkontrolle, im Verbraucherschutz und dem Schutz vor Tierseuchen haben. Weiterhin führte Vogel aus, dass neue Arbeitsmodelle notwendig seien, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ermöglichen sowie dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Tiermedizin im Wandel

Unter dem Leitmotto „Tiermedizin im Wandel“ startete das Vortragsprogramm am Freitagvormittag. Zunächst richtete sich der Blick auf die Zukunftsperspektiven in der tierärztlichen Praxis, insbesondere darauf, welche Chancen und Risiken mit zunehmender Digitalisierung und Einsatz der Künstlichen Intelligenz (KI) verbunden sind. Einhelliges Credo war, wie eigentlich stets, dass die KI als unterstützendes Tool zu betrachten sei, jedoch niemandem den Arbeitsplatz wegnähme.

Die parallellaufenden Fachprogramme zu Kleintieren, Nutztieren, Pferden sowie zur Tätigkeit im Öffentlichen Dienst waren zeitlich optimal organisiert, sodass es weder in dem recht kleinen Foyer, in dem die Industrieausstellung stattfand, noch in der Verpflegung zu Warteschlangen kam. Es ließ sich daher ganz entspannt das Mittagessen genießen, das auch die Bedürfnisse der „Pflanzenfresser“ unter den Tierärzten berücksichtigte.

Mittagspause mit Milka: Louisa Schmidt (li.) und Verena Förderreuther Foto: © Sigrun Grombacher

Gut gefallen haben den beiden Tierärztinnen Verena Förderreuther von der Tierklinik Hochmoor und Louisa Schmidt, Hamm, mit Hündin Milka die praxisnahen Vorträge, besonders zur Neurologie und Katzenmedizin. „Auch die Vorträge von Prof. Kook und Dr. Luckner waren sehr informativ. Wir können uns beide vorstellen, nächstes Jahr wieder hinzugehen“, so ihr Fazit zur Veranstaltung auf Nachfrage.

Am fortgeschrittenen Freitagnachmittag durchbrach eine Art Düsenjet die etwas sauerstoffarme Luft des „Goldsaals“: Dr. Kathrin Busch von der LMU München, referierte zum Thema Erbrechen. Sie „hob ab“ mit dem Hinweis, „dass zu diesem Thema ja alle alles wüssten und es insofern undankbar sei, etwas dazu zu sagen.“ Dann lieferte sie in Überschallgeschwindigkeit einen nahezu vollständigen, sehr eindrucksvollen Abriss der Thematik. Sehr anschaulich waren die gezeigten Sequenzen vergleichender Schluckstudien. Beim physiologischen Schluckvorgang gleiten die zuvor in Kontrastmittelflüssigkeit eingelegten Futterboli smooth wie Nacktschnecken den Ösophagus hinab, so Busch’s bildhafte Umschreibung. Eine Assoziation, die im Kopf bleibt. Beim gestörten Schluckvorgang wird den Schnecken bspw. der Durchtritt in den Ösophagus verwehrt oder sie verformen sich auf ihrem Weg in den Magen. In den exakten Formulierungen ihrer eigenen (oft bildhaften) Assoziationen zu bestimmten Sachverhalten, liegt eine Stärke ihres Vortragsstils. Bilder kombiniert mit einer knappen, auf den Punkt gebrachten Umschreibung bleiben einfach besser im Gedächtnis haften. Außerdem blitzte in Busch’s Rede die spielerische Freude durch, mit der sie ihrer „Arbeit“ nachgeht. Begeisterung, die ansteckt. Die trat auch in ihrem Anschlussvortrag zutage, in dem sie die aktuellen diagnostischen Möglichkeiten beim „Durchfall bei Hund und Katze“ zusammenfasste, vom CCECAI-und CIBDAI-Index bis zur Kottransplantation. Über letztere sprach sie „als Retter in der Not“ auch am Samstag auf der Tagung der AG Katzenmedizin. Busch erläuterte das Vorgehen bei der Zubereitung einer Kotsupension für die Transplantation akribisch in allen Einzelheiten, sodass sich der Zuhörer nach dem Vortrag tatsächlich in die Lage versetzt sah, eigenmächtig Kotsuspensionen herzustellen. Eine Art „braunes Gold“, welches eine potente „Soforthilfe“ gegen Diarrhoe darstellt, wie mittlerweile auch in Studien vor allem bei Hunden belegt ist. Außerdem referierte sie über den Einfluss des intestinalen Mikrobioms bei der Katze und sprach gemeinsam mit Dr. Jennifer von Luckner über die im Gastrointestinaltrakt nur ungern gesehenen Antibiotika und ihre unmittelbaren Auswirkungen auf das Darm-Mikrobiom.

Katze und Katzentoilette: Eine Story für sich. (Symbolbild) Foto: © zoranlino – stock.adobe.com

Das Savannenklo, das macht die Katze froh

– oder: Sprechen Sie Katze?

Vorträge von hoher Praxisrelevanz hielt auch Dr. Julia Fritz, Inhaberin von Napfcheck, einer Praxis für Ernährungsmedizin sowie klassische Ernährungsberatung über Telefon und digitale Medien. In „Von Futtermäklern, verstopften Katzen und anderen Darmpatienten“ stellte Fritz u. a. einen Fall von Unsauberkeit bei einem Kater vor. Zu Beginn erinnerte sie daran, wie wichtig es ist, zu differenzieren, ob ein Problem organisch bedingt ist oder ob es sich um ein Komfortzonen-Problem handelt. Bei Katzen, die meisterhaft darin seien, Symptome zu verbergen, träten häufig bestimmte Verhaltensweisen zutage, wenn im Ressourcenangebot etwas brachliegt. Die Unsauberkeit des eingangs erwähnten Katers hatte begonnen, als die Katzenhalterin häufiger auswärts arbeiten musste und ihre beiden Katzen nicht mehr raus konnten. Der Kater hatte nach und nach in jedes Zimmer gepinkelt, worauf die Katzenhalterin mehr Katzenklos aufgestellt hat. Doch das Problem bestand weiterhin. Woran lag’s?

In ihrem Vortrag gelang es Fritz mithilfe von Fotografien, die Lebensrealität in Katzenhaushalten abzubilden – und dies aus zweierlei Blickwinkeln: Dem zuweilen etwas hilflosen Blick des ratsuchenden Katzenhalters und, was noch eindrucksvoller war, dem (wahrscheinlichen) „Blick“ der Katze. Bei einer Aufnahme zeigte sich das katzenbegeisterte Publikum dann auch recht amüsiert: Darauf war eine von Grünpflanzen umstellte Katzentoilette zu sehen, ergänzt durch einen Flacon mit ein paar Duftstäbchen. Aus menschlicher Sicht nachvollziehbar und ein durchaus kreativer Ansatz für mehr Behaglichkeit, aus Katzenperspektive entstand durch die Maßnahmen jedoch kein geeigneter Platz zur Verrichtung der Notdurft. Neben der beschriebenen hatte die verzweifelte Katzenhalterin vier weitere Katzentoiletten im Aufgebot für ihre zwei Lieblinge, und alle wurden von ihrem Kater verschmäht. Bei näherem Hinsehen waren die fünf Katzenklos in „Katzenressourcenwährung“ jedoch nicht mal die Hälfte wert: Zwei standen direkt nebeneinander, in Katzenaugen ist dies als eine Toilette zu sehen. Bei den anderen Katzenklos war die Litterbox zur Entsorgung der Exkremente gleich nebendran aufgestellt – eine praktische Lösung, die vermutlich gar nicht so selten vorkommt, für die feine Katzennase jedoch unerträglich. Dass eine Katze ein derartiges Arrangement eher mit einem übelriechenden Pissoir als mit einer Luxustoilette assoziieren dürfte, sei den zumeist sehr um das Wohl ihrer Tiere bemühten Haltern am einfachsten durch ein Foto, das die Sichtweise der Katze repräsentiert, zu vermitteln, wie Fritz darlegte. Auch die Anwendung zu scharf riechender Reinigungsmittel bei Säuberung der Katzentoilette stelle noch immer einen olfaktorischen Störfaktor in vielen Katzenhaushalten dar, da müsse ebenfalls an das ausgezeichnete Geruchsvermögen der Tiere erinnert werden.

Bei Katzenpatientin „Debbie“ hingegen bestand das Problem darin, dass sie nie leer fraß und Julia Fritz zeigte auch, warum: Sie hatte ihren Fressplatz in Sichtweite zu ihrem gefräßigen Bruder und dieser holte sich, sobald er seinen Napf leergeschlungen hatte, sogleich einen Nachschlag bei der ängstlichen Schwester. Seit die Ressource „Futter“ den Geschwistern in verschiedenen Räumen angeboten wird, frisst Debbie nun stets leer. Sei dies aus Platzgründen nicht möglich, so helfe auch ein taktisch klug aufgestellter Sichtschutz weiter, so Fritz.

Viel konnte man in dem Vortrag heraushören vom täglichen „Menscheln“ und „Katzeln“ in der Praxis: Besonders im Gedächtnis geblieben ist dabei der Ausdruck „Savannenklo“. Fritz hat ihn sich ausgedacht – gemeint ist damit eine besonders große, offene und weitflächig freistehende Katzentoilette. Eben eine, wie Katzen sie kaufen würden. Die weitverbreitete Fehlannahme, dass Katzen Toiletten mit Deckel bevorzugen würden, hält sich leider noch immer hartnäckig. Dass Julia Fritz „Katze spricht“, das hat sie in ihren Ausführungen klargemacht. Und sie sprach den anwesenden Katzenfans damit aus der Seele, das war zu spüren.

Zur Problematik der Obstipation hatte Fritz in ihrem Vortrag u. a. auch die jeweiligen Vorteile von Futterzellulose und Flohsamenschalen dargestellt und sie je nach vorliegender Problematik gegeneinander abgewogen. Doch manchmal bedarf es bei einer Obstipation auch der tatkräftigen Unterstützung durch einen Chirurgen resp. einer Chirurgin: Folgerichtig erläuterte im Anschluss Dr. Christine Peppler, leitende Oberärztin Chirurgie, JLU Gießen, die Themen Invagination und gastrointestinale Fremdkörper bei der Katze von Diagnostik bis Therapie. Die feline Vorliebe für fadenförmige Fremdkörper ist bekannt, diese mache etwa ein Drittel der Fälle aus, so Peppler, doch einige Katzen scheinen auch Gefallen an kleinteiligem Spielzeug zu finden wie der Fotobeweis belegte. Insofern sollte bei Vermissen etwa eines Überraschungsei-Figürchens oder eines Teiles davon (bei Hunden verschwindet ja auch gerne mal das ganze Ü-Ei) und dem gleichzeitigen bzw. zeitversetzten Auftreten von Verdauungsproblemen bei der Hauskatze durchaus an einen möglichen Zusammenhang gedacht werden, so Peppler. Zum Thema Invagination berichtete sie, dass diese insbesondere bei der Rasse Main Coon (Prädisposition für idiopathische Invagination) auftritt und dies im Durchschnitt vor allem bei Tieren unter einem Jahr, während bei anderen Katzenrassen der Altersdurchschnitt für das Auftreten einer Invagination bei vier Jahren läge. Anamnestisch leiden die Tiere zumeist an akutem Erbrechen und (blutigem) Durchfall, sowie Inappetenz und Gewichtsverlust. Die Klinik geht häufig mit reduziertem Allgemeinbefinden, Fieber, Dehydratation und schmerzhaftem Abdomen einher. Peppler gab viele hilfreiche Tipps zur Enterektomie, die in ca. 80 Prozent der Fälle notwendig sei, besonders häufig betroffen das Jejunum.

Abschließend fand die Verleihung der Posterpreise statt, die Dr. Imke März, Tierklinik Hofheim, vornahm. Der Publikumspreis ging für das Poster „Auftreten der MDR1 (ABCB1) Variante bei Katzen“ an die Vorsitzende der Tagung der AG Katzenmedizin, Dr. Angelika Drensler. Mit dem Beitrag soll das Bewusstsein dafür geschärft werden, dass ein MDR1-Defekt auch bei Katzen vorkommt, u.a. bei der in dieser Studie im Fokus stehenden Rasse Main Coon, bei der die Häufigkeit des Auftretens nicht unterschätzt werden sollte. Bei betroffenen Katzen wurden schwerwiegende Reaktionen auf Arzneimittel beobachtet, die über das p-Glykoprotein verstoffwechselt werden.

Dr. Bianca Rieksneuwöhner und ihre Kollegin Malgorzata Heinzelmann (General Practitioner Certificate in Feline Practice; ISVPS), beide von der Tierarztpraxis Dr. Nieder in Schloß Holte, waren gezielt wegen der Thementage Katze nach Dortmund gekommen. Besonders angetan waren sie von den Vorträgen von Dr. Jennifer von Luckner. „Wir nehmen viel mit aus den praxisnahen Vorträgen für unser tierärztliches Arbeiten“, so das einhellige Credo der beiden Katzenfans.

Für Tiermedizinische Fachangestellte (TFA) war ebenfalls ein fachlich anspruchsvolles Vortragsprogramm im Angebot. So vermittelte Tierärztin Carolin Schröter, Katzenbeauftragte („Catvocate“) der Kleintierklinik der JLU Gießen, den interessierten TFAs u. a. die Grundlagen der Bluttransfusion sehr anschaulich und praxisnah. Schröter erläuterte die einzelnen Schritte durch Bildmaterial unterlegt und erklärte wie sie selbst sich den Unterschied von großer (Major-Probe) und kleiner Kreuzprobe (Minor-Probe) merkt. Sie befand sich dabei stets auf Augenhöhe mit den überwiegend jungen Zuhörern. Ein didaktisch sehr gelungener Vortrag.

In vertiefenden Seminaren, die überwiegend am Sonntag stattfanden, konnten sich die teilnehmenden Tierärzte intensiv u. a. mit internistischen Fällen aus der Pferdemedizin, mit Tierzahnheilkunde sowie mit verhaltensmedizinischen Fragen und der Herz-Lunge-Wiederbelebung befassen. (Sigrun Grombacher)